Jörg Gugel

Mephisto


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täte dies jemand anderes und würde ihn selbst unterwerfen. Das mag der Gedanke einer unreinen Seele sein.

      (F) Das verstehe ich nicht, Fatum. Ich stelle mir einen ruppigen Burschen in einer Schule vor, der einen kleineren und schwächeren Schüler drangsaliert. Vielleicht einen Jemand, den sie Streber nennen. Denkt der grobe Flegel, dass sein Opfer böse ist und verprügelt ihn nur deswegen?

      (S) Schon möglich – wieso nicht? Aber so pauschal kann man es nicht sagen. Ich will versuchen, es zu erklären. Der Tyrann sieht in ihm vielleicht eine intelligente Person. Schwach, aber durchaus höher an Geisteskraft als seiner selbst. Neid wäre der erste Ansatz einer Erklärung.

      Und Neid ist zweifelsohne eine böse Sache.

      (F) Ich denke nicht, dass man Neid als Wurzel allen Übels nehmen kann.

      (S) Nein. Es wäre natürlich auch möglich, dass er selbst von größeren Instanzen, möglicherweise seinen Eltern, tyrannisiert wird.

      (F) Symbolisieren dann seine Eltern die Hölle?

      (S) Ich denke eher, seine Eltern wären die Teufel und das Zuhause selbst die Hölle.

      Aber Moment – ich schweife ab. Ich sagte nur, dass ein böser Mensch in allem nur die Niedertracht sieht. Damit meinte ich, dass er von jedem Mensch erwartet, er würde ungefähr so reagieren, wie er selbst. Durch seine Taten und seine Verbrechen, mögen es vielleicht auch nur kleine sein, wird er sein Umfeld auf jeden Fall beeinflussen. Natürlich könnten andere seine Meinung teilen und ihn mit Vergnügen dabei unterstützen, den armen Schwächling zu drangsalieren.

      (F) Wo wäre die Hölle des Schlägers?

      (S) Es könnte eine Hölle sein, die er selbst nicht bemerkt. Auf jeden Fall nicht bis zu dem Zeitpunkt, da er seine Reue findet. Sie ist der größte Schmerz! Sie wird ihn mehr belasten, als es Strafen je zu tun vermöchten.

      (F) Und derjenige, der keine Reue empfindet?

      (S) Dieser jemand findet seinen Weg mit wahrem Recht zu den Gemäuern der Hölle.

      (F) Wie sieht diese aus?

      (S) Nun, der Verstorbene wird sie nie so sehen, wie die Teufel, sondern um einiges verstörender. Er begreift in ihr die schlimmsten Strafen an seiner selbst. Die Diener der Hölle bestrafen seine Untugend.

      Der höchste Teufel trägt den Namen Satanum Beliar Lucifere, oder einfach Satan, von manchen Religionen auch Scheitan genannt. Unter ihm befinden sich sechs weitere Teufel. Und jeder Teufel bedeutet eine Etappe der Bestrafung.

      (F) Was hat es mit diesen Etappen auf sich?

      (S) Es sind die stetig Schmerzsteigerungen, die eine verunstaltete Seele auf sich nehmen muss, bis sie sich in einem neuen Leben wieder beweisen darf.

      (F) Erkläre mir bitte, wie dies vonstatten gehen mag.

      (S) Zuerst werden die Gefallenen zu dem niedrigsten Teufel geführt. Sein Name ist Beelzebub Asmodis. Er ist der Teufel des Schmerzes. Mit tumber Folter wird er der unsterblichen Seele Pein zufügen. So durchleben sie Qualen, die sie anderen zugefügt haben. Diese stehen für das Symbol der Gleichheit unter den Menschen.

      Ihr Weg führt sie weiter zu Drigorius Legion. Er ist der Teufel des Elends und legt über den zu Bestrafenden den Mantel der Hoffnungslosigkeit und lässt ihn in bittersten Gedanken zurück in der Stadt, die ein Sinnbild für Elend darstellt – und zwar Alborqu.

      Der verdammten Seele bleibt nichts als Missstimmung über all jenes, was in seinem Leben verwirkt worden ist. Dies bleibt einige gefühlte Jahre so, denn wie du weißt, dehnen die Teufel die Zeit. Schließlich wird die Seele der dritten Stufe zugeführt.

      Unerwiderte Liebe. Herzenskummer. Ungestillte Lust. Gieriger Wahnsinn.

      Hel Dewmor ist die einzige Frau in der Hölle im Range eines Teufels. Und ebenso ist sie eine Pythia. Für ihre Gefährten, sowie auch für die Gefangenen ist ihre Erscheinung unwiderstehlich anziehend und dadurch ungemein gefährlich. Sie heizt die Fantasie der Seelen an, nur um sie nicht zu erfüllen.

      (F) Was soll daran denn quälend sein?

      (S) Kannst du es dir wirklich nicht vorstellen? Kennst du die Qualen der Liebe etwas nicht? Liebeskummer ist ein bohrender, nahezu unerträglicher Schmerz! Dies glaube mir!

      Die nächste Stufe heißt Folter.

      (F) Folter wurde dem Verfluchten doch schon an seiner ersten Etappe angetan!

      (S) Nein, nein… das war nur tumber Schmerz als Bestrafung.

      Chutriel Daeva ist der Meister der Folter und der Bestrafer der Dämonen. Er taucht die Seelen unter Wasser, auf dass sie Atemnot verspüren. Da sie jedoch nicht mehr Leben, können sie nicht ersticken. So kämpfen sie Jahre um Jahre gegen den vermeintlichen Erstickungstod. Nebenbei lässt er sie auch gerne bei zerstückeln oder verbrennt ihre Augäpfel.

      (F) Das ist aber wieder Beelzebubs Aufgabe.

      (S) Da magst du Recht haben, Fortuna. Allerdings ist Beelzebub kein fantasiegeprägter Teufel. Sein Ideenreichtum ist eher mangelhaft. Daher hat Chutriel es sich zur Aufgabe gemacht, die Foltermethoden noch etwas zu verfeinern.

      Als nächstes beschäftigt sich der Verdammte mit Sepherion Baphomet, dem Kriegsherrn und Meister der Angst. Er sieht in die Herzen seiner Opfer hinein, erkennt ihre größte Schwäche und nutzt diese aus. Menschen mit unheimlicher Angst vor engen Räumen zwängt er in eine Kammer, in der sie sich kaum bewegen können. Man hört selten etwas in seinem Bereich der Hölle, weil die Seelen beginnen, dem Wahnsinn zu verfallen. Keine Angst ist zu diffus, als dass man von ihr nicht profitieren könnte. Und im Gegensatz zu Beelzebub hat Sepherion eine Menge Einfallsreichtum.

      Darüber hinaus beherrscht er natürlich auch über Strategiefähigkeiten, die er als General der Höllenarmee erlernt hat.

      (F) Das alles ist sehr interessant. Nun folgt die letzte Stufe, ist es nicht so?

      (S) Nicht ganz. Der Bestrafung nach zwar schon, allerdings haben die Gefangenen nachfolgend noch eine Aufgabe zu erledigen. Gleich dazu mehr.

      Mephisto Dantoteles, der Teufel der Verzweiflung, hat eine fürchterliche und eindrucksvolle Gabe. Sie ist einmalig. Mit äußerster Konzentration schleicht sich sein Bewusstsein in jenes seines Gegenübers ein. Genau wie Sepherion sieht er in die Herzen der Verdammten hinein, mitunter ein Grund ihrer freundschaftlichen Bande. Aber er macht etwas anderes, als sie nur in die Angst zu drängen. Er zeigt ihnen Visionen. Er sorgt dafür, dass der Gestrafte Dinge sieht, die ihn vollends um den Verstand bringen. Unglaubliche, schreckliche Dinge, die man sich gar nicht vorzustellen vermag. Wenn man neben ihm steht, während er seine Opfer bearbeitet, bemerkt man seine innere Unruhe und wilde Entschlossenheit, die Sünden des Opfers zu rächen. Seine Augen verschwärzen sich und er bleibt reglos stehen, als wäre er selbst in einer Art Trance.

      (F) Wie schrecklich! Hoffentlich sind damit die ganzen Bestrafungen endlich beendet!

      (S) Ja, aber wie schon erwähnt, bleibt noch eine Aufgabe. Und diese ist wohl kaum harmloser als all die vorangegangenen Strafen. Die verunreinigte Seele muss nun bis zum letzten Äther von ihrem Schatten gesäubert werden, indem sie in tiefster Reue die Vergebung ihrer Taten bei ihren Opfern erbittet und auch erhält. Erst, wenn das Opfer, oder besser gesagt eine Erinnerung des geschädigten Menschen, die Aufrichtigkeit in der Reue der Seele sieht, wird sie ihm verzeihen. Und schließlich wird die Seele wieder gen Erde geführt, wobei vorher noch das gesamte Gedächtnis gelöscht wird, wobei hin und wieder mal ein Fehler passieren kann.

      (F) Welcher Fehler?

      (S) Der Fehler, dass der Mensch sich als Kind noch an sein Vorleben erinnern kann. Aber das verfliegt mit den Jahren.

      (F) Die Hölle muss schrecklich sein. Wie kannst du dir so etwas nur ausdenken? Ich hasse dich dafür!

      (S) Ich hasse dich doch auch.

       Ein längeres Schweigen