Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


Скачать книгу

Wasser der Höhle entgegen, nahm im letzten Moment die Arme nach vorne, dann tauchte sie ein in das salzige Nass des Atlantiks. Sie war aus großer Höhe hinunter gesprungen, so erreichte sie beinahe den Grund des Meeres, ehe sie sich wieder in die Waagerechte begab und mit schnellen Beinschlägen aus der Höhle hinaus ins offenen Meer schwamm.

      Sie fühlte sich wie eine Göttin des Meeres und sie schwamm hinaus und hinein…

      Hinaus aus der Höhle. Hinein in den gefräßigen Rachen des Todes.

      Seelendiebe

      Das Wesen, das vor dem Eingang ihrer Höhle lauerte, schien einem schrecklichen Alptraum entsprungen zu sein.

      Zunächst war da nur ein schwarzer Schatten. Ein riesiger schwarzer Schatten allerdings, dessen äußere Form in etwa einem gewaltigen Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen glich. Die Schwingen wuchsen aus einem relativ schlanken Körper, der in einen langen, schmalen und sehr biegsamen Schwanz endete, während am vorderen Ende ein nicht einmal übermäßig großer Kopf saß. Doch dieser Kopf schien eigentlich nur aus Maul zu bestehen und dieses Maul, bewehrt mit einem mörderischen Gebiss, war in diesem Moment weit aufgerissen und wartete darauf Machilla zu verschlingen.

      Der Schreck für Machilla in alle Glieder und lähmte für einen kurzen Augenblick alle ihre Bewegungen. Dadurch griffen die Gesetze der Trägheit der Masse. Ihr Körper behielt ohne lenkende Bewegungen Machillas die Richtung bei, die ihm vor dem Auftauchen des Schattens und des weit aufgerissenen Rachens gegeben worden war und trieb nun genau auf den rötlich schimmernden Abgrund hinter den fürchterlichen Zähnen zu, dessen Beute sie gleich werden sollte.

      Machilla war nicht in der Lage, etwas gegen ihren unmittelbar bevorstehenden Tod zu unternehmen, der Schock saß zu tief. Wirre Gedanken schossen durch ihr Gehirn. Sie fluchte erbittert in sich hinein, dass sie dumm und leichtsinnig genug gewesen war, ohne ihr Schwert und dazu auch noch ohne ihren primitiven Speer aus der Höhle zu schwimmen. Sie fragte sich, als ob das nun noch von Bedeutung wäre, was nun wohl mit dem wundervollen Schwert geschehen, ob die Klinge jemals wieder zu einem Meister zurück finden würde. Dann spürte sie eine eigenartige Energie auf ihrem Körper, es war als strömte das Wasser um sie herum schneller und trüge sie noch rasanter dem unvermeidlichen Ende entgegen. Sie wurde förmlich von dem bizarren Rachen vor ihr angesaugt und der Abstand zu den langen, spitzen Zähnen, die sie zerfetzen wollten, betrug nur noch wenige Körperlängen, als sich die Situation plötzlich erneut veränderte.

      Machilla hatte nicht mit Rettung gerechnet, sie nicht einmal erhofft, ganz zuletzt hätte sie die Rettung durch ein Lebewesen erwartet, dessen Artgenossen ihr so deutlich aus dem Weg gegangen waren, seit Machilla begonnen hatte im Meer zu leben.

      Vom Meeresgrund tauchte plötzlich und wie aus dem Nichts kommend ein gewaltiger Körper auf. Selbst der größte Hai, dem sie bislang begegnet war, kam diesem Wesen nicht annähernd gleich, was Größe und Kraft anbetraf. Der Rücken des Wesens war tief schwarz, eine mächtige Rückenflosse, zwei große seitliche Flossen und eine enorme Schwanzflosse ließen aus diesem Riesen einen unglaublich eleganten Schwimmer werden, die Flossen verliehen ihm eine unfassbare Geschwindigkeit und dazu eine atemberaubende Beweglichkeit und sein riesiges Maul stand dem eines der großen Haie in nichts nach, was die Gefährlichkeit betraf. Jetzt schoss dieser Leviathan des Meeres aus der Finsternis der Tiefe nach oben, zeigte seinen fast rein weißen Bauch und dann krachte die harte Spitze seiner Schnauze in Machillas Seite und katapultierte sie förmlich aus dem Sog hinaus, der sie in den Schlund des schwarzen Schattens zu ziehen drohte.

      Die Gefahr löste sich so schnell auf, wie sie aufgetaucht war.

      Mit einem Orca legt sich niemand an, der im Meer lebt und auch der schwarze Schatten hatte seine Lektion offenbar gelernt. Die großen Flügel begannen heftig zu schlagen und ein paar Atemzüge später war der Schatten im Grau des Ozeans verschwunden, als hätte er nie existiert.

      Machilla rieb sich ihre schmerzenden Rippen und starrte den riesigen Mörderwal verstört an.

       „Du hast mich gerettet? Warum? Du und deinesgleichen wollten doch nie etwas mit mir zu tun haben.“

      Sie rechnete nicht mit einer Antwort auf diese Frage, die sie sich doch eigentlich viel eher selbst gestellt hatte, umso größer war ihr Erstaunen als sie dennoch eine solche erhielt.

       „Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Du hast noch eine Strecke Weges zurück zu legen, ehe du dich erfüllt hast. Deshalb habe ich dich vor der Seelendiebin beschützt.“

       „Seelendiebin? Dieser schwarze Schatten war ein lebendes Wesen, vor dem man beschützt werden kann?“

       „Wärst du nicht so dumm gewesen, unbewaffnet herum zu schwimmen, hätte sie sich nie getraut, sich an dich zu heran zu wagen. Sie gehört nicht zu den mutigen Jägern des Meeres, unsere Mantadame. Aber da sie deine Wehrlosigkeit erkannte, wäre sie töricht gewesen, dich nicht anzugreifen. Leichte Beute ist ihr immer willkommen.“

       „Mantadame? Was meinst du mit diesem Begriff?“

       „Sie gehört zu den Stachelrochen, die in großen Mengen viel weiter südlich von hier leben. Wenn ein Rochen eine gewisse Größe erreicht hat, nennt man ihn einen Manta. Frag mich nicht weshalb, es ist eben so. Die Mantas hören niemals auf zu wachsen, solange sie leben. Je größer sie werden, desto weiter zieht es sie nach Norden, denn nur in den kälteren Meeren finden sie noch genügend energiereiche Nahrung um am Leben zu bleiben. Die Weibchen werden noch größer als die Männchen und diese hier dürfte das größte Exemplar sein, dem ich auf meinen Reisen je begegnet bin.“

       „Und weshalb nennst du sie die Seelendiebin?“

       „Mantas haben – wie nahezu alle unter Wasser lebenden Jäger – keine Gliedmaßen, um eine Beute festzuhalten. Wir Jäger der Meere sind daher meist einfach viel, viel schnellere Schwimmer als unsere Beute und können so überleben. Die Mantas hingegen sind relativ langsame Schwimmer. Sie sind aber in der Lage, ihr Opfer durch die Kraft ihres Geistes willenlos zu machen und ihren gesamten Bewegungsapparat blockieren. Dadurch gelingt es ihnen, der Beute so nahe zu kommen, dass sie ihren hochgiftigen Schwanzstachel einsetzen können. Wenn dich ein großer Rochen gestochen hat, bist du verloren. Nichts und niemand kann dich mehr retten. Doch genug geplaudert, ich muss weiter und du passt künftig besser auf dich auf. Ohne dein Schwert auf dem Rücken würdest du auch ein Opfer der Haie werden. Sie akzeptieren dich nicht deinetwegen, sondern weil du den Meerwolf besitzt.“

       „Halt, warte noch, großer Orca, ich habe noch Fragen. Willst du mein Freund sein? Willst du mir dabei helfen, meine Ziele zu erreichen? Du könntest es, denn wir können uns verständigen. Allerdings weiß ich nicht, weshalb.“

      Die seltsam schwarzblauen Augen des riesigen Wales blickten Machilla nachdenklich an, ehe sich in deren Schädel die Antwort formulierte.

       „Du weißt es wirklich nicht?

       Nun, derjenige, der dich gemacht hat, benutzte dazu die letzten Erbanlagen die von Atlantis noch existieren. Die Gene der Wale sind in deinem Körper verankert und er hat dich gekreuzt mit den Anlagen der Haie. Deine Schwimmhäute und die Kiemen hast du von den Haien bekommen. Deine Intelligenz und Lernfähigkeit, aber auch die Fähigkeit mit Lungen zu atmen und an Land zu leben von den Walen, also von mir und meinesgleichen. Diese Eigenschaften hat dein Erzeuger in einen weitgehend menschenähnlichen Körper gepackt und dir zugleich die Fähigkeit gegeben, dich mit jedem unserer Art zu paaren und Kinder zu gebären. So wie du bereits menschenartige Nachkommen geboren hast, könntest du auch Nachkommen mit Walen oder Haien haben, was ich dir allerdings nicht empfehlen würde.

       Du würdest es nicht überleben.

       Wir, die Wale, unterscheiden uns von allen anderen Bewohnern der Meere eindeutig. Unsere Nachkommen werden lebend geboren, sie säugen und wir haben keine Kiemen, denn wir sind keine Fische sondern angepasste ehemalige Landbewohner. Auch unsere Intelligenz ist – wie du vielleicht selbst schon