Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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      Na also, der Anfang war geschafft.

      „Weißt du, warum deine Kleidung in weiß und blau gehalten ist?“

      Wie freundlich von ihr, sie erinnerte mich an eine weitere ungeklärte Frage. „Da müsste ich raten“, gab ich zu. „Vielleicht weiß für die Reinheit und blau, hmmh, blau für den Himmel. Nein, weiß für das Licht.“

      „Beides, Reinheit und Licht, und richtig, Blau steht für das Firmament“, bestätigte sie.

      „Aber was spricht gegen die anderen Farben?“, begehrte ich zu wissen.

      „Überleg selbst“, forderte Elin mich auf.

      „Okay, schwarz ist finster und deshalb gestrichen, rot gilt als aggressiv, braun finde ich schrecklich. Was ist mit grün?“

      „Ganz einfach, es passt nicht zu deinen Augen“, schmunzelte die Elbe.

      Langsam entspannte ich mich, zudem bereitete mir unser Kopfgespräch kaum mehr Mühe.

      „Aber im Ernst“, fügte sie an, „sollen die gewählten Farben dein Schicksal symbolisieren. Du stammst von uns ab, dein Weg wird für sämtliche Elben von größter Bedeutung sein.“

      Instinktiv wusste ich, zu diesem Punkt würde sie keine Fragen zulassen. „Der Fragenberg wächst grundsätzlich schneller als das Häuflein magerer Antworten“, stellte ich zum x-ten Mal frustriert fest.

      „Geduld, Lilia. Immer nur so viel, wie es deinen Fortschritten entspricht.“

      „Bin ich dermaßen langsam?“ Schnelligkeit gehörte eben nie zu meinen herausragenden Eigenschaften.

      „Keineswegs, wenn du deine eigenen Stolpersteine aus dem Weg räumst, lernst du hervorragend.“

      Nebenbei „organisierte“ Elin frischen Tee. Ein guter Übergang für die nächste offene Frage, bei der ich mir allerdings reichlich albern vorkam. „Tust du etwas Ähnliches wie Magie, so wie Zauberei im Märchen?“

      „Daran ist gar nichts Geheimnisvolles, du siehst lediglich die gebündelte Macht des Lichts.“

      Ihre Antwort klang so lapidar, als hätte ich nach ihrem neuen Strickmuster gefragt.

      „Heißt das, ich kann auch … wie nennst du es?“

      „Dafür existiert keine Entsprechung in eurer Sprache. Doch die Menschen nannten unsere Fähigkeiten vor ewigen Zeiten tatsächlich Magie oder Zauber.“

      Das fand ich irgendwie enttäuschend.

      „Möchtest du es lernen?“

      Die Frage kam absolut unerwartet.

      „Ja, bitte!“ Vor Begeisterung wusste ich kaum wohin mit mir.

      Zum ersten Mal lachte Elin.

      Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Höchst konzentriert versuchte ich, mittels Geisteskraft einfache Dinge zu bewegen. Nachdem mein Frühstücksteller in Trümmern auf den Fliesen lag, was ich als tollen Erfolg bejubelte, stieg ich auf den Scheuerschwamm, die Spülbürste und andere unkaputtbare Utensilien um. Elin amüsierte sich königlich, was ich beinahe noch schöner fand als die mäßig erfolgreichen Flugversuche.

      „Himmel, wie anstrengend!“ Der Schweiß rann mir aus sämtlichen Poren. Erst als mein Magen so laut knurrte, dass stures Ignorieren zwecklos wurde, beendeten wir unser Treiben.

      „Bedenke bitte, du darfst Magie niemals in der Gegenwart von Menschen nutzen.“

      „Dazu müsste ich sie erst einmal beherrschen“, lachte ich. „Aber du hast vollkommen Recht, das wäre ein echter Schocker.“ Dabei flitzte eine Szene mit fliegenden Gegenständen durch meinen Kopf und ich gluckste. Verlockend war die Vorstellung wirklich, im Supermarkt per Handschlenker binnen Minutenfrist die lästigen Einkäufe zu erledigen.

      Elin schlenkerte einen Teller mit dick belegten Sandwiches und ein großes Glas kalte Milch auf den Küchentisch.

      „Nanu?“

      „Probieren bitte, und schön aufessen. Du isst viel zu wenig.“

      Erst zögerlich ein Eckchen von der ungewohnten Kost knabbernd, biss ich schnell herzhaft hinein. „Sind die Sandwiches lecker!“

      Zufrieden verschwand sie.

      „Verflixt, ich wollte sie doch nach meinen Pflanzen fragen.“

      Ganz schwach vernahm ich aus der Ferne ihre Antwort: „Ich habe mich nur ein wenig mit ihnen unterhalten.“

      Beinahe hätte ich mich verschluckt.

      Gerade als mein Entschluss feststand, den Nachmittag zum Zwecke der Gefühlskunde in der City zu verbringen, läutete es an der Haustür. Ohne Nachdenken riss ich die Tür auf, nur um in das fiese Gesicht meines Nachbarn aus dem Haupthaus zu blicken. „Wozu“, schalt ich mich, „hast du eine Überwachungskamera?“

      „Hallo, Frau Nachbarin, wie ich sehe, ist Ihr Umzug bereits überstanden.“

      Ich bat ihn nicht herein. „Ja, Schnee von gestern“, entgegnete ich kurz angebunden.

      „Dann darf ich Sie hoffentlich am nächsten Samstag auf meiner Party begrüßen? Es werden selbstverständlich eine Menge interessanter Leute da sein.“

      Keine Ahnung, was mich ritt, oder ob ich ihn einfach schnellst möglich loswerden wollte, jedenfalls kündigte ich mein Erscheinen an.

      „Das Buffet wird um Punkt 21 Uhr eröffnet.“ Damit trollte er sich.

      „Wieso nehmen immer alle das Essen so wichtig? Wenn ich Hunger bekomme, esse ich oder auch nicht, basta. Punkt 21 Uhr. Seit wann hat mein Magen eine Zeitschaltuhr?“, schimpfte ich vor mich hin.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Der schwarze Fürst muss seine versammelten Sklavenhorden offensichtlich bei Laune halten. Die Jagd auf mich ist eröffnet.

      Kapitel 3

      Der alte Mann saß in der rechten Ecke am Eingang des S-Bahnhofs, er fror unübersehbar erbärmlich. Als ich den Bettler sah, verlangsamten sich meine Schritte und ich konzentrierte mich. Aus seiner Seele schlug mir Verzweiflung in all ihren tragischen Facetten entgegen. Tief sitzender Hass grollte, Todesangst waberte erwartungsvoll dazwischen. Genug, wie grauenhaft! Mir wurde speiübel. Aus meiner Geldbörse zerrte ich das komplette Bargeld hervor und drückte es dem Bettler im Vorübergehen in seine Hände.

      „Danke, mein Engel“, rief er mir Flüchtenden hinterher.

      Schwer atmend landete ich in der erstbesten Boutique.

      „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Die Verkäuferin drehte Däumchen, keine Kundschaft. Nach einem taxierenden Blick auf meine Kleidung strahlte sie mich an.

      Irritiert empfing ich Signale blanker Gier. Wortlos vollzog ich die Kehrtwende und betrat als nächstes zwei Häuser weiter den vertrauten Kerzenladen.

      Nachdem sich der Einkaufskorb mit diversen Kerzen und einer Packung nach Vanille duftender Teelichter gefüllt hatte, stellte ich mich zu der kleinen Schlange an der Kasse. Die Mutter vor mir schleppte eine chronische Erschöpfung mit sich herum. Kein Wunder, ihre zappelnde und quengelnde, höchstens zehn Jahre alte Tochter erwies sich als Aggressionsbündel mit Tendenz zur Shoppingsucht. Ein junges Mädchen, es bezahlte gerade sein Plüschkissen, litt nicht nur an Liebeskummer, in ihr brodelten ebenso Rachegelüste. Der Kassiererin ging es kaum besser. Wehmut, Sehnsucht und ein bitter enttäuschtes Herz, das Fass stand kurz vor dem Bersten. Sie tat mir aufrichtig leid. Solch ein liebenswertes Wesen im Innern und im krassen Gegensatz dazu ihr unattraktives Äußeres.