Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Sie Privatdetektivin?“ Misstrauisch versuchte sie eine rationale Erklärung zu finden.

      „Nein, nichts dergleichen“, versicherte ich, stand kurz auf und kam umgehend mit Schreibzeug zurück. „Also?“

      Innerlich hin und her gerissen über die unwirkliche Situation, siegte zuletzt Katjas starker Instinkt. „Vor zwei Jahren wurde der neunjährige Ralf Bregen getötet. Der Täter konnte nie ermittelt werden. Im Juni letzten Jahres verschwand die vierjährige Eva Trinkhardt. Wir wissen nicht, ob sie noch lebt.“ Bleischwer lasteten die Fälle auf Katjas Seele. Monatelang hatte sie unermüdlich beinahe rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche gearbeitet. Vergeblich. „Wenn Sie das schaffen, werde ich Ihnen glauben, wer auch immer Ihre Quelle sein mag.“

      „Nein, so schnell nicht“, war ich mir aus eigener Erfahrung sicher, „aber für den ersten Schritt sollte es allemal reichen“.

      Hinterher benötigte ich dringend frische Luft und schlenderte kurz entschlossen zum Vorderhaus.

      „Hallo, Lilia, gut, dass du kommst. Wo kann man denn hier etwas Essbares kaufen? Unsere Mägen hängen schon in den Zehenspitzen“, lachte Jay.

      „Lass mich das übernehmen, ich habe Zeit. Wieviel Mann seid ihr denn?“

      „Sechs, aber lass man, Getränke brauchen wir ja auch noch.“

      „Keine Widerrede, wird schon erledigt.“

      Eifrig flitzte ich zurück.

      In der Küche wartete meine magische Bestellung: zwei große Tabletts mit Bergen an Sandwiches, dazu drei Körbe mit kalten Getränken, Kaffee und dem benötigten Zubehör. „Das musst du jetzt wohl selbst schleppen. Jay fällt glatt in Ohnmacht, wenn ein Korb aus dem Nirgendwo vor seinen Füßen landet.“

      In der Tat traute er selbst so seinen Augen kaum, als er mich postwendend mit dem ersten Tablett kommen sah. „Ach so, du wolltest uns überraschen“, fand er schnell eine Erklärung für sich – und half mir unwissentlich erst aus der magischen Bredouille und dann beim Schleppen.

      Zehn Minuten später saßen die Männer um den großen Küchentisch herum und lobten mit vollen Mündern meine Sandwiches. Belustigt zog ich Leine, weil unterschwellig innere Unruhe aufkeimte. „Ab in die Kirche! Ach nein, die Orgelbauer arbeiten ja auch samstags um diese Uhrzeit noch.“

      „Komm ruhig, Lilia, sie haben heute in ihrer Werkstatt zu tun.“

      Während ich den Schlüssel aus seinem Versteck pulte, kamen meine Gedanken über die Orgel zu dem ungenutzten Klavierflügel im Wohnzimmer. „Ob ich das Spiel erlernen darf?“ Eigentlich wollte ich die Sternelben gleich darum bitten. Doch vorrangig stand das beinahe vermasselte Treffen mit Katja auf der Tagesordnung. Mich in andere Menschen hinein versetzen, das barg neuerdings explosives Katastrophenpotenzial.

      „Lilia!“, schmetternd entrissen sie mich der Grübelei und erteilten sogleich einen Tadel wegen der unbedachten Anwendung von Sandwich-Magie. „Erst denken, dann zaubern!“

      „Ja-a. Und der Flügel?“, bettelte ich sehnsuchtsvoll.

      Erheitert sangen sie: „Ja-a-a.“

      Dann begann der wahrlich grauenhafte Teil unseres Treffens. Eine gewaltige Flut an Informationen über Katjas ungelöste Mordfälle ergoss sich in meinen Kopf.

      Geraume Zeit später wollte ich abschließend von den Lichtwesen wissen, ob Katja hinterher erneut vor der Tür stehen würde.

      „In Zukunft ist sie dein häufigster Gast.“

      „In Freundschaft?“

      „Das hängt von deinem Geschick ab.“

      „Und eurer tätigen Mithilfe, hoffentlich.“ Stöhnend rutschte mir der Kommentar heraus: „Hattet ihr nicht kürzlich gemeint, das Ganze sei lediglich eine Übung?“

      Funkstille.

      Eben wollte ich den Heimweg antreten, da meldeten sie sich nochmals. „Möchtest du eine Aufgabe bekommen, die dir Spaß bereitet, wie die Menschenkinder es nennen?“

      „Aber immer!“

      „In der Rachmaninow-Straße droht der Musikschule aus Geldmangel die endgültige Schließung. Du spendierst doch so gerne“, neckten sie mich.

      „Die Schule liegt auf meinem Rückweg!“, rief ich begeistert.

      „Nein, Lilia, es dämmert bereits, warte bis morgen Vormittag.“

      Die Sternelben wollten, dass ich die Nacht fürchten lerne.

      „Guten Morgen. Sind Sie der Leiter dieser Schule?“

      „Wir nehmen keine Schüler mehr an“, wies er mich sichtlich zerstreut ab, „wir schließen“.

      „Ich weiß, deshalb bin ich hier.“

      Nun völlig verwirrt, nahm er mich erst richtig zur Kenntnis. „Warum das?“

      „Sie benötigen ungefähr zweihunderttausend Euro zur Fortsetzung des Lehrbetriebs. Ich möchte schauen, ob eine Spende hier gut investiert wäre.“

      Entgeistert fragte er: „Sie wollen spenden?“

      „Wie wäre es, wenn Sie mich durch Ihr Haus führen und mir unterwegs Ihre Sorgen schildern?“

      Eine lange Pause entstand, bis seine tief sitzende Resignation in vorsichtigen Optimismus umschlug.

      Ermutigend hakte ich mich bei ihm unter. „Kommen Sie, was haben Sie alles auf dem Herzen?“

      Zwei kleine Jungs tobten die breite Treppe hinauf, der vordere blies pausbackig in seine Trompete, der andere antwortete mit seiner Querflöte. Lächelnd drohte ihnen der Schulleiter mit dem erhobenen Zeigefinger.

      „Und Sie wollen wirklich diese gewaltige Summe spenden?“ vergewisserte er sich.

      „Ja, allerdings“, bekräftigte ich, „nichts heilt so wundervoll die Seele, wie Musik es vermag“.

      Jetzt über das ganze Gesicht strahlend, stellte er sich vor: „Ich bin übrigens Gernot.“

      Bei unserem Rundgang schwoll die geschätzte Summe für den dringendsten Bedarf auf mindestens das Doppelte an. Nur die Lehrergehälter bezahlen zu können, griff bei weitem zu kurz. Überall blätterte die Wandfarbe, verkalkte Wasserhähne tropften in maroden Toilettenräumen, das Klavier ein uraltes Wrack, zu wenige Instrumente, Noten, Stühle und so weiter und so fort.

      „Anfang kommender Woche sollte das Geld auf dem Schulkonto eingegangen sein“, verabschiedete ich mich. „Aber eines müssen Sie mir versprechen“, fügte ich im Hinausgehen hinzu, „eine riesige Sommerparty mit Pauken und Trompeten“.

      Sein herrliches Lachen, durchbrochen von „Ja, ja, ja!“-Rufen, schallte hinter mir her.

      Meinen Namen würde Gernot niemals erfahren, so wollte ich es. Die Sternelben hatten nicht zu viel versprochen, glücklich zog ich von dannen.

      „Lilia, vor dem Gartentor wartet Katja auf dich.“

      Soviel zum Haltbarkeitsdatum des Spaßfaktors.

      Die Kommissarin tigerte am Tor entlang, anders ließ sich ihr Verhalten kaum nennen. Ihre braunen Augen huschten unruhig von hier nach dort, bis sie mich entdeckte und streng fixierte.

      „Hallo, was gibt es so Dringendes?“

      „Wir haben den Mörder dingfest gemacht“, knurrte sie.

      „Gut. Wollen wir reingehen?“

      Da sie auf dem Weg zum Haus schwieg, organisierte ich schnell ein Mittagessen. Keine gute Idee, wie sich umgehend zeigte.

      Kaum in der Küche, fragte Katja mit scharfem Blick auf