Stefan Högn

NESTOR


Скачать книгу

Seid gegrüßt, werter Metros«, sagte Nigglepot sehr freundlich zu dem Händler, der wiederum Lilly betrachtete.

      »Ihr sucht etwas Exotisches?«

      »Was habt ihr im Angebot, Metros?«, fragte Nestor.

      »Nubier. Feinste Qualität, anspruchslos, fleißig und schweigsam ... allererste Wahl«, und Metros zeigte auf ein paar muskulöse farbige Männer, die sich wie auf Kommando hinstellten.

      »Was verkauft ihr denn im Moment am besten?«

      »Völlig unterschiedlich, Herr Nestor. Sehen sie, die einen brauchen etwas Praktisches, die anderen suchen etwas Kräftiges. Weiber, Männer, Kinder ... kostspielig, günstig oder Sonderangebote. Jeder hat einen anderen Geschmack und unterschiedliche Aufgaben. Die einen suchen Lehrer, die anderen wollen Arbeiter. Manch einer sucht auch Gesellschaft ... aber, sprecht! Was sucht Ihr?«

      »Wir suchen ...«, mischte sich Lilly ein, stockte aber.

      »Ja, junge Dame?« Metros war erstaunlich freundlich zu Lilly. »Was sucht ihr denn?«

      »Ich weiß eigentlich nicht recht?« Das Mädchen fühlte sich ausgesprochen unwohl in ihrer Haut und hatte nicht die kleinste Vorstellung von dem, was sie tatsächlich in diesem Geschäft suchten.

      »Vielleicht möchtest du dich erstmal in Ruhe umschauen, junges Fräulein!«, schlug der Sklavenhändler vor.

      »Das wird wohl das Beste sein«, sagte Lilly und ging unsicher auf die verkäuflichen Menschen zu, aber schaute sie aus Scham gar nicht richtig an. Hätte sie gewusst, wie unangenehm ihr diese Situation sein würde, wäre sie lieber allein in der Herberge geblieben.

      »Na, guck sie dir ruhig mal richtig an, Kind! Fass sie an, frag sie irgendetwas, schau ihnen in die Augen und in den Mund ... wenn du Statuen suchst, bist du hier falsch!«

      »Metros, ich glaube ich weiß was ich suche. Am liebsten hätte ich eine Art Familie mit vier Mitgliedern. Nicht zu alt, aber auch keinesfalls zu jung«, erklärte Nigglepot.

      »Eine Familie?«, staunte Metros. »Bitte, die meisten meiner Kunden kümmern sich zwar lieber selbst darum, aber ... gut, ja! Schauen wir, was ich habe.« Der Sklavenhändler legte seinen Zeigefinger auf die Lippen und überlegte.

      Im Kopf ging er jeden einzelnen Sklaven durch. Die familiären Verhältnisse seiner Ware schienen bisher völlig unbedeutend gewesen zu sein.

      »Versteht mich nicht falsch, Herr Metros! Ich will nur, dass sich die Sklaven gut miteinander verstehen«, versuchte der Zeitreisende das Ganze zu erklären.

      »Mir sind eure Beweggründe völlig egal, mein lieber Nestor! Wenn ihr euch eine Familie wünscht, dann sollt ihr auch eine bekommen!« Der Sklavenhändler hielt inne und fuhr dann etwas zögerlich fort: »Wenn ihr allerdings wünscht, dass sie sich untereinander wirklich gut verstehen, würde ich an eurer Stelle, als allerletztes nach einer Familie suchen. Versteht ihr was ich meine?«

      Es fiel Nestor nicht leicht, sich von einem Sklavenhändler Nachhilfe in Sachen zwischenmenschlicher Beziehungen geben zu lassen, aber wo Metros Recht hatte, hatte er Recht.

      »Ihr habt mich überzeugt. Keine Familie. Ich möchte keine Familie.

      »Habt ihr denn wenigstens eine Idee, welche Farbe sie haben sollen? Ich sehe ihr bevorzugt dieses sportliche Gelb. Wäre aber nicht ganz billig und müsste ich auch erst bestellen«, bohrte der Händler nach.

      Lilly sah beleidigt zu Metros hinüber. Der nahm sie aber gar nicht wahr, sondern grübelte zu welchem Angebot Nestor nicht nein sagen konnte.

      »Ach, die Farbe ist nicht so wichtig ...«, auch Nestor überlegte scharf. Er hatte in seinem Leben viel Ungewöhnliches gekauft, aber selbst für ihn war der Sklaveneinkauf Neuland.

      »Dann würde ich doch ein paar gebrauchte Einstiegsmodelle empfehlen. Preiswert im Unterhalt, leicht zu handhaben ... was haltet ihr von Ägyptern?«

      »Ihr führt Ägypter?«, wunderte sich die Chinesin.

      »Aber sicher! Und Iberer, Karthager, Hebräer, Kelten, ein paar Germanen ... selbstverständlich auch Griechen, viele Italier. Ich verkaufe Menschen aus der ganzen Welt. Ich bin der führende Händler in Catania!«

      »Die Sklaven sollen schlau sein!«, warf Lilly ein.

      »Oh, schlau sind die meisten. Du meinst aber sicher gebildet?«, verbesserte der Sklavenhändler.

      »Beides«, erweiterte Lilly ihren Wunsch.

      »Also keine Germanen ...«

      »Sie sollten Griechisch können«, ergänzte Nestor.

      »Fremdsprachen liegen den Kelten nicht.«

      »Und sie sollen nicht stolz oder eingebildet sein«, sagte Lilly, denn einer von Nestors Sorte reichte ihr vollkommen.

      »Dann fallen auch die Iberer und Italier weg ... ihr seid wirklich anspruchsvolle Kunden.« Metros war ratlos.

      »Es wird das Beste sein, wir überlegen nochmal in Ruhe und kommen dann wieder, Herr Metros«, sagte Nigglepot, bedankte sich und die beiden verließen den Verkaufsraum.

      »Kommt morgen wieder, mein Herr! Wir bekommen täglich frische Ware! Nicht vergessen! Bis Morgen!«, rief der Sklavenhändler Nestor und Lilly hinterher.

      Beide standen auf der Straße und sahen sich ratlos an, sie brauchten Sklaven, obwohl sie eigentlich gar keine wollten und auch nicht wussten, welche Sorte sie eigentlich suchten.

      »Meinst du wir fallen wirklich auf, wenn du zu wenig Sklaven hast?«, fragte Lilly.

      »Sofia irrt in diesen Dingen nicht. Und meine bisherigen Besuche bestätigen das ebenfalls«, sagte Nestor.

      »Aber hast du denn vorher nie Sklaven kaufen müssen?«

      »Nein. Entweder ich war allein oder Rául hat mich begleitet.«

      »Und warum dann dieses Mal?« Lilly konnte das Ganze noch immer nicht recht nachvollziehen.

      »Um dich zu tarnen! Sonst war ich einfach nur ein Mann auf Reisen. Jetzt habe ich dich im Gepäck. Und wenn jemanden in dieser Zeit und Gegend eine Chinesin mit sich herumschleppt, fällt man auf wie ein bunter Hund. Also muss ich jemanden spielen, der Rang und Namen hat ... und Sklaven, die diesem Rang auch entsprechen.«

      »Dreck!«, ärgerte sich Lilly. Es störte sie, dass ihre Hautfarbe an diesem Schlamassel Schuld war, aber sie verstand auch, dass die Zeit hier eine andere als im 21. Jahrhundert im milden Cornwall war.

      »Wir können ja mal zu diesem Lefteris gehen. Vielleicht hat der was Passendes.« Nestor klopfte Lilly auf die Schulter und sie gingen lustlos durch die Gassen von Catania, während es auf die Mittagszeit zuging.

      Lefteris war ein angenehmer Zeitgenosse. Ruhig, gelassen und weniger aufdringlich als sein Kollege. Sein Laden war eigentlich gar keiner, stattdessen saßen – auf ein paar Hockern im Schatten eines Olivenbaums – er und seine Ware, unterhielten sich oder machten Würfelspiele. Zwischen ihnen streunte ein Hund, eine kleine Promenadenmischung, die die Kundschaft zur Begrüßung ankläffte.

      »Entschuldigung ... ich suche Lefteris«, rief Nestor, denn es war schwierig zu erkennen, wer der Chef hier war.

      »Schickt euch jemand, Herr?«, der Händler wirkte zunächst misstrauisch.

      »Nein, nein! Wir möchten nur gerne ein paar Sklaven kaufen«, sagte Nigglepot verwundert.

      »Wart ihr denn schon bei Metros?«, wollte Lefteris wissen.

      »Ja, warum?«

      »Ach nur so, ich dachte dort ist die Auswahl größer, die Preise besser und die Ware frischer ...«

      Seine Ware beschwerte sich darauf hin lautstark mit Äußerungen wie: »Also bitte, ja!«, »Was heißt denn hier frischer?« oder »Ich bin ein absolutes Schnäppchen!«

      Lilly gefiel der saloppe Umgangston zwischen Geschäftsleitung und Angebot. Hier würden