Ursula Tintelnot

Faith und Richard


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des Mädchens?

      Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit kaufte er nur einen Strauß zarter blauer Akeleien. Heute ließ er sich auf kein Gespräch mit ihr ein. Er wandte sich irritiert ab.

      Amüsiert sah die alte Frau hinter ihm her. Er hatte ganz vergessen zu bezahlen. Aber was sollte sie in ihrer Welt schon mit dem wertlosen Geld der Menschen. Sie hatte erfahren, was sie wissen wollte.

      ~~~~~

      Faith’ Entschluss

       „Das kannst du nicht machen.“

      Ängstlich sah Lisa Faith an. Die beiden Mädchen saßen in Lisas Zimmer im Internat. Lisa hockte mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett. Die Arme hatte sie um die Knie geschlungen, als ob sie sich schützen wollte vor dem, was sie hörte. „Das ist viel zu gefährlich. Du bist gerade erst Leathan entkommen, was glaubst du, was er mit dir macht, wenn er dich erwischt? Nein, du kannst nicht in die Anderswelt zurück. Das lass ich nicht zu.“

      „Was willst du denn dagegen tun?“ Faith verzog die Lippen zu einem halben Lächeln. Auch ihr war nicht sehr wohl bei dem Gedanken, wieder in die Welt, aus der ihre Mutter kam, hinüberzugehen. „Ich muss zurück, Lisa.“

      Faith hatte vergessen, dass sie ihre Mutter angegriffen hatte und tief im Innern spürte sie die Gewissheit, dass ihr Vater wohlbehalten zu ihr zurückkehren würde, so wie Magalie es gewünscht hatte. Aber sie vermisste Richard. Lilly hatte ihr geschildert, was im Hof von Leathans Burg vorgefallen war, nachdem sie selbst geflüchtet war.

      Weil er glaubte, Richard habe ihr zu dieser Flucht geholfen, hatte Leathan seinen Sohn nicht nur brutal gezüchtigt, sondern ihn auch in die Schattenwelt verbannt.

      Faith hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte Richards Hilfe angenommen. Ihretwegen war er schwer bestraft worden. Er besaß nicht einmal einen Schutz, wie sie.

      Faith drehte gedankenverloren an dem Mondsteinring, den sie auf dem Mittelfinger ihrer linken Hand trug. Magalie hatte ihr dieses zauberhafte Schmuckstück an ihrem siebzehnten Geburtstag geschenkt. Es sollte sie beschützen und ihr ein wenig von der Zauberkraft der Wesen der Anderswelt geben.

      „Nicht, bitte.“

      Lisa hatte sich zur Seite geworfen, als Faith begann, den blau schimmernden Mondstein zu drehen. Sie wusste, was es damit auf sich hatte. Derjenige, auf den Faith den Ring richtete, würde für einige Zeit bewegungsunfähig, ohne etwas davon zu bemerken. Ein kleines Stück seiner Erinnerung würde ihm für immer fehlen. Mit Hilfe dieses Zauberringes wollte Faith Richard befreien.

      „Sei nicht albern.“

      Lisa wurde langsam sauer. „Der Ring wird dir nicht viel helfen. Die Kräfte, die Leathan beherrscht, sind so viel stärker als die, die in diesem lächerlichen Ring wohnen.“

      Sie hatte es satt. So lange war sie in der Anderswelt gewesen. Sie und Ben wären fast erfroren bei den schrecklichen weißen Derwischen. Nie wieder wollte sie hinüber in diese Welt, die so unfassbar war wie ein schlechter Traum.

      Lisa war weit davon entfernt gewesen zu glauben, dass es eine andere Welt gab als die, die sie jeden Tag umgab. Und obwohl sie in der Lichten Welt gewesen war, wehrte sich immer noch alles in ihr, diese Erfahrung als real zu akzeptieren. Nein, sie wollte das alles vergessen und nun kam ihre Freundin mit der schwachsinnigen Ansage, sich mit dem gefährlichsten Dunkelalb dieser Spiegelwelt anlegen zu wollen, dem sie gerade knapp entronnen war.

      Würde sie selbst das auch für Ben tun? Sie liebte ihn, aber… ja, sie würde. Lisa stöhnte entnervt auf. „Aber du gehst nicht allein.“

      ~~~~~

      Magalie trifft Cybill, die alte Herrscherin.

      Elsabe und ihre Schwestern näherten sich den Grotten, ihrem Zuhause. Der Himmel zeigte die üblichen schmalen Nebelbänder, die entstanden, wenn die Hexen flogen. Das Blau vermischte sich mit grauen Schlieren, marmorierte die Luft für kurze Zeit, um sich wieder zu klären, wenn sie gelandet waren. Sie hatten Oskar und Lilly noch nicht gefunden, aber sie wussten jetzt, wo sie die beiden suchen mussten.

      Elsabe hatte Odine versprochen zu helfen. Sie musste, bevor sie sich erneut auf die Suche nach Lilly machte, mit Magalie sprechen.

      Durch Leathans Gegenwart im Neuen Meer verloren die Fische ihre Farben und verendeten. Selbst in der grünen Muschel zerrann die zerstörerische Kraft des Dunklen Fürsten nicht.

      Wenn er noch lange in der Muschel gefangen bliebe, würde den Nixen und Wassermännern die Lebensgrundlage entzogen werden. Sie lebten von Fischen, Seegurken und Algen, allem, was das Meer hergab. Das Wasser wimmelte nur so von neuen Bewohnern.

      Der Vergessene Fluss hatte mit seinen Fluten auch Pflanzen und Tiere in den Krater gespült. Seit das Neue Meer sich mit den Seen, Tümpeln und Flüssen der Anderswelt verbunden hatte, war hier erstaunlich schnell neues Leben entstanden. Der Fluss war aus den Tiefen der Erde, weit unter der Schattenwelt, hervorgeschossen. Von dort hatte er seinen Weg durch die Schattenwelt bis hinauf in die Lichte Welt gesucht und gefunden.

      Mit seiner Gier nach Gold, Silber und Eisen hatte Leathan die Anderswelt unterhöhlt. Seine riesigen Bohrtürme hatten sich in die Erde gegraben. Tausende der Lavatiden, seiner Grubenarbeiter, arbeiteten mit ihren Frauen und Kindern in den Bergwerken. Gewaltige Feuer brannten hier unten, wo die Metalle auch verarbeitet wurden.

      Die Kraft, mit der die Erde auseinander gebrochen war, hatte dem Vergessenen Fluss den Weg freigemacht, auszubrechen und alles zu überschwemmen. Tiefe Krater waren entstanden, hatten sich mit Wasser gefüllt, das Dörfer, Wälder und Ackerboden mit sich gerissen hatte. Gebirge aus Feuer, Dampf und Asche hatten viele der Bewohner der Anderswelt unter sich begraben. Beinahe hätte dieser Ausbruch auch Faith und Richard das Leben gekostet.

      Als Elsabe vor ihren Grotten landete, traute sie ihren Augen nicht. Er hat es geschafft, dachte sie.

      Robert hielt Magalie umfangen, als wollte er sie nie mehr loslassen.

      In einiger Entfernung stand die alte Herrscherin mit dem Raben auf der Schulter und beobachtete das Paar. Elsabe trat zu ihrer alten Freundin. „Ich bin überrascht, dich hier zu sehen.“

      Der Rabe hüpfte hinüber auf Elsabes Schulter und keckerte aufgeregt. Die Hexe strich dem schwarzen Gesellen sacht über das Gefieder und blickte die alte Herrscherin fragend an.

      „Cybill, was machst du hier?“

      „Ich war unruhig. Nachdem ich Corax“, zärtlich sah sie den Raben an, „geschickt hatte, um Magalie auf die Möglichkeit hinzuweisen, wie Robert sein Leben retten könnte, musste ich wissen, ob er es schaffen würde, durch die Feuersäule zu gehen. Und ich wollte endlich meine Tochter in die Arme schließen. Aber“, sie wandte sich lächelnd um, „ich sehe sie hat schon andere Arme gefunden, in denen sie sich ausgesprochen wohl fühlt. Woher kommen deine Schwestern und du?“

      Elsabe sah ihre Schwestern in den Grotten verschwinden, wo immer Kranke und Verletzte auf die heilenden Hände der Hexen warteten. Das Wasser, das sich aus den Felsen hinter den Grotten ergoss, hatte schon viele Leben gerettet. Nicht nur den Wesen der Anderswelt, sondern auch einigen Sterblichen. Es hatte eine besondere heilende Kraft. Warm und silbern glitzernd schoss es aus dem hohen Felsgestein hinter den Grotten, um von dort in steinerne Wannen zu sprudeln.

      „Wir haben Lilly gesucht. Eine neue Hexe ist geboren, die besonders widerspenstig zu sein scheint. Sie ist, bevor sie die Erlaubnis dazu bekam, geflogen.“

      Die Alte lachte laut auf.

      „Kommt mir bekannt vor. Ich erinnere mich an eine Hexe, die vor Hunderten von Jahren geboren wurde. Sie besaß, anders als ihre Schwestern, blaue Augen und einen sehr aufsässigen Geist. Damals hätte ich sie fast wieder zurück zu den Alraunen geschickt. Sie hieß Elsabe.“ Die alte Herrscherin blickte die Hexe abwartend an. „Erinnerst du dich?“

      Elsabes Augen weiteten sich, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Ja, ich erinnere mich. Du wolltest mich auf die Felder der Mandragora zurückschicken. Warum hast du es nicht getan?

      „Weißt du das nicht mehr?