K.P. Hand

Herzbrecher


Скачать книгу

zu antworten griff Alessandro in seine Jackentasche und holte die Pistole hervor, die er Norman kurz zeigte, ehe er sie wieder einsteckte.

      Norman nickte, weil er verstanden hatte. Doch dann begriff er erst richtig und fragte fassungslos: »Du hast eine Waffe?«

      »Du ja auch«, verteidigte sich Alessandro.

      Norman nickte. »Ich bin ja auch ein Polizist.«

      Gutes Argument.

      »Ich muss mich schützen«, warf Alessandro ein.

      »Wir hatten uns geeignet, keine Schusswaffen bei uns tragen!«

      »Das war, als wir noch zusammen waren und einer von uns – sprich, du – eine Waffe legal tragen durfte. Wie ich bereits erwähnte: Ich muss mich schützen.«

      »Wo hast du sie her?«

      »Ich habe mir einen Waffenschein gefälscht.«

      Norman sah ihn erstaunt an. »So was kannst du?«

      Alessandro bedachte ihn mit einem Blick, der ausgesprochen bedeutete hätte: »Ich bitte dich, wo für hältst du mich.«

      Norman schnaubte. »Sieben Jahre zusammen, und ich kenne dich immer noch nicht richtig.«

      »Es ist wichtig, Geheimnisse voreinander zu haben«, erwiderte Alessandro sarkastisch. Er sah Norman provozierend an. »Aber dir muss ich das ja nicht sagen, Mann mit den tausend Geheimnissen.«

      Norman ließ entmutig die Schultern hängen. »Können wir uns einmal nicht deshalb streiten?«

      Alessandro schüttelte sauer den Kopf. »Was machst du eigentlich hier?«

      »Ich wollte zu dir.«

      »Warum?«

      »Na ja, weil ...« Norman beendete den Satz nicht, er warf Alessandro nur seinen Hundeblick zu und senkte dann schüchtern den Kopf.

      Es hätte fast gezogen, aber eben nur fast.

      »Norman«, seufzte Alessandro und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger das Nasenbein. Er ertrug es einfach nicht, ihn zu sehen. Wie er da so stand in seinem schicken, weißem Designerhemd, seiner schicken Designerhose, seinem schicken Jackett und seinem maßgeschneiderten Ledermantel. Mr. Perfekt. Mr. Der-Eine. Mr. Herzbrecher. Alessandro wollte ihn hassen, aber bei Normans Anblick mit den braunen Hundeaugen, dem vollen dunklem Haar, dem männlichen kantigen Gesicht und dem muskulösen, großen Körper, konnte er leider nur daran denken, wie sehr er ihn einst begehrt hatte.

      »Weißt du«, begann Alessandro, »du und ich, wir beide sind wie ein Märchen.«

      Hoffnungsvoll hob Norman wieder den Blick.

      Alessandro sah ihm in die Augen und fügte hinzu: »Und jedes Märchen beginnt mit: Es war einmal ...«

      Norman runzelte verärgert seine markante Stirn. »Warum musst du immer gleich aus allem ein Drama machen?«

      Wütend breitete Alessandro die Arme aus und zischte: »Weil es eines ist. Du und ich, wir sind ein Drama!«

      Normans belustigte Miene, vor allem seine zuckenden Mundwinkel, die mit einem Schmunzeln kämpften, brachten auch Alessandro in die missliche Lage, grinsen zu müssen.

      Amüsiert aufschnaufend drehte er sich fort und versuchte wenigstens etwas seiner abweisenden Haltung beizubehalten, indem er die Arme verschränkte.

      »Was machst du denn eigentlich hier?« Norman musterte ihn, dabei wurde sein Blick schwer. »Hast du schon Schluss?«

      Alessandro spürte überdeutlich den Zettel, den er einfach in die Jeanstasche gestopft und der sich nun mit dem anderen Umschlag aus der Post von heute Morgen verknotet hatte.

      Jetzt war der wohl beste Zeitpunkt, Norman davon zu erzählen. Selbst wenn sie keine Beziehung mehr zueinander pflegten, weder platonisch noch ... sonst irgendwie, war Norman doch immer noch ein Bulle. Wenn ihm jemand helfen könnte, dann Norman. Aber Alessandro musste gestehen, dass er die leise Befürchtung nicht abschütteln konnte, dass Norman hinter den Zetteln steckte.

      Er war der einzige, der wusste, wo und unter welchem Namen Alessandro wohnte und arbeitete.

      Würde Enio dahinterstecken – wüsste Enio, wo er war – dann wäre Alessandro längst tot. Norman war theoretisch der einzige, der etwas davon hätte, wenn Alessandro die Stadt verlassen würde.

      Aus den Augen, aus dem Sinn.

      Aber wenn Norman wollen würde, dass Alessandro die Stadt verließ, würde Norman es doch einfach sagen, Norman trieb keine Spielchen. Abgesehen davon: wenn er Alessandro loswerden wollte, warum wäre er dann hier?

      Trotzdem wollte Alessandro nichts von den Zetteln erzählen, also sagte er zu Norman, der langsam ungeduldig auf eine Erklärung wartete: »Ich ... wollte früher nach Hause. Hab noch einiges zu tun.«

      »Okay.« Norman kratzte sich an der Nase, das tat er seit einiger Zeit immer, wenn er schüchtern oder nervös wurde. Er machte den Weg frei und sagte: »Gut, ich begleite dich Heim.«

      Typisch für Norman war auch, einfach etwas zu beschließen, ohne Rücksicht auf alle anderen.

      Alessandro setzte ein zynisches Schmunzeln auf, er holte Luft und wollte so etwas kontern wie: »Das hättest du wohl gern.«

      Doch er überlegte es sich anders, als die Zettel in seiner Hosentasche wieder deutlich zu spüren waren, und er glaubte, zu fühlen, wie fremde Augen sie beobachteten.

      Er zuckte mit den Schultern und ging an Norman vorbei. »Okay, warum nicht.«

      Als sie Schulter an Schulter die Gasse entlanggingen ohne sich zu berühren, wirkte der Platz zwischen ihnen wie eine Zweihundertmeter breite Schlucht. Es war so absurd, sie waren so oft eng zusammen gewesen, mit mehr Körperkontakt als Alessandro beschreiben konnte, sie waren so oft so intim gewesen ... und jetzt schien es undenkbar, sich zu berühren, und gleichzeitig war es pure Folter, Abstand zu wahren.

      Alessandro räusperte sich, er hatte den Drang, etwas zu sagen. Irgendetwas. Nur um zu reden, weil er immer reden musste, wenn er nervös war.

      Er sah Norman an und wollte gegen ihn sticheln. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du aufdringlich bist?«

      »Ja, du. Mehrmals. Störte mich nie, stört mich immer noch nicht.«

      Gut, der Schuss ging nach hinten los.

      Norman vergrub die Hände tief in den Hosentaschen, Alessandro verschränkte die Arme. Ein Zeichen, das beiden die plötzliche Nähe nach Monaten der Funkstille unangenehm war. Sie sahen sich nicht an.

      »Du musst nicht auf mich aufpassen«, sagte Alessandro schließlich, vielleicht etwas zu abweisend.

      Norman schien es kaum wahr zu nehmen, es war, als wäre er mit den Gedanken ganz wo anders. Er murmelte nur leise: »Wir passen aufeinander auf, so war der Deal.«

      Alessandro ahnte bereits, dass es ein Fehler war, ihn mit zu nehmen. Ein schrecklicher Fehler. Norman und er ... sie konnten nie voneinander ablassen sobald sie sich sahen, oder auch nur die Stimme des anderen hörten, den Duft des anderen wahrnahmen ... Aber sie konnten auch nicht miteinander. Die letzten Jahre, beziehungsweise, der Ausgang ihrer heißen Romanze, hatte deutlich gezeigt, wie wenig sie eigentlich miteinander zurechtkamen. Sie schenkten sich beide nichts, es war immer ein Kampf gewesen.

      Ein Kampf, den Alessandro vermisste, aber für Norman schien es so besser zu sein. Besser ohne Alessandro. Angenehmer. Jetzt konnte er sich das Leben erfüllen, mit dem er Alessandro immer so genervt hatte.

      Deshalb war es nicht gut, Norman mitzunehmen. Doch die simple Tatsache, weshalb Alessandro nicht strikt abgelehnt hatte, war die Erkenntnis, dass er schlicht und ergreifend Angst hatte.

      Klar, er hatte eine Waffe, doch ein weiterer Begleiter mit einer Schusswaffe konnte in seinem Fall nicht schaden. Zumal er nicht wusste, ob der Typ mit dem Kapuzenshirt noch in der Nähe war.

      Wenn