Madeleine Abides

Frühstück für Tiffany


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ziemlich genau dem klassischen Schnittmuster eines romantischen Abends entsprochen. Arnold hatte mich mit dem Wagen abgeholt und zu einem exklusiven Restaurant im Taunus chauffiert, das Menü hatte sich auf den überdimensionalen Platten zwar übersichtlich präsentiert, aber doch ganz passabel geschmeckt und beim anschließenden Spaziergang durch die laue Nacht hatte er mir sogar noch zwei oder drei Sternbilder am alles überwölbenden Sternenhimmel erklärt.

      Der Spaziergang muss fast schon unglaubliche zwei Stunden gedauert haben, und danach hatte ich ihm fast alles über mich erzählt, was ich selbst wusste. Über ihn erfuhr ich nicht ganz so viel, aber das war nicht wichtig, denn er war ja bei mir. Dass ich kaum herauskam aus dem Erzählen über mich selbst, lag an einer Eigenschaft, die ihn vor den meisten anderen Männern auszeichnete: Er konnte zuhören!

      Mehr als jeder Mann vor ihm gab er mir das Gefühl, dass er jedes Wort interessant fand, das über meine Lippen kam. So ganz stimmte das vermutlich nicht, aber vielleicht galt sein Interesse ja auch weniger meinen Worten, als den zart geschwungenen Lippen, die sie formten.

      Und wenn?

      Allerdings hatte ich mir vorgenommen gehabt, es an diesem Abend zu nicht mehr als ein paar harmlosen Küssen kommen zu lassen. Wenigstens zu den Küssen war es auch gekommen, nicht zuletzt weil ich mich an passender Stelle an einen Satz erinnert hatte, der sich mir – wie es schien – auf ewig ins Gedächtnis gebrannt hatte:

      „Möchten Sie mich küssen, Herr Kreutzer?“

      Er hatte gewollt – natürlich! –, und ich hatte an seiner ebenso natürlich wie unwiderstehlich wirkenden Technik rasch Gefallen gefunden.

      Bei ihm war das Küssen kein Versuch, den Schlund des anderen mit der Zunge zu erkunden. Eher war es ein Vorwand, eine Frau wirkungsvoll zum Schweigen zu bringen und dann ihren Körper von außen mit der ganzen akribischen Sorgfalt abzutasten, die man wohl in wissenschaftlichen Seminaren und Forschungslaboren erlernt. Zwar hatte ich den Eindruck, dass immer mindestens eine Hand zärtlich mein Haupt unter Kontrolle hielt und dafür sorgte, dass mein Mund seinen leidenschaftlich fordernden Lippen nicht entrinnen konnte. Doch die jeweils andere Hand begab sich um so ungenierter auf Wanderschaft und erkundete Berge und Täler meines Körperbaus, so als müsse er noch in dieser Nacht ein maßstabsgetreues Modell meiner makellosen Figur anfertigen.

      Ich hatte bei allem brav stillgehalten, oder besser: gerade nicht stillgehalten, sondern engagiert und hungrig nach mehr mitgemacht bei den kleinen Neckereien und Kosereien, mit denen er meinen nach Berührung lechzenden Körper verwöhnte. Schade nur, dass seine Hände sich auffallend oft ausgerechnet dann zurückzogen, wenn die gerade bearbeitete Partie meines Körpers so weit gewesen wäre, dass sie sich sehr gerne für weiteres und noch zudringlicheres Begrapschen zur Verfügung gestellt hätte. Das war eigentlich das einzige, was ich Arnold an diesem Abend vorwerfen konnte: Wenn ein Mann solch goldene Hände hat, dann kann er die höfliche Zurückhaltung in einer romantischen Situation wirklich auch übertreiben.

      Nach keinem Mann aus meiner dunklen Vergangenheit hatte sich mein Körper so innig und so schrankenlos gesehnt wie nach diesem, der sich gar nicht alles nahm, was er unter dem Einfluss des Sternenzelts hätte kriegen können. Was ich empfand, erinnerte mich sehr an die überbordenden, mitreißenden Empfindungen, die ich als Teenager erlebt hatte, als ich Schritt für Schritt meine ersten Erfahrungen mit den interessanteren Begleiterscheinungen des Erwachsenwerdens gemacht hatte.

      Das hier war nicht bloß ein weiterer Mann, der vielleicht irgendwann ein bisschen Spaß im Bett bringen konnte – das war eine Herausforderung. Vielleicht sogar meine Bestimmung.

      Je länger der Abend gedauert hatte – und er hatte ziemlich lange gedauert –, desto weniger cool hatte ich es von mir gefunden, es nicht zu mehr kommen lassen zu wollen. Das war nicht cool, sondern etwas ganz anderes.

      Es war echt blöd!

      Vermutlich hätte ich alle guten Vorsätze schon dann sausen lassen, als wir mit ziemlich teurem Champagner auf die vielversprechende Verbindung zwischen angewandter Grundlagenforschung und fortschreitender Anwendung der Grünanlagenverordnung angestoßen hatten. Doch ich hatte nicht vergessen, dass mein Start in diese Sache etwas holprig gewesen war und es gewiss nichts schaden konnte, wenn ich den netten Herrn mir gegenüber noch eine Weile im eigenen Saft köcheln ließ.

      Was ich normalerweise spielend drauf hatte.

      So ganz zufrieden konnte ich aber diesmal damit nicht sein. Denn gemessen an der unbekümmerten Art, in der er sich für den netten Abend bedankt und sich zwar höflich, aber kein bisschen zudringlich verabschiedet hatte, war ich durch meine Zurückhaltung offenbar mehr gestraft als er.

      Das war um so bedenklicher, als bereits ein Telefonat mit diesem Mann gereicht hatte, mich außer Kontrolle zu bringen. Immerhin führte ich jede Woche ein paar Dutzend Telefongespräche, nicht wenige davon mit Männern. Aber normalerweise brachte mich keines davon auch nur in Versuchung, selbst Hand an mich zu legen.

      Bei Arnold war das anders.

      Es war diese Wildheit, die ich in ihm spürte. Er mochte die geschliffensten Umgangsformen haben, die man sich nur denken kann, für mich hatte er unter dieser Schale etwas Animalisches. Und das wiederum hatte etwas ebenso Animalisches in mir geweckt.

      Schön, ich musste zugeben, dass ich vielleicht einen gewissen Nachholbedarf hatte. Es war eine Weile her, dass ich mich von Norbert getrennt hatte, mit dem ich eigentlich nie richtig zusammen gewesen war. Trotzdem war die kurze Zeit mit ihm die letzte Phase, in der ich so etwas wie regelmäßigen Sex gehabt hatte. Seither war Ebbe.

      Und das bekam mir nicht. Kein bisschen.

      Ich hätte mich selbst bestimmt nicht als leichtlebig bezeichnet, aber an Sex hatte ich schon immer viel Spaß gehabt. Je wilder, desto besser.

      Sibylle, eine ältere Freundin, die eigentlich eine Freundin meiner Mutter war, hatte mich mal als ‚lebensfrohes Kind’ bezeichnet. Das hatte sich zu einem Zeitpunkt zugetragen, als ich längst volljährig gewesen war. Je öfter ich darüber nachgedacht hatte, desto klarer war mir geworden, dass die gute Sibylle ihre Bemerkung durchaus auch auf mein lebhaftes Interesse an Männern und an sexueller Betätigung bezogen hatte.

      Ich hatte einfach gern Sex.

      So war es nicht verwunderlich, wenn ich gewisse Entzugserscheinungen verspürte. Die wichtigste bestand darin, dass ich mich sehr danach sehnte, wenigstens einmal probeweise Arnolds heißen, nackten Körper an meinem zu spüren. Das ging so weit, dass ich in der Sache mit ihm anders als sonst noch nicht die Kontrolle übernommen hatte. Weder über die Situation, noch über ihn selbst.

      Der Bursche war aber auch schwer zu kontrollieren!

      Wenn ich in seine Augen sah, wusste ich, dass er die größte Lust hatte, über mich herzufallen. Aber warum tat er es dann nicht? Ich meine: Warum versuchte er es nicht? Denn ich hätte ihn natürlich trotz allem erst einmal eingebremst, wie so viele vor ihm.

      Nicht dass ich ihn am Ende nicht rangelassen hätte. Natürlich hätte ich. Ich war ja selbst so gespannt darauf, wie er sich wohl machen würde, dass ich es kaum noch erwarten konnte.

      Aber für jedes kleine Zugeständnis, für jedes bisschen nackte Haut würde er sich ein bisschen mehr auf meine Regeln einlassen müssen. Und wenn ich ihn erst einmal so weit hatte – nun, dann würden wir schon sehen.

      *

      Meine guten Vorsätze hielten nicht lange vor. Schon am nächsten Tag wusste ich, dass ich den Blödsinn nicht wiederholen würde. Ich würde mich ihm wohl nicht direkt an den Hals werfen, aber das Einnorden auf meine Regeln musste vorerst warten. Erst einmal musste ich rauskriegen, ob er im Bett auch nur halb so gut war, wie ich es mir mittlerweile ausmalte.

      Es ärgerte mich, dass ich es ausgerechnet in diesem Fall, der mir so am Herzen lag, noch nicht geschafft hatte, mir die gewohnt komfortable Ausgangsposition zu verschaffen. Die sich dadurch auszeichnete, dass ich dem Burschen für meine Einwilligung in ein bisschen Sex genau vorschreiben konnte, wie die Sache mit uns zu laufen hatte.

      Es kostete mich keinerlei Überwindung, für einen Kerl das Röckchen zu lüften, sofern