Madeleine Abides

Frühstück für Tiffany


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im Namen der Stadt Frankfurt am Main ganz besonders begrüßen.“

      Nein, so einen Unsinn konnte ich mir nicht mal bei einer vom Steuerzahler durchgefütterten Behörde vorstellen. Was keineswegs heißen musste, dass es nicht so sein konnte. Aber in diesem Fall handelte es sich wohl eher um eine geheime Botschaft, die man vorsichtshalber verschlüsselt hatte. Obwohl es doch in Artikel 3 des Grundgesetzes klipp und klar heißt:

      1  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

      2  Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

      3  Bei gleicher oder irgendwie ungefähr ähnlicher Eignung sind Frauen bevorzugt zu behandeln.

      Vielleicht hatten meine namenlosen Gönner einfach befürchtet, dass die Durchsetzung des dritten Absatzes von irgendeinem kleinlichen Richter gekippt worden wäre, wenn sie die Botschaft nicht verklausuliert hätten. Also sagten sie es mir lieber durch die Blume. Tatsächlich meinten sie:

      „Nee, nee, Mädchen. Mach dir mal keine Gedanken! Ist alles kuschelig für dich vorbereitet, wirst schon sehen!“

      Na schön, von mir aus! Mit Schwerbehinderten auf eine Stufe gestellt zu werden, fand ich zwar irgendwie nicht so prickelnd. Doch wenigstens musste ich mir wegen der gleichen Eignung gar keine Gedanken machen.

      Schon nach fünf Minuten Vorstellungsgespräch war alles klar. Der ganze Tisch der Entscheider – allen voran die Amtsvorsteherin Melina Weber-Schnuckenreuth – war einhellig der Meinung, ich sei nach Abschluss einer längeren Anlernzeit mit Sicherheit gleich geeignet, die mir zugedachte Aufgabe zu übernehmen. Damit war die gleiche Eignung schon mal festgestellt.

      Alle übriggebliebenen Bewerber außer mir waren männlich und Jahre älter als ich. Hatten daher auch viel mehr Berufserfahrung. Da aber einer von ihnen im Rollstuhl angereist und somit automatisch einzustellen war, kam für die einzig verbliebene Stelle praktisch nur noch ich in Frage.

      Tja, Pech gehabt!

      Selber schuld, wenn sie unbedingt Männer sein mussten und gesunde noch dazu. Wären sie wirklich so clever gewesen, wie sie glaubten, hätten sie doch wissen können, dass ein Mann zu sein ein grober Fehler war.

      Da ich so toll für meine neue Aufgabe geeignet war, gestaltete sich mein Übergang in die Erwerbswelt fließend. Das Wichtigste dessen, was ich für die eigentliche Arbeit brauchte, wurde mir im Zuge eines speziell eingerichteten fünfzehnmonatigen Traineeprogramms vermittelt, das sehr abwechslungsreich verlief, gut bezahlt wurde und nicht unbedingt anstrengend war. Und für alles, was nicht gleich klappen wollte, hatte ich danach ja meine Leute, die sich mit all dem lästigen Kleinkram schon länger herumschlugen.

      *

      Ausgerechnet seit der aufregenden Freiheitsberaubung im Zoo hatte es allerdings nicht die kleinste Chance auf einen Auftritt in Uniform gegeben. Dabei hätte ich ihn gerade in meinem Zustand so gut gebrauchen können. Ich fühlte mich furchtbar unausgeglichen, fast gereizt, und es war überhaupt nicht schwer zu erraten, weshalb.

      Das kleine Abenteuer, in das ich tags zuvor hineingeraten war, war am Ende regelrecht versandet. Wir hatten uns weder für ein nächstes Mal verabredet, noch hatten wir auch nur Handynummern ausgetauscht. Vielleicht hatte er gehofft, dass ich etwas vorschlug, während ich umgekehrt erwartet hatte, dass er darauf drängte. Jedenfalls hatten wir uns sang- und klanglos voneinander verabschiedet, und so wusste ich nicht viel mehr als seinen Namen und dass er mittwochs wie ich oft im Zoo anzutreffen war.

      Gut, das würde sicher reichen, um ihn irgendwann mal wieder zu sehen. Nur wann?

      Ich konnte natürlich ein paar Datenbanken bei uns im Amt anzapfen, um mehr über ihn zu erfahren. Aber seit immer mehr vollkommen unbedeutende Leute sich immer panischer dagegen wehren, dass wir in den Ämtern freien Zugriff auf ihre Daten haben, konnte das auch mal Ärger geben. Man konnte als treusorgende Staatsdienerin nie ganz sicher sein, dass nicht später irgend so ein wildgewordener Datenschützer dümmliche Fragen stellen würde, was zwar nie irgendwelche Konsequenzen hatte, aber eben einfach furchtbar lästig war. Deswegen hatte ich mich bereits entschieden, mit dem Anzapfen lieber noch ein wenig zu warten. Was meine Laune allerdings auch nicht grade verbessert hatte.

      Gegen schlechte Laune jedoch – das wusste ich mittlerweile aus Erfahrung – half kaum etwas so rasch und so zuverlässig wie ein Auftritt in Uniform. Es ist ein überwältigendes Erlebnis, dieses unvergleichliche Gefühl der Macht zu spüren, wenn die niedriggeborenen Bürgerlichen vor der Uniform kuschen. Sie würden gerne aufbegehren, das sieht man ihren langen Gesichtern an. Aber sie wagen es nicht, weil die Uniform ihnen sagt, dass sie es mit einer Amtsperson zu tun haben. Und einer Amtsperson ist der Sterbliche nun mal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

      Ja, das wäre jetzt genau das Richtige gewesen, ein paar von denen ein wenig quälen zu können! Nichts Schlimmes natürlich. Nur so viel, dass ihnen der Schweiß auf der Stirn stand und der Widerschein der Ohnmacht in den Augen. Macht über andere zu haben, war einfach wundervoll. Und dass ich dieses Gefühl ausgerechnet jetzt, in diesem Zustand missmutiger Unzufriedenheit mit mir, der Welt und allem übrigen, nicht genießen konnte, machte meine Laune gleich noch ein ganzes Stück schlechter.

      Schon die Nacht über hatte ich unruhig geschlafen, am Morgen war ich nur widerwillig aus den Federn geschlüpft, und dann war ich auch im Amt kaum zur Ruhe gekommen. Die Dienststunden hatten sich so entsetzlich gezogen, dass ich es nur mit eisernem Willen geschafft hatte, bis zum Dienstschluss durchzuhalten. Und selbst das nur, weil ich den Dienstschluss dank eines Hinweises aus der Bevölkerung vorverlegen konnte.

      Zu meinem Aufgabengebiet gehörte nämlich auch die Überwachung von Parks und Grünanlagen, und wenn es einen Hinweis aus der Bevölkerung gab, dass da etwas im Argen lag, musste ich dem natürlich nachgehen. Um so mehr, wenn es ausgerechnet um einen Park ging, in dem ich mit Connie oft eine Extraschleife drehte, und wenn der Hinweis auch noch besonders zuverlässig war, weil ich ihn mir strenggenommen selbst gegeben hatte. Natürlich erwähnte ich solche unwichtigen Details im Amt nicht extra, und ein Mitglied der Bevölkerung bin ich ja wohl ohne Zweifel.

      Schon auf dem Trottoir vor dem Amtsgebäude entschied ich dann, dass die Parkinspektion warten konnte. Wenigstens bis Connie Zeit hatte. Es ist nie gut, wichtige Amtshandlungen ganz allein vornehmen zu wollen.

      Zuhause angekommen warf ich mich erschöpft mit dem Handy aufs Bett, um mich mit ihr zum Joggen zu verabreden. Ich brauchte dringend etwas Bewegung, sowohl körperlich als auch geistig. Mir ging einfach zu viel durch den Kopf. Na ja, so viel eigentlich auch wieder nicht, eher immer dasselbe. Derselbe, genauer gesagt.

      Es gibt kaum eine Beschäftigung, bei der ich meine Gedanken so frei fließen lassen kann wie beim Laufen. Connie geht es ähnlich, und so treffen wir uns zwei-, dreimal die Woche und laufen eine halbe Stunde vor uns hin, reden ein bisschen dabei und anschließend findet sich immer ein Lokal, in dem wir den Flüssigkeitsverlust umgehend wieder ausgleichen können.

      Als ich Connie aus den zuletzt gewählten Nummern herauspicken wollte, fiel mein Blick auf eine Nummer, die mir unbekannt vorkam. Ich wähle prinzipiell keine mir unbekannten Nummern, und wenn ich es doch tue, dann erkenne ich sie hinterher wenigstens wieder. Diese hier nicht.

      Erst mit Verzögerung, dann aber schlagartig, wurde mir klar, weshalb: Das war die Nummer, die Arnold gewählt hatte, diese linke Bazille, als er sich ohne Erlaubnis meines Handys bemächtigt hatte.

      Wen er da wohl angerufen hatte?

      Es interessierte mich zwar überhaupt nicht, und weshalb hätte es das auch tun sollen? Aber immerhin hatte er unerlaubt mein Handy benutzt, da war es doch nur angebracht, wenn ich einer verdächtigen Spur erst einmal nachging. Was ich sonst natürlich niemals getan hätte.

      Also wer war es?

      Wer konnte es sein?

      Garantiert so eine doofe Tussi, mit der er was hatte oder vielleicht gerade was anfangen wollte! Er hatte diese gemein zufriedene Miene aufgesetzt gehabt, als er zu mir zurückgekommen war. Die haben Männer nur dann auf, wenn sie gerade bei einer Frau gepunktet haben. Aber dann immer.

      Also