Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


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ebenfalls die Telepathie.

       Freunde können wir allerdings nicht werden, denn wir Wale und unsere Verwandten, die Tümmler und Delfine, wir haben unsere Position bereits festgelegt und werden sie auch nicht mehr ändern. Wir werden keinesfalls mit Lebewesen paktieren, die uns derart das Leben schwer gemacht haben, wie die Menschen, die unter der Herrschaft dieses so genannten Großkönigs stehen. Wir werden auch nicht mit dir paktieren, die du so viele Jahre lang an seiner Seite geherrscht und doch niemals einen Versuch unternommen hast, die herrschenden Zustände zu verändern. Wir wurden gnadenlos gejagt, oftmals nur aus purer Lust am Töten heraus und man hat uns die Lebensräume vergiftet und dadurch genommen.

       Nein, wir werden uns nicht auf deine Seite stellen.“

      Machilla ließ die Erklärung des Orcas zunächst auf sich wirken, dann aber wollte sie noch wissen:

       „Gut, du und Deinesgleichen, ihr wollt nicht auf meiner Seite stehen. Auf wessen Seite steht ihr dann?“

       „Es ist nicht von Bedeutung und deshalb wirst du es vielleicht nie erfahren.“

      Der riesige Mörderwal wandte sich nun endgültig von Machilla ab und bewegte langsam, fast träge seine gewaltige Schwanzflosse. Einmal auf, einmal ab genügten und der gigantische Körper wurde förmlich durch die graugrünen Fluten des Atlantiks katapultiert und gleich darauf war der Orca verschwunden. Machilla aber kehrte rasch in ihre Höhle zurück und kletterte hinauf zu ihrer Grotte. Sie setzte sich auf die Kante der Plattform, ließ die Beine hinunter baumeln und ließ die Ereignisse noch einmal vor ihrem geistigen Auge passieren. Dabei blieb sie an etwas hängen, das sie über alle Massen beschäftigte und faszinierte. Eher beiläufig hatte sie von dem Orca erfahren, was der Grund für ihre plötzliche Erstarrung bei der Begegnung mit dem Rochen gewesen war:

      Hypnose!

      Der Rochen lähmte eine Beute auf beträchtliche Entfernung hin durch Hypnose und was ein Rochen zuwege brachte, musste auch ihr, Machilla gelingen, denn Hypnose und Telepathie waren streng genommen enge Verwandte. Telepathie aber war ihr mehr als vertraut, sie war eine Meisterin der telepathischen Künste.

      Machilla beschloss ihre hypnotischen Fähigkeiten so bald als möglich zu überprüfen und gegebenenfalls auszubauen. Sie hatte nur noch nicht die richtige Vorstellung an wem sie ihre Versuche durchführen wollte.

      Die Lösung dieses Problems ergab sich allerdings bereits am nächsten Tag.

      Machilla hatte früh am Morgen gejagt und einen jungen Seehund – einen Heuler – erlegt. Sie hatte sich an einer geschützten Stelle in den Dünen ein Feuer angezündet und das Fleisch ihrer Beute gebraten und das Fell von allen Fettschichten gereinigt und so zum Gerben vorbereitet. Aus dem extrem weichen und geschmeidigen Fell des Jungtiers wollte sie sich geeignetes Schuhwerk machen, um sowohl ihre Schwimmhäute zu schützen, als auch die notwendige Bequemlichkeit zu haben, wenn sie an Land unterwegs war. Obwohl sie in ihre Arbeit vertieft war, reagierten ihre Sinne auf die Annäherung anderer Menschen. Da waren zunächst rhythmische Geräusche, das Quietschen von Holz auf Holz, wie es beim Rudern eines Bootes entstehen mochte. Dann der gleichmäßige Atem ziemlich schwer arbeitender Menschen und fast im selben Moment der monotone und sehr leise Singsang eben dieser Menschen. Schon kurz nachdem sie diese Geräusche registriert hatte, konnte sie auch den Geruch der Menschen wahrnehmen und feststellen, dass die Fremden sich der Insel näherten. Machilla richtete sich in dem niedrig wuchernden Piniengestrüpp, das die Dünen bedeckte, ein wenig auf und sah hinaus aufs Meer.

      Richtig, da näherte sich ein kleines Boot, eine echte Nussschale, die mit sechs Männern besetzt war.

      Fischer aus Franca?

      Nein, keine Fischer, eher Abenteurer oder aber Krieger. Schwertträger auf jeden Fall. Allerdings von einem Menschenschlag, der ihr bis zu diesem Tag noch nicht begegnet war. Alle sechs waren unübersehbar von kräftiger, gedrungener Statur und ihre Gesichter waren von dichten, schwarzen Bärten fast vollständig überwuchert. Auf dem Kopf trugen sie Kappen aus Tierfellen und auch ihre Kleidung bestand vollständig aus den Fellen derselben Tierart, wie ihre Kappen. Je mehr sich das Boot dem Strand näherte, desto mehr Einzelheiten konnte sie naturgemäß erkennen und unterscheiden.

      Die Mützen, Jacken und Hosen waren aus schwarzgrauen Wolfsfellen gemacht und von dieser bevorzugten Kleidung hatten sie auch ihren Namen erhalten:

      Polskawölfe.

      Machilla erinnerte sich an Erzählungen am Hof zu Winchester in denen man von diesen Söldnern geredet hatte. Sie kamen weit aus dem Osten des Kontinents, aus dem Land Polonia oder – so nannten sie selbst ihr Land – aus Polska. Ein wildes Land, von dichten Wäldern überwuchert, erinnerte Machilla sich an Berichte und seine Bewohner waren gefürchtet ob ihrer Blutrünstigkeit und ihrer hemmungslosen Gier zu töten. Ebenso gefürchtet aber waren sie auch, weil sie einem uralten Glauben anhingen, der in seinen Grundzügen allerdings erstaunlich viele Ähnlichkeiten mit dem hatte, was Machilla im Auftrag ihres Meisters in Winchester verbreitet hatte.

      Ihr Gott war vor vielen Jahrtausenden von einem kriegerischen Volk an ein Holzkreuz genagelt worden, an dem er aber nur scheinbar gestorben war. Eine ziemlich verworrene Sache, doch, wie gesagt, in den Grundzügen recht nahe an dem, was sie die Botschaft Chrianos genannt hatte.

      Wie kamen Polskawölfe in einem Boot zu dieser einsamen Insel?

      Machilla wollte diese Frage möglichst bald beantwortet haben und dachte sich rasch etwas aus, wie sie unauffällig und ohne Verdacht zu erwecken in die Nähe dieser Männer gelangen konnte. Wer weiß, schoss es ihr durch den Kopf, vielleicht konnte sie an diesen Männern das Prinzip der Hypnose testen und sie zugleich zu Übungspartnern im Schwertkampf machen?

      Die sechs Männer im Boot waren die letzten Überlebenden einer starken Einheit, die von den Anglialbions an der Grenze zwischen Franca und Lusitania postiert gewesen war. Beinahe zehntausend kampferprobte und bergerfahrene Krieger waren sie gewesen und sie hatten sich in den Bergen und Wäldern der Pyrenas sehr wohl, fast wie zu Hause gefühlt. So lange, bis es plötzlich unter den Einheimischen zu knistern und zu brodeln begann. Aus Lisboa war ein Mann in die Berge gekommen, der sich als Bote der lusitanischen Königin Francisca ausweisen konnte und er hatte begonnen, die Bergbewohner aufzustacheln. Die Menschen der Pyrenas gehörten einem eigenen Volksstamm an, den Baskia und, obwohl eigentlich eher phlegmatisch und friedliebend, waren sie unter dem Einfluss aus Lisboa immer mürrischer, unduldsamer und aufsässiger geworden. Dann kam es zum offenen Aufstand und die Anglialbions unter den Anführern der Polskawölfe konnten nicht verstehen, wieso all die Hirten und Bergbauern plötzlich mit erstklassigen Schwertern und sehr weit reichenden Bogen ausgestattet waren, mit denen sie zudem hervorragend umzugehen wussten.

      Von der gesamten Polskagarnison war nicht viel mehr übrig geblieben als die sechs, die jetzt in einem Boot den Strand der Insel Jersey erreicht hatten.

      Ihr Anführer war ehemals auch der Anführer einer Hundertschaft gewesen. Die fünf anderen Männer hatten ebenfalls zu dieser Hundertschaft gehört. Er und seine Krieger waren auf einem vorgeschobenen Beobachtungsposten gewesen, als die Baskiarebellen plötzlich in großen Wellen von den Bergen herunter kamen und alles überrollten, was sich ihnen in den Weg stellen wollte. Er hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt als harten Krieger und gewieften Führer betrachtet, doch die Baskia hatten ihn eines Besseren belehrt. Sie kämpften nicht um des Kampfes willen oder um einen möglichst hohen Sold und einen ebenso großen Beuteanteil zu erhalten. Sie kämpften, weil ihnen bewusst geworden war, was die Anglialbions aus ihrem Land gemacht hatten und noch machen würden. Sie kämpften für ihr Leben, ihre Traditionen und Eigenarten und vor allem für die Zukunft ihrer Kinder.

      Gnadenlosere Gegner konnte man sich nicht vorstellen.

      Es war nicht allein ihre überlegene Bewaffnung und eine unerwartet hohe Disziplin im Kampf. Es war auch die Überraschung, dass diese zunächst so stoischen Menschen plötzlich mit wilder Wut und Leidenschaft zu kämpfen begannen. Einer Leidenschaft, die den Söldnern der Anglialbions die nackte Furcht den Rücken hoch kriechen ließ und dafür sorgte, dass sie unter dem Druck der Angriffswellen den Widerstand aufgaben und die Flucht ergriffen. Dummerweise erhielten sie