Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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euch?“

      „An diesem Ort opfern und verehren Menschen seit Urzeiten. Es begann mit einer Kultstätte für die Sonne, später folgten Tempel für verschiedene Gottheiten. Schließlich eroberte das Christentum den Platz. Selbst diese Kirche ist nicht die erste, an ihrer Stelle stand vormals eine Kapelle. Nur hier währt schwach der reine Urglauben an das Gute, genährt von unzähligen Menschengenerationen über Jahrtausende hindurch. Deshalb können wir dir nah sein.“

      Amüsiert registrierte ich erstmals den sprachlichen Mischmasch aus teils antiquierten, teils modernen Wörtern.

      „Wir lernen genauso wie du.“

      „Was soll ich lernen?“

      „Zunächst einmal müssen sich deine Eigenschaften und Fähigkeiten voll entfalten, bevor du lernst, sie zu gebrauchen.“

      Obschon keinen Plan, wovon genau sie da summten, entgegnete ich lapidar: „Das ist alles?“

      „Unterschätze die Aufgabe nicht.“

      „Ich habe so viele Fragen!“

      „Genug für heute, Lilia. Du musst dich sputen, die Dunkelheit naht.“

      „Och, die Nacht macht mir keine Angst.“

      Komisch, sie summten wirr.

      Den Heimweg verbrachte ich traumduselig, bis mein Alter Ego loslegte: „Aber klar doch, typisches Erzählmuster von Fantasystories. Irgendwann taucht irgendwo ein unscheinbares Persönchen auf, in dem sich aus unerfindlichen Gründen ein mysteriöses Erbe verbirgt. Tse! Könntest du dir eventuell mal ins Gedächtnis rufen, dass außerhalb von Büchern eine stinknormale Realität existiert?!“

      Der Besuch in Santa Christiana hatte selbstverständlich von Anfang an einen tieferen Sinn für die Sternelben gehabt. Nebenbei versuchten sie, meinen Charakter insgeheim nach ihren Plänen zu formen. Dass solche Veränderungen durchaus unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen könnten, ging ihnen erst reichlich spät auf.

      Tatsächlich Montag. Der Wecker piepte unerbittlich. „Ich muss arbeiten“, war der erste Gedanke.

      „Guten Morgen, Lilia. Du wirst nie mehr arbeiten“, säuselten die Sternelben.

      „Aber … Wieso das?“

      „Nach deinem Tee mehr.“ Das klang fast wie amüsiertes Lachen.

      So rasch der Morgenmuffel in mir es erlaubte, brachte ich Tee kochen und Badbesuch über die Bühne. Noch knurrig nach der Barbiepflege, setzte ich mich an den Küchentisch.

      „Bitte geh an deinen Schreibtisch.“

      „Okay.“ Vorsichtig die Tasse balancierend, durchquerte ich das Wohnzimmer und blieb vor dem Schreibtisch stehen.

      „Schau dir deine Papiere an.“

      Die Kontoauszüge hatte ich bei meinem Horrortrip ins Einkaufscenter noch gezogen, wie immer unbesehen eingesteckt und hier mitsamt den Kassenzetteln hingeworfen. „Was soll das werden?“ Hektisch wühlte ich im Durcheinander.

      „Fünf Millionen Euro! Aber, woher?“

      „Ein Präsent für dich.“

      „Natürlich, ein Wunsch lautete ja, reich zu sein“, erinnerte ich mich unbehaglich. Solch eine aberwitzige Summe schien mir nun das nächste fiese Lehrgeld für Unbedachtheit. „Was soll ich denn mit so viel Geld?“

      Auf Sparsamkeit war ich von Kindesbeinen an gedrillt worden. Nie überzog ich das Konto, die luxuriösen Auslagen der Geschäfte ließen mich kalt. Einzige Ausnahme, wie schon erwähnt: gedruckte Bücher. Das Regal im Wohnzimmer nahm eine komplette Wand ein und platzte, wie man so schön sagt, aus allen Nähten. Egal ob Küche, Flur oder Schlafzimmer, überall standen kleinere, volle Regale, dienten selbst Kommoden als Ablageflächen.

      „Wir möchten, dass du ein Haus erwirbst.“

      Ungläubig stierte ich weiter auf das Papier, dann endlich fiel der nächste Hammer in mein Blickfeld. Kontoinhaberin war Lilia Joerdis van Luzien. „Was habt ihr getan?“, schrie ich in Gedanken. Doch ohne ihre Antwort abzuwarten, schwante mir Ungeheuerliches. „Wo steckt meine Geldbörse?“ Sie lag genau vor meiner Nase. Von dem herausgezogenen Personalausweis guckte mir mein neues Ich entgegen, neuer Name, neues Geburtsdatum.

      Feierlich schmetterten sie: „Joerdis van Luzien bedeutet ‚Schwert der Göttin des Lichts‘.“

      Mir schwindelte und doch blieb der innere Aufruhr mäßig.

      Elin, meine so unbekannte wie unsichtbare Untermieterin, hatte ganze Arbeit geleistet.

      Die cleveren Lichtwesen ließen mich das Ganze erst einmal in Ruhe verdauen.

      Während sich die Teekanne langsam leerte, dachte ich irgendwann auch über ein Haus nach. Das wollte mir keinesfalls in den Kopf. „Was soll ich allein damit?“

      „Dort wirst du Ruhe finden und es ist sicherer.“

      „Aber die Gegend hier ist ruhig und sicher. Gerade deswegen entschied ich mich vor einigen Jahren für diese Wohnung.“

      „Möchtest du keinen schönen Garten?“

      Oh, jetzt packten sie mich beim Schlafittchen, davon träumte ich in der Tat in manchem Sommer.

      „Heute findet die Besichtigung statt. Es handelt sich um ein Gartenhaus in der Rosenallee.“

      „So schnell schon?“, sendete ich ebenso verzagt wie überrumpelt.

      Punkt 14 Uhr klingelte ich an dem herrschaftlichen Vorderhaus. Ein schmucklos klotziges, lang gezogenes Gebäude aus der vorigen Jahrhundertwende, mit schmutzig weißem Anstrich. Offensichtlich war dem Haus jede Liebe zum schmückenden Detail verweigert worden.

      „Ihnen scheint mein Haus zu missfallen.“ Der Mann, der nun die Haustür öffnete, hatte mich bereits beobachtet.

      „Guten Morgen, ja, Sie haben recht“, gab ich ebenso direkt zurück. „Ich interessiere mich für das Gartenhaus.“ Und hoffte inständig, der auf Anhieb unsympathische Kerl und das Gartenhaus würden mich möglichst flott mit ihrer Schokoseite überraschen.

      So unverhohlen skeptisch wie der Eigentümer mich von oben bis unten musterte, standen zumindest in seinem Fall die Chancen dafür schlecht. „Es steht zum Verkauf“, sprach er betont deutlich aus, „für zweieinhalb Millionen“.

      Mit einem Kostüm von Chanel statt Jeans und Steppjacke sowie einem hinter mir geparkten BMW, so dämmerte es mir, stünden meine Karten jetzt besser.

      Ich lächelte süßlich. „Möchten Sie die Summe in bar, falls mir das Haus zusagt?“

      Ah, die Sprache verstand er, ein Grinsen zuckte über sein hartes Gesicht. „Ich hole die Schlüssel.“

      Der Knilch bat mich trotz klirrender Kälte nicht hinein. „Idiot!“

      Wir gingen einen Kiesweg hinunter, rechts und links mit Buchsbäumchen bepflanzt. Auf der linken Seite erstreckte sich hinter dem Haupthaus ein verschneiter Park. Alte Eichen, Buchen und Nadelbäume reckten ihre Äste weit in den Himmel, dazwischen blitzte eine Eisfläche auf.

      „Der Park ist von etwaigen Sommerpartys strikt ausgenommen, das wird im Kaufvertrag festgehalten.“

      „Was für ein Fiesling.“ Unser Weg schwenkte leicht nach links und gab den Blick frei auf einen herrlichen Brunnen. „Und was für ein Haus!“ Die Fassade im warmen Ockergelb gestrichen, mit großzügigen weißen Sprossenfenstern, zwei Säulen umrahmten den Hauseingang.

      Der Eigentümer schritt die Stufen empor und öffnete neben der doppelflügeligen, weißen Holztür ein eingelassenes