Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


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mehr. Anglialbion, Söldner, sie alle wurden bis ans Ufer des Meeres gehetzt und geschlagen, wo immer sie sich zu stellen wagten. Von der gesamten Besatzungsmacht der Anglialbion überlebten höchstens zehn Dutzend untergeordnete Krieger und kaum ein Anführer. Er war vielleicht der einzige Unteroffizier, der das Gemetzel überlebt hatte…

      Als der Kiel des Bootes den Ufersand kratzte und gleich darauf fest saß, sprang der Anführer – Tomasz – so wie es sich für einen guten Anführer gehörte, als erster aus dem Boot, zog es weiter auf den Strand und hielt es am Bugseil fest, während seine Männer ebenfalls ins knapp knietiefe Wasser sprangen und so den Landgang vollzogen.

      Sie waren immer noch Krieger, auch wenn sie die brutalste Schlappe hatten hinnehmen müssen, die sie sich vorstellen konnten. Ein knapper Befehl ihres Anführers genügte und die fünf Männer bildeten einen abwehrbereiten Halbkreis um den Landeplatz des Bootes herum. Tomasz sicherte das Boot mit dem Bugseil am Wurzelstock eines Pinienbusches ganz in der Nähe, dann begann er sich mit gezogenem Schwert landeinwärts zu bewegen.

      Weit musste er nicht gehen, um mit einer faustdicken Überraschung konfrontiert zu werden.

      Er schlich zwischen den etwas mehr als mannshohen Pinienbüschen hindurch und versuchte, auf jedes verräterische Geräusch, auf jeden unpassenden Geruch zu achten, um ja nicht von etwas Unangenehmem oder Gefährlichem überrascht zu werden. Er bog um einen großen Strauch und sah sich an einer kleinen Lichtung im dichten Gestrüpp und auf dieser Lichtung stand die schönste Frau, die ihm jemals über den Weg gelaufen war.

      Ihr unglaublich langes, goldenes Haar war aus der Stirn gestrichen und im Nacken zu einem strammen Knoten geschlungen worden, der zusätzlich noch von der gegerbten Haut einer Muräne gehalten wurde. Aus dem Knoten hing ein langer Schwanz der dicken Flechten hervor und war elegant und wie zufällig über die linke Schulter gelegt worden. Dadurch wurde der Blick zusätzlich auf den über dieser Schulter aufragenden Griff eines Schwertes gelenkt, das die Frau in einer Rückenscheide bei sich trug.

      Sie war groß für eine Frau. Groß und mit Muskeln bepackt wie eine Kriegerin. Ihre Haut war von der Sonne goldbraun gefärbt, was ihre jadegrünen Augen und die roten, weich geschwungenen Lippen noch besser zur Geltung brachte. Ihre Kleidung bestand aus einem eigenartig dünnen Material und war so knapp, so spärlich, dass weitaus mehr enthüllt wurde, als verborgen. Eigentlich war sie so gut wie nackt.

      Die Lippen des Polskakriegers verzogen sich zu einer gierigen, lüsternen Grimasse und er richtete sich aus seiner geduckten und vorsichtigen Haltung auf, um aufrecht und rasch auf die schöne Fremde zugehen zu können. Mit einer solchen Begegnung hatte er nicht gerechnet, doch diese Frau kam ihm gerade zupass um sein angeschlagenes Selbstbewusstsein wieder ein wenig aufzupolieren.

      Tomasz hatte noch nicht die Hälfte der Distanz zwischen ihm und der Frau hinter sich gebracht, als ihm der eigenartige Blick der jadegrünen Augen bewusst wurde. Die Frau rührte sich nicht, sie fixierte ihn mit eindringlichen Blicken und dann war es auch schon um ihn geschehen. Plötzlich wurde sein ganzer Körper steif und kraftlos, sein Ich versank in einem wirbelnden Schlund, wurde von jadegrünen Seen aufgesogen, er taumelte ein wenig, stolperte auf die Frau zu, sank vor ihr auf die Knie und murmelte in seiner eigenartig kehligen Sprache ein paart unverständliche Worte.

      Machilla antwortete in der Sprache des Imperiums und aus ihrer eigentlich leisen Stimme klang eiserne Härte und ein mächtiger Wille.

       „Du wirst mit mir in dieser Sprache sprechen, verstanden. Und nun erkläre mir deine Unterwerfung noch einmal, aber diesmal richtig.“

       „Herrin, du hast mich gerufen. Hier bin ich, um dir zu dienen. Befiehl, damit ich gehorchen kann.“

      Um Machillas Mund spielte ein kleines Lächeln, das ihre Zufriedenheit widerspiegelte. Schon ihr erster Versuch war erfolgreich gewesen. Mehr als das, der fremde Krieger war nicht nur gelähmt, er war in einem einzigen Augenblick zu ihrem willenlosen Sklaven geworden.

      Kurze Zeit später war Machilla Herrin über sechs solcher Sklaven und sie wusste diesen Umstand sofort weidlich zu nutzen.

      Vier der fremden Männer mussten sich mit der Wohnlichkeit in ihrer Höhle auseinandersetzen, den beiden anderen aber wuchs die Aufgabe zu, ihr als Übungsgegner im Schwertkampf zu dienen.

      Ihre Rachepläne nahmen Gestalt an…

      Königszug

      Borasta und sein König starrten einander verbissen an und keiner der beiden war bereit, auch nur einen Zollbreit von seiner Position aufzugeben. Fuß an Fuß standen sie einander gegenüber, die Köpfe leicht gesenkt, das Kinn wie einen Rammbock vorgereckt, mit wütend funkelnden Augen und bebenden Nasenflügeln. Die ungeheure innere Spannung der beiden mächtigsten Männer im Imperium umgab die beiden mit einer flirrenden Aura aus knisternder Energie und ihnen in diesen Momenten zu nahe zu kommen, wäre für jeden Menschen mit hohem Risiko für Körper und Geist verbunden gewesen.

      Dabei hatte doch am frühen Vormittag alles in relativ entspannter Atmosphäre begonnen.

      Der König hatte Borasta rufen lassen um mit ihm die dringendsten Maßnahmen der nächsten Tage und Wochen abzustimmen. Edward war auf Borastas Wohlwollen und auf die Zusammenarbeit mit ihm angewiesen, seit der Großteil seiner Adligen und Eliten in den Kriegen und Aufständen auf dem Kontinent ihr Leben gelassen hatten. Borasta war das geistige Oberhaupt der Gaeloch im Reich und außerdem der Mentor und wichtigste Berater der Kanzlerin Chelida. Sowohl die eine als auch die andere Funktion ließen ihn zu einem Machtfaktor im Imperium werden, an dem der Großkönig nicht vorbei konnte.

      Wie stets in den letzten Jahren stritten sie aber schon bald, weil sich die Lebensumstände im Reich wieder einmal dramatisch verschlechtert hatten. Seit die Lieferungen an Rohstoffen und Nahrungsmitteln aus den eroberten Ländern auf dem Kontinent ausblieben, wurde die Lage im Imperium zunehmend unhaltbar.

      Etwas mehr als drei Jahre waren vergangen, seit das Imperium durch den Krieg in Al Andalus und die Niederlagen gegen Shandra el Guerreros kleines Heer sämtliche Einflüsse und vor allem sämtliche Einkünfte auf dem Festland verloren hatte. Nach der letzten Schlacht in Iberia, als des Königs fähigster General, der absolut skrupellose Thomas Shifford, bei Granada mit seinem gesamten Heer vernichtet worden war und das Imperium zugleich nahezu alle Schiffe seiner Flotte verloren hatte, war eine Region nach der anderen aus den von Edwards Heeren zusammen geraubten Protektoraten heraus gebrochen. Die Macht des Imperiums war zerbrochen, wie ein Stück Glas, das gegen einen Felsen prallt. Zusammen mit den Aufständen in den Regionen war auch das System Chriano förmlich pulverisiert worden. Seit mehr als drei Jahren hatte Edward keine Nachricht mehr vom alleinigen Gott erhalten, obwohl er lange Zeit so intensiv nach ihm gerufen hatte, wie niemals zuvor. Edward hatte nicht glauben mögen, was ihm von Borasta und Chelida über Ninive und seine Bewohner berichtet wurde. Er hatte abgelehnt, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass alles, was er sich im Umgang mit seinem Gott angeeignet hatte, nicht mehr als ein Trugbild gewesen war.

      So viel Arbeit stak in der Schaffung und Verbreitung Chrianos, so viele Jahre lang war das Prinzip unerhört erfolgreich gewesen und jetzt sollte mir nichts dir nichts alles vorbei sein?

      Borasta und Chelida hatten in allen seitherigen Diskussionen und Debatten immer wieder darauf gedrungen, dass der Großkönig endlich den entscheidenden Schritt tat, um die von den Botschaftern der Länder und Regionen immer wieder vorgetragenen Friedensangebote und Handelsabkommen anzunehmen und so die Situation im Imperium zu verbessern.

      Insbesondere Borasta wurde nicht müde, immer und immer wieder dieselben Argumente vorzutragen.

       „Die Handwerker deines Reiches sind von unerreichter Qualität, ihr Können findet nirgendwo Seinesgleichen, doch was tun sie? Sie sitzen in ihren Häusern und starren tatenlos vor sich hin, denn sie haben keine Rohstoffe, die sie verarbeiten können.

       Ihre Häuser zerfallen und ihre Kinder hungern. Das Können stirbt, wenn es nicht praktiziert wird und da es keine Rohstoffe gibt, bildet kein Handwerksmeister mehr Nachwuchs aus.

       Die