Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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war allzu offensichtlich nur die halbe Wahrheit.

      „Dauert der Einbau einer neuen Heizung denn dermaßen lange?“, lockte ich ihn aus der Reserve.

      „Nein, nein“, lachte er bitter, „wir sind einfach pleite, das ist der Grund. Aber nun lasse ich Sie allein, anstatt Sie mit meinen Sorgen zu belasten.“

      Kaum hatte der Priester die Kirche verlassen, strebte ich auf den Altar zu und hockte mich auf dessen Stufen. Ihr Licht erschien zu meiner großen Erleichterung. Im Geist formulierte ich eine Frage mit dem frechen Hintergedanken, mein Konto möglichst rasch mit Hilfe sinnvoller Investitionen zu leeren. Die Sternelben freuten sich über meine Idee. Später am Tag musste ich lediglich noch herausfinden, wie man eine anonyme Spende über fünfzigtausend Euro hinbekam. Die Aktion war nicht völlig ohne Hintergedanken, schließlich vermutete ich vage, noch häufig an diesen Ort zu kommen.

      „Pater Raimund wird dir ein wahrhaft guter Freund sein, Lilia.“

      „Das wäre schön! Aber noch schöner fände ich es, wenn ihr mir jetzt verraten würdet, wozu ihr mich braucht“, drängelte ich.

      Erst weit später, dennoch schneller als von den Sternelben erwartet, sollte ich ein bedeutendes Stück der schaurigen Wahrheit erfahren: Die Dämonen hatten, angetrieben durch ihren irdischen Fürsten, eine Möglichkeit gefunden, sich Menschen gefügig zu machen. Daher drohte ein Ungleichgewicht des Bösen.

      Hier in der Kirche aber erklärten sie mir nur einen scheinbar harmlosen Teil des Problems. „Wir selbst können die Menschen nicht beeinflussen, weil uns kein wahrer Glaube mehr aneinander bindet. Deshalb wünschen wir uns, dass du diese Aufgabe löst.“

      „Was genau meint ihr damit?“, hakte ich irritiert nach.

      „Immer mehr Böses geschieht, ohne dass wir einzuschreiten vermögen. Wenn du dazu bereit bist, gibst du unser Wissen an die Menschen weiter, warnst sie vor Gefahren.“

      „Wer würde ausgerechnet mir zuhören? Ich kann wohl kaum einfach losrennen und den Leuten sonst was Apokalyptisches erzählen. Die würden mich glatt für verrückt halten!“, protestierte ich geschockt. Der Plan sprengte mein Vorstellungsvermögen.

      „Unterschätze niemals unsere Macht, Lilia. Wir werden dir helfen. Doch zuvorderst benötigst du göttliches Licht.“

      „Wozu ist das gut?“ Das mitschwingende Misstrauen hielt sich in engen Grenzen.

      „Du hast bemerkt, dass du uns nur in der Nähe des Buches und in dieser Kirche hören kannst. Nimmst du jedoch das Licht in dir auf, ist dies möglich, wo immer nötig.“

      „Klingt fast wie Zauberei. Und wie funktioniert das?“

      „Du spürst es bereits.“

      „Das Prickeln auf meiner Haut?“

      „Ja. Lege deine geöffneten Hände mit der Innenseite nach oben in deinen Schoß.“

      Still saß ich lange so da und lauschte entrückt ihrem Gesang.

      Die Sternelben verschwiegen mir, dass das aufgenommene Licht später vor allem als tödliche Waffe gegen Dämonen dienen würde. Und indem ich das Licht speicherte, wurde ich ganz nebenbei für die schrecklichen Wesen der Finsternis so sichtbar wie ein Komet in der Nacht. Auch diese Kleinigkeit unterschlugen sie. Doch die eigentliche Gefahr lag noch weit vor mir, und sie sollte gigantisch sein.

      Anschwellender Gesang schreckte mich aus meinen fantastischen Träumereien hoch. „Lilia, genug für heute. Bevor du gehst, noch eines. Der Priester hat dich im Licht gesehen, als er nachschauen wollte, ob du bereits gegangen bist.“

      „Oh shit! Und jetzt?“

      „Jetzt hat er etwas, worüber es sich nachzudenken lohnt“, riefen die Sternelben lachend.

      Kichernd begab ich mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Unterwegs fand ich plötzlich die bloße Vorstellung, einen Priester als Freund zu bekommen, ziemlich skurril. Mit Kirche und Co. hatte ich noch nie was am Hut. Warum also hatte ich Begeisterung bekundet? Schwach! „Ein Freund, wie schö-ön“, mokierte sich mein Alter Ego „Nächstens steigerst du dich dann garantiert zu: ‚Ganz zauberhaft, meine Lieben, ganz zau-ber-haft‘!“ „Grrrrh.“

      Am nächsten Tag wollte ich telefonisch einen Umzugsunternehmer organisieren, damit zumindest das Packen der geschätzt achtzig Bücherkartons bald starten konnte. Doch die Lichtwesen stoppten mich.

      Kurz darauf klingelte es. Ein Fahrradkurier kam die Treppe hoch geflitzt und drückte mir wortlos ein großes Kuvert in die Hand. Als Absender prangte der Stempel einer Anwaltskanzlei.

      In dem Umschlag befand sich nicht nur der Kaufvertrag für das Gartenhaus, sondern bereits die Schlüssel dazu. „Unglaublich!“ Logischerweise hatte ich erwartet, das Prozedere würde viele Wochen verschlingen.

      Eindeutig, die Lichtwesen kicherten. „Lilia, sicher möchtest du gleich zu deinem Haus fahren. Vorher musst du Folgendes wissen: Dort erwartet dich eine Elbe, Elin ist ihr Name.“

      Mir blieb die Spucke weg. Hatten sie wirklich gerade „Elbe“ gesungen? E-L-B-E? „Eine, aber, was, wieso das, tut sie denn da …?“, stotterten meine Gedanken ohne geistreiche Anweisungen.

      Sie schwiegen taktvoll.

      „Und wie verhält man sich gegenüber Elben?“

      „Genauso herrlich respektlos, wie du uns begegnest. Sei einfach freundlich. Sie wird dir helfen und Rat erteilen, wenn du darum bittest.“

      Gespannt wie ein Flitzebogen, zugegeben auch hochgradig nervös, marschierte ich zur S-Bahn. Dann ging es los. „Eine Elbe? Ernsthaft?“ Prompt spulten Filmsequenzen aus J. R. R. Tolkiens „Herr der Ringe“ in meinen Kopf ab. „Du spinnst doch total! Elben? So ein Blödsinn!“, schimpfte mein Alter Ego. „Du meinst, die machen einen Scherz?“ „Was denn sonst? Oder bist du jetzt etwa rationalamputiert?" Als Reaktion auf unseren internen Schlagabtausch startete mein Verstand den kurzen Versuch, eine lupenrein rationale Erklärung für sämtliche Vorgänge abzuliefern. Demnach musste ich seit Wochen – wahrscheinlich nach dem Sturz von Joschs XXL-Leiter – im Koma liegen und ungebremst vor mich hin spinnen. „Wie die Elbe wohl aussieht?“, machte meine Fantasie kurzen Prozess.

      Die Fahrt zum Gartenhaus dauerte diesmal gefühlt ewig. Unruhig rutschte ich in der S-Bahn auf meinem Sitz herum.

      Mehr schlitternd als gehend hastete ich das letzte Stück über vereiste Wege bis zum Gartentor. Der fiese neue Nachbar schien verreist zu sein, unberührter Neuschnee lag vor seinem Haus wie auf dem Weg zum Gartenhaus. Die geräumten Treppenstufen vor dem Eingang fielen daher sofort ins Auge. Dickes Fragezeichen! Den Geheimcode für die Alarmanlage hatte mein Gehirn unverständlicherweise sofort abgespeichert. Kurz schüttelte ich irritiert den Kopf über mich.

      Leise schloss ich die Tür auf – und bekam tellergroße Augen. „Der Flur ist bereits eingerichtet!“, rief ich voller Staunen aus. Gläserne Bodenvasen mit Rosen darin, die ihren sanften Duft verströmten, standen rechts und links der Freitreppe. Dann erblickte ich sie. Elin. Ein weiß schimmerndes Lichtwesen, halb menschlich und halb überirdisch anmutend. Ihre grazilen Bewegungen ließen schwache Blautöne über das lange weiße Gewand gleiten. Etwas kleiner als ich, wirkte sie zart, fast zerbrechlich unter ihren weißblonden, üppig langen Haaren. Im krassen Kontrast dazu baumelte ein silbernes Schwert an ihrer Hüfte. Graublaue, geheimnisvolle Augen betrachteten mich ernst. Unwillkürlich verglich ich ihre Erscheinung mit der Elbe Galadriel. „Irgendwie ähnlich und doch sehr anders.“

      Später gewahrte ich den bedeutenden Unterschied. Bei Elin fehlte die offensichtliche Ausstrahlung von Macht.

      Überraschend erklang Elins melodische Stimme in