Dominik Michalke

Arym Var


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Es gab eine Geheimleitung. Eine, die offensichtlich nur der AKZ und der Leiter des Teams – erst Werland und nun Rukkbert – benutzen konnten.

      »Der AKZ. Deswegen wollten sie vorhin alleine sein«, murmelte er. »Warum haben sie das nicht gesagt?«

      Die anderen schienen auch erstaunt zu sein. Aus dem Augenwinkel sah Kargan, wie Anjiara ihre Stirn runzelte. Barg-Sa und Asruan sahen sich gegenseitig an. Lediglich die Ärztin zupfte ununterbrochen an ihrem Expeditionsanzug herum, als wäre er ihr zu groß. Dabei zeichneten sich ihre kleinen Brüste deutlich an ihrem schlanken Oberkörper ab.

      »Ich ... Ich durfte nicht.« Rukkbert stammelte fast. »Seit ich denen von ihrem Verdacht der Sabotage berichtet habe, läuft das Ganze unter absoluter Geheimhaltung. Ich verstehe den Sinn selbst noch nicht, da der Einsatz ja bereits unter dem Namen des AKZ angekündigt wurde. Aber ... verdammt, warum erzähle ich ihnen das alles eigentlich! Wir müssen dem Befehl Folge leisten!«

      Er ging durch die Tür. Die anderen folgten ihm.

      »Wir müssen überhaupt nichts!« Kargan rannte neben Rukkbert und versuchte mit ihm Schritt zu halten. »Sie können mich hier nicht alleine zurücklassen!«

      Sie waren vor der Hauptschleuse angekommen.

      Rukkbert drehte sich zu Kargan. »Der Befehl ist vom AKZ. Sie müssen mich verstehen, Saturon. Ich wünsche ihnen viel Glück.« Sein letzter Satz klang endgültig. Er betätigte den Knopf, der die Schleuse öffnete. Mit einem Zischen stoben die Flarretstahlwände auseinander. Dahinter erstreckte sich die Rotsandwüste. Der Nexus berührte bereits fast den südlichen Horizont vor ihnen. Kargan bemerkte jedoch eine große, düstere Wolke links daneben, die aussah, als hätte ein Maler einen unabsichtlichen braunen Farbklecks auf einem Bild angebracht. Der Sandsturm, schoss es Kargan kurz durch den Kopf.

      »Warum müssen sie alle gehen? Warum nicht nur ein Teil?«, fragte er dann.

      »Sie scheinen die Priorität der Mission nicht ganz zu durchblicken Saturon. Ich muss mit bestmöglicher Mannstärke eingreifen. Wir müssen Werland finden!«

      Er setzte sich in Bewegung. Die anderen folgten ihm zögerlich und warfen Kargan verlegen Blicke zu.

      »Was ist mit euch allen? Was soll das?«, schrie Kargan sie an. »Barg-Sa? Anjiara! Was soll das! Anjiara!«

      Anjiara verharrte und bewegte sich dann langsam zu ihm zurück. Er hörte, wie Rukkbert wütend knurrte, sich umdrehte und wieder stehen blieb.

      »Anjiara, hast du nicht gesehen was auf dem Stream war? Die Station ist nicht sicher. Warum soll ich alleine hier bleiben? Bitte, bleib bei mir.« Kargans letzte Worte klangen kleinlaut. Aber es war ihm egal. Er wollte nicht hier allein zurückbleiben.

      Anjiara fasste sanft seine Schulter an. »Kargan, es tut mir leid. Ich ... Ich kann nicht.«

      Kargan warf ihr einen fragenden Blick zu. »Wieso kannst du nicht? Ich dachte ...« Er schwieg.

      »Wir halten ununterbrochen Kontakt, aber du musst die RS Terranigma kontaktieren, Kargan! Ich kann dir jetzt nicht ... sagen warum, aber ich muss mitgehen. Ich ... muss!« Sie legte den Kopf leicht schief. Kargan hätte, selbst wenn er es gewollt hätte, nicht ‚nein‘ zu ihren grünen, strahlenden Augen sagen können, die ihn jetzt so intensiv wie nie zuvor ansahen. Dann drehte sie ihren Kopf zur Seite.

      Er glaubte, ohne einen erdenkbaren Grund, den Bruchteil einer Sekunde etwas wie grenzenlosen Hass in ihrem Blick zu sehen. Dann wandte sie sich ihm wieder zu, flüsterte »Pass auf dich auf!«, so dass nur er es hören konnte und küsste ihn auf seine rechte Wange. Sie drehte sich um und hastete aus der Schleuse.

      Kargan stand mit hängenden Arme in der Schleuse und starrte nach draußen.

      Rukkbert stand da und schien immer noch mit sich selbst zu kämpfen, als fechte er einen Krieg zwischen dem Befehl der AKZ und seinem eigenen Instinkt aus. Kargan wünschte in diesem Moment, er könnte Gedanken lesen.

      Plötzlich sagte Rukkbert: »Asruan. Sie bleiben hier.«

      Asruan öffnete fassungslos den Mund. Sein Kaugummi fiel heraus. »Wieso ich? Wieso nicht sie ...« Er deutete willkürlich auf Viktoria.

      »Sie bleiben hier!«, donnerte Rukkbert. Seine Stimme hallte von den Betonblöcken wieder.

      Die Ärztin zuckte zusammen. Barg-Sa schaute nur unschlüssig.

      »Die anderen folgen mir und zwar auf der Stelle!« Rukkbert setzte sich zügig in Bewegung. Die anderen folgten ihm letztendlich. Anjiara warf Kargan noch einen traurigen Blick mit ihren hellgrünen Augen zu. Barg-Sa machte eine salutierende Geste, die Kargan so viel sagte wie ‚Alles Gute, mein Freund‘.

      Als sie durch die Schneise nach Süden in die offene Wüste gelangt waren, schlugen sie nach rechts ein, um die Betonblöcke vor der Station nach Nordwesten zum umwandern.

      Asruan stand regungslos mit offenem Mund im Sand wie bestellt und nicht abgeholt. Er starrte ihnen hinterher.

      Kargan entschloss, ihn anzusprechen und das Beste aus der Situation zu machen. Er konnte sich nicht verleugnen, dass ihn Rukkberts Befehl an Asruan nicht unwesentlich erleichtert hatte.

      Doch in dem Moment, als die anderen hinter dem Betonblock verschwunden waren, bewegte sich Asruans rechte Hand. Es war ein äußerst komisches Bild.

      Der schlanke, hoch gewachsene Geologe, dessen sonstige Gliedmaßen völlig regungslos verharrten, fuhr sich mit der rechten Hand in die Hosentasche, brachte einen Kaugummi zum Vorschein und legte ihn sich kommentarlos in seinen immer noch offen stehenden Mund. Erst als er zu kauen anfing, schien der Geologie wieder zum Leben erwachen.

      Kargans Angst, die sich seit dem Monitorbild des unbekannten Wesens entwickelt hatte, schien zu verfliegen, als er Asruan so sah.

      Der Mann drehte sich um und kam wild kauend auf Kargan zu. »Shit happens«, sagte er beiläufig und ging durch die Schleuse in die Station.

      Kargan folge ihm. »Okay Asruan, ich bitte sie mir zuzuhören.« Er versiegelte die Schleuse mehrfach, wenngleich er wusste, dass es einen Eindringling wie den auf der Aufzeichnung nicht aufhalten würde. »Wir müssen uns unbedingt ... was überlegen.«

      »Mhmm.« Asruan blickte lässig durch die Gegend. Kargan interpretierte es als Unsicherheit.

      Die Mini-Walkie-Talkies, dachte er. »Ich habe eine Idee. Sie nehmen sich eins der Mini-Walkie-Talkies, und wir bleiben in Dauerkontakt. Ich muss in den Kom-Turm, um die anderen und die Outrange-Stationen zu kontaktieren. Wenn ihnen irgendwas auffällt ... wenn sie irgendwas hören oder sehen, dann funken sie mich sofort an, kapiert?«

      »Klare Sache«, sagte Asruan fast gelangweilt. Das Zucken in seinen Augen zeigte Kargan jedoch, dass er nicht der einzige war, der Angst vor etwas Ungewissem hatte.

      Zusammen hasteten sie in einen der Frachträume im Erdgeschoss.

      Alle möglichen Utensilien und technischen Geräte lagen verstreut in offenen und verschlossenen Kisten. Kargan konnte sich den Gedanken nicht aus dem Kopf treiben, dass Viktoria alles durcheinander gebracht hatte. Vermutlich bei dem Versuch, ein Duschhandtuch oder etwas Ähnliches zu suchen.

      Schließlich fand er die Mini-Walkie-Talkies. Dabei handelte es sich um kleine, knopfförmige Geräte, die man leicht in eine Hemdtasche oder dergleichen stecken konnte. Eine einfache Berührung, ein ‚Antippen‘, genügte, um die Sprechfunktion zu aktivieren. Sie hatten nur eine Reichweite von etwa fünfhundert Meter und besaßen nur einen Kanal, was für die Umstände jedoch irrelevant war.

      Kargan tippte beide Knöpfchen an, um sie zu aktivieren. Dann gab er eins davon Asruan. Der steckte es sich in seine Hosentasche und nickte ihm zu.

      Kargan war fast erleichtert, als er im Kom-Raum angekommen war. Er hatte sich auf dem Weg nach oben mindestens zehn Mal umgeschaut in der unverdrängbaren Angst, von einer dünnen, schwarzen Hand ergriffen zu werden.

      Im Kom-Turm fühlte er sich am sichersten in der ganzen Station.

      Wenige Infidelis-Sekunden nachdem er