Dominik Michalke

Arym Var


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der den tragbaren Kurzstreckentransceiver zur Kommunikation mitgenommen hatte.

      »Barg-Sa Gerents ruft Kargan Saturon, Andragon Outrange 15«, erklang Barg-Sas vertraute Stimme über die Lautsprecher.

      »Barg-Sa! Hier Kargan Saturon, Andragon Outrange 15. Statusbericht!«

      »Wir sind etwa zwei Kilometer von der Station entfernt und haben glücklicherweise eine Spur des Crawlers entdeckt, die vom Wüstensand stellenweise noch nicht überweht wurde. Der eigentliche Grund weshalb ich dich jetzt schon kontaktiere ist aber ...«, er machte eine kurze Pause und räusperte sich. »Ich habe eine Dienstwaffe, wie du dir denken kannst. Eine kleine Projektilpistole.

      Ich hatte ihn in meinem Halfter, als wir losgegangen sind, aber das Halfter war offen. Ich muss ihn irgendwo in der Nähe der Station verloren haben, gleich als wir losgegangen sind. Also wenn es dich beruhigen würde, dann könntest du rausgehen und ihn dir holen. Ich weiß ja nicht, ob man damit einen Aggressor verletzen kann, der von Sonden nicht detektierbar ist, aber ... ich wollte dir einfach Bescheid geben, verstehst du?«

      »Ich danke dir, Barg-Sa. Ich denke, ich werde mir die Projektilpistole holen. Sicher ist sicher. Ich werde die Sonde benutzen.«

      »Ja, man tut was man kann«, brummte Barg-Sa.

      Im Hintergrund konnte Kargan ein deutliches »Ist alles in Ordnung mit ihm?« von Anjiara vernehmen.

      »Deine Kleine macht sich Sorgen«, kam von Barg-Sa mit amüsiertem Unterton.

      Kargan atmete tief ein. »Noch ist alles in Ordnung. Sag ihr ... Sag ihr, wir werden uns wieder sehen. Egal was passiert. Kargan Ende.« Er beendete entschlossen die Kom-Verbindung, nahm seine Sonde und machte sich an den Abstieg in den ersten Stock.

      Kargan war zu konzentriert und zu angespannt um daran zu denken, sein Abwesenheitsmakro zu aktivieren. Das gelbe Signallicht auf seinem Monitor leuchtete bereits erneut, als Kargan am Fuß der Leiter angekommen war.

      Kargan sollte nie erfahren, dass Andragon Outrange 13 in diesen Infidelis-Sekunden ununterbrochen versuchte, ihn zu kontaktieren.

      Kargan war ein schlechter Schütze, das wusste er. Aber mit Waffe fühlte er sich auf jeden Fall sicherer als ohne. Er atmete tief durch und versuchte seine konstante Angst zu bändigen, als er vor der Hauptschleuse stand.

      Es kann nicht weit sein. Die Sonde wird die Waffe schnell finden, versuchte er sich einzureden. Mach dich nicht fertig, eine komische Hand auf einer Videoaufzeichnung, ein unidentifizierbarer Geruch, ein unerklärter Rückstand im Sand, ... was ist das schon. Verdammt, genügend um mir Sorgen zu machen.

      Mit grimmigem Blick schlug er auf den Knopf, der den Haupteingang öffnete.

      Die Schleuse öffnete sich und Kargan sah nach draußen. Das Bild passte erstaunlich gut zu der Stimmung, in der er war. Der Sandsturm schien nun sehr nahe zu sein. Eine dunkle, rotbraune Wolke bedeckte den gesamten Horizont vor ihm. Die Sonne war kaum mehr dahinter zu erkennen. Auch hatte der Wind enorm zugenommen. Sandkörner fegten prasselnd in die Station hinein.

      Kargan musste sich die Hand vor das Gesicht halten, um sich zu schützen. Er beneidete die anderen nicht, wenn der Sandsturm sie erreichen würde.

      So konnte er auf jeden Fall nicht hinaus, das bemerkte er schnell.

      Er schloss die Schleuse wieder und hastete zum Frachtraum. An der Wand waren mehrere Spinde angebracht. Einige davon standen offen. Kargan hatte richtig vermutet: Rukkbert und die anderen hatten hier ihre Expeditionsanzüge in Eile herausgeholt.

      Er ging zu einem der Spinde, öffnete ihn und nahm sich einen zusammengefalteten Expeditionsanzug heraus. Der Anzug hatte eine lederartige Oberfläche und war aus einem Spezialmaterial, dessen Bezeichnung Kargan nicht kannte. Das erstaunliche Stück Technologie war absolut elastisch und anpassungsfähig und hatte trotz diverser Funktionen nur etwa einen Zentimeter Dicke. Kargan wusste, dass man mit so einem Anzug lange in die Wüste gehen konnte. Die Kühllamellen, die an der Innenseite des Anzugs angebracht waren, kühlten die Körpertemperatur des Trägers bei der Wüstenhitze auf eine optimale, Flüssigkeit sparende Temperatur herunter. In der Kälte der Wüstennacht invertierten die Lamellen ihre Funktionsweise. Zusätzlich war innen ein Schlauch für Wasserzufuhr angebracht, der am Kragen des Anzugs endete.

      Externe Wasserbehälter konnten zusätzlich zu den Inneren in Gürtelformation am Anzug befestigt werden. Diese versorgten den Träger dann durch den Schlauch mit Wasser. Das System des Anzugs hatte zudem die Funktion, mit externen Bleichzellen die Luftfeuchtigkeit in der Umgebung aufzunehmen und das geringe Wasser daraus zu ziehen, welches in die Wasserbehälter eingeführt wurde.

      Doch Kargan brauchte den Anzug jetzt nur als Schutz vor dem Sandsturm.

      Er zog sich das elastische Material über und schob den Gesichtsschutz nach oben.

      Anschließend ging er zügig zurück zur Schleuse und öffnete sie. Der Anzug war sehr elastisch und ermöglichte uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, dennoch musste Kargan sich geringfügig an das neue Gefühl gewöhnen.

      Sand prasselte gegen Kargans Körper, als er nach draußen ging, aber er spürte lediglich ein geringfügiges Kribbeln. Er aktivierte seine Sonde und sagte: »‘Sonde‘: hast du das Material einer Projektilpistole in deinem Archiv?«

      Die Sonde klickte bestätigend.

      »‘Sonde‘: finde Projektilpistole. Auswahl: Kürzeste Entfernung.« Kargans Stimme klang gedämpft unter dem Gesichtsschutz, aber die Sonde verstand ihn und setzte sich in Bewegung. Sie schien die Pistole bereits per Sensor lokalisiert zu haben. Sie hatte jedoch große Probleme, sich im stärker gewordenen Wind zu bewegen. Oft wurde sie von abrupten Windböen vom Kurs abgebracht und musste sich neu in Position bringen. Sie bewegte sich entlang der Schneise, durch die der Crawler nach Süden gefahren war und durch die auch Rukkbert und die anderen gegangen waren, bevor sie rechts hinter einem der Betonklötze verschwunden waren.

      Der Wind heulte in Kargans geschützten Ohren. Die Sonde war nun fast in der freien Wüste angelangt. Kargan sah sich unruhig um. Er konnte mittlerweile nur noch etwa zweihundert Meter weit sehen. Dahinter verschwand die Umgebung in wabernden, rotbraunen Schleiern aus Wüstensand. Bisher hatte er noch nichts Verdächtiges gehört oder gesehen. Er war fast erleichtert darüber, als die Sonde durch die Schneise an den letzten Betonblöcken vorbei in die freie Wüste steuerte und eine Rechtskurve beschrieb. Noch einmal zwischen die hohen Betonwände gehen zu müssen, hätte Kargan beunruhigt.

      Die Sonde wurde langsamer und näherte sich dem Boden. In diesem Moment konnte Kargan die Waffe bereits sehen. Erleichtert lief er an die Stelle, kniete sich zu Boden und nahm die kleinkalibrige Waffe in die Hand.

      »‘Sonde‘: Zurück zur Hauptschleuse«, sagte er knapp und wandte sich willkürlich nach Süden der offenen Wüste zu, wo er die Gestalt sah.

      Alles passierte in wenigen Sekunden.

      Kargan stand da wie eingefroren und starrte auf den dunklen Umriss der Gestalt. Er war fast nicht erkennbar aber dennoch klar präsent in etwa zweihundert Metern Entfernung, wie eine unbewegte Säule im Sand. Kargan konnte keine Struktur erkennen, denn das Wesen sah mehr aus wie ein drahtiges dunkles Gebilde im wabernden Chaos des Rotsands. Hinter ihm schimmerte der Nexus fahl durch den tobenden Sand und erzeugte Gegenlicht. Doch Kargan war sich sicher, etwas wie zwei dünne Arme und zwei dünne lange Beine zu erkennen die regungslos an den Seiten des Wesens hinab hingen. Es bewegte sich nicht. Dort wo ein Kopf zu erwarten wäre, konnte Kargan durch den Sand hindurch und gegen das Licht des Nexus nur einen kreisrunden schwarzen Fleck erkennen.

      Dann bemerkte Kargan etwas, das endlich seine Starre löste. Die Umgebung des Wesens war nicht nur wegen dem tobenden Sand verschwommen und verwischt. Etwas wie ein unsichtbarer Energiestrom schien von dem Wesen auszugehen, der sein Umfeld in einem äußerst bizarren Antlitz zu verschwimmen und zu verzerren schien. Auch das Wesen selbst schien sich zu biegen und zu verziehen, als würde man ein längliches Stück Plastilin mit den Händen deformieren.

      Kargans Herz pochte. Er umklammerte seine Waffe, als würde er sich daran festhalten, um nicht in einen Abgrund zu stürzen.

      Doch