Barbara Eckhoff

Um uns herum die Dunkelheit


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wieder in ihr Büro und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Sie musste erst einmal über das eben erlebte nachdenken. Es konnte doch gar nicht sein, dass Max Pembroke solche Gefühle bei Ihr auslöste. Er war nun wirklich nicht der Typ, dem sich die Frauen reihenweise an den Hals warfen. Ein Schauer durchlief sie, als sie sich die Situation noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Sie hätte erwartet, dass es eher ein Gefühl von Ablehnung hätte sein müssen, stattdessen hatte es für einen Bruchteil einer Sekunde wie elektrisierend in ihrem Innern gebebt. Sie fragte sich, ob er es wohl auch gemerkt hatte.

      Dreieinhalb Stunden später war sie endlich fertig. Es war jetzt halb zehn und stockdunkel draußen. Sie packte ihre Sachen zusammen und knipste dann das Licht aus. Auf dem Flur brannte nur eine kleine Lampe. Alles war ruhig. Auch auf der Seite von Mr. Pembroke war alles ruhig und dunkel. Er musste schon vor Stunden gegangen sein. Als der Fahrstuhl endlich kam, stieg sie ein und fuhr nach unten. In der Empfangshalle saß nur der Nachtwächter und schaute ab und zu auf seine Überwachungskameras.

      „Hallo Miss Flemming. Heute mal wieder länger gearbeitet?“

      „Guten Abend Mr. Long. Ja, für heute reicht es mir. Es war ein ziemlich langer Tag. Ich glaube, ich bin die Letzte heute. Vorhin war noch Mr. Pembroke, da aber er ist, glaube ich schon weg.“

      „Ja, aber noch nicht lange. Er ist um kurz vor 21:00 Uhr gegangen.

      Hier bitte tragen sie sich aus. Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“

      Mr. Long schob ihr die Anwesenheitsliste hinüber. Jeder Mitarbeiter musste sich morgens dort eintragen und nach Feierabend wieder austragen. Dies wurde aus Sicherheitsgründen gemacht, hatte man ihr gesagt.

      „Gute Nacht Mr. Long.“

      Casey trug sich aus der Liste aus und verabschiedete sich von ihm.

      Er war die gute Seele hier im Haus. Mr. Long mochte wohl schon fast siebzig Jahre alt sein, aber er wollte noch nicht aufhören zu arbeiten. Er hatte früher als Farmarbeiter hier gelebt. Mit sechzig war ihm diese Arbeit aber zu anstrengend geworden und er hatte sich nach einer neuen Beschäftigung umgesehen. Vor sechs Jahren war dann seine Frau plötzlich gestorben und da hatte er kurze Zeit später diese Stelle angenommen. Da sie nie Kinder gehabt hatten und auch keine andere Verwandtschaft mehr da war, war es für ihn die beste Lösung. Der Job war nicht schwer und wurde recht gut bezahlt.

      Somit erklärte er die Firma zu seinem neuen Zuhause.

      Mr. Long legte die Namensliste fort und schaute noch einmal auf seine Monitore. Es war alles ruhig.

      Als Casey die Tür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte sie, dass der Sturm sich etwas gelegt hatte. Es hatte jetzt zu regnen angefangen aber der Wind hatte nachgelassen. Schnell lief sie zu ihrem Auto hinüber. Leider hatte sie keinen Regenschirm dabei und so durchnässten die großen Tropfen schnell ihre Kleidung. Sie fluchte darüber, dass sie ihr Auto heute nicht etwas weiter vorne am Eingang geparkt hatte. Als sie Ihr Fahrzeug endlich erreicht hatte, hatte sie bereits klatschnasse Haare. Sie schloss schnell auf und flüchtete sich dann hinein.

      Auf dem Rücksitz lag noch eine Decke vom Umzug. Sie nahm sie und versuchte sich damit etwas abzutrocknen.

      Einen Augenblick später startete sie Ihren Wagen und fuhr los.

      Als sie fast in Höhe der Lagerhallen war, erregte eine Bewegung an der zweiten Halle ihre Aufmerksamkeit. Sie fuhr etwas langsamer, um Genaueres zu sehen. Irgendwas huschte dort in den Schutz der Dunkelheit. Genau konnte sie es nicht erkennen. Aber sie war sich fast sicher, dass sie einen Mann gesehen hatte. Jetzt konnte sie nichts mehr erkennen. Sie fuhr mit ihrem Wagen näher an die Hallen heran. Im Lichtschein ihrer Scheinwerfer konnte sie aber nichts mehr sehen. Merkwürdig dachte sie, einen Augenblick hatte sie wirklich geglaubt, etwas gesehen zu haben. Wahrscheinlich hatte sie sich doch getäuscht. Der Wind hatte vielleicht etwas bewegt und bei diesem Regen konnte sie sich vielleicht doch getäuscht haben.

      Der Mann huschte zwischen den Hallen in die sichere Dunkelheit. Er hatte nicht damit gerechnet, dass noch jemand mit seinem Auto unterwegs war. Gerade rechtzeitig noch konnte er sich um die Ecke schleichen, als die Scheinwerfer zwischen die Hallen leuchteten. Der Fahrer musste etwas gemerkt haben, denn plötzlich fuhr er den Wagen dicht an die Hallen heran.

      Er schwitzte Blut. Wenn das Auto jetzt näher kam, konnte er sich nirgendwo mehr verstecken. Er würde entdeckt werden. Er gab Stoßgebete zum Himmel herauf und beobachtete vorsichtig das Auto. Er konnte keinen erkennen, denn die Scheinwerfer blendeten ihn.

      Plötzlich setzte sich das Fahrzeug wieder in Bewegung. Doch es fuhr davon.

      Er atmete tief durch und versuchte langsam die Feuertreppe an der zweiten Halle hochzuklettern. Oben stand ein kleines Fenster offen, da wollte er sich hindurchzwängen. Er musste allerdings auf die Kameras acht geben, damit der Alte Long ihn nicht sah. Es dauerte nicht lange, da hatte er das Fenster erreicht. Vorsichtig schlich er sich hindurch. Geschafft! Er war in der Lagerhalle. Auf dieser Seite führte eine Treppe wieder hinunter. Es war stockdunkel hier drin. Langsam versuchte er seine Augen an die absolute Dunkelheit zu gewöhnen.

      Er konnte mehrere Gänge erkennen. In jedem Gang standen mehrere Regale auf denen große und kleine Kisten lagen. Er knipste seine kleine Taschenlampe an und versuchte die Etiketten aus den Kisten zu lesen.

      Es standen die Bestimmungsorte und die Firmen, die sie erwarteten auf den Kisten. So konnte er sehen, dass das erste Regal zu seiner rechten Seite mit Waren für die Firma Huntington in Los Angeles gefüllt war. Er holte aus seiner Jacke einen kleinen Fotoapparat. Damit fotografierte er so viele Etiketten wie möglich. Weiter hinten standen sehr große Kisten auf dem Fußboden. Bei einer Kiste versuchte er den Deckel aufzumachen, aber es gelang ihm nicht. Er suchte um sich und fand nach längerem Suchen eine Brechstange. Vorsichtig versuchte er den Deckel aufzustemmen. Die Nägel mit der die Kiste zugenagelt war gaben langsam nach. Es verursachte Geräusche. Als er den Deckel einen Spalt aufgestemmt hatte, lauschte er, ob irgendetwas zu hören war. Es war alles ruhig. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Kiste. Ein goldener Schimmer drang aus der Kiste heraus. Gerade wollte er sich die Sache näher anschauen, als er plötzlich hörte, wie die vordere Hallentür geöffnet wurde und das Licht anging. Schnell schloss er den Deckel und sprang hinter eine der großen Kisten. Er bewegte sich nicht und horchte wachsam auf die Schritte, die sich ihm näherten. Wahrscheinlich war es nur Mr. Long, der seine Wachrunde machte. Als die Schritte immer näher kamen, hielt er den Atem an. Bereit sich sofort auf den Ankommenden zu stürzen, waren seine Nerven bis aufs äußerste gespannt.

      Und dann sah er ihn. Mr. Long kam ganz dicht an ihm vorbei, aber er blieb unentdeckt. Ein paar Minuten später knipste Mr. Long das Licht wieder aus und schloss die Tür. Der Schlüssel wurde im Schloss umgedreht. Jetzt war wieder alles ruhig. Schnell versuchte der Mann die Kiste wieder in den alten Zustand zu bringen. Er huschte die Treppe zum Fenster hinauf und schaute hinaus. Es war nichts zusehen. Aber er musste vorsichtig sein. Der alte Mr. Long konnte ja noch irgendwo seine Runde drehen. Er durfte ihm nicht begegnen, denn dies würde für seine Aufgabe das Aus bedeuten. Und er durfte nicht auffliegen. Schnell und sicher stieg er die Feuertreppe wieder hinunter. Mit großen Schritten lief er an den Hallen entlang immer im Schatten der Kameras.

      Zwei Minuten später hatte er das Gelände verlassen und saß in seinem Wagen, den er etwas entfernt im Gebüsch geparkt hatte.

      Kapitel 3

      Der Morgen brachte Sonne und Wärme. Der Sturm war vergangen. Der Regen hatte in der Nacht aufgehört. Man sah nur auf der Straße und auf den Gehwegen, dass gestern ein großer Sturm übers Land gefegt war. Überall lagen kleine und große Äste, die von den Bäumen abgeschlagen worden waren.

      Casey war froh, dass es heute schon Donnerstag war. Sie fühlte sich heute irgendwie nicht so gut. Wahrscheinlich bekam sie eine Erkältung. Seit Tagen hatte sie schon dieses Gefühl und gestern die nassen Haare und die nasse Kleidung konnten nicht gerade gut gewesen sein.

      Sie befühlte sich ihren Kopf und stellte fest, dass sie etwas Temperatur hatte. Trotzdem schleppte sie sich aus dem Bett. Sie durfte nicht krank werden. Was würde ihr Arbeitgeber sagen. Sie war doch erst seit knapp drei Monaten hier und konnte nicht schon