Madeleine Abides

Frühstück für Tiffany


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du ihn gefragt?“, erkundigte ich mich gespannt.

      „Der hat jetzt ’ne neue Adresse“, antwortete Connie schulterzuckend.

      „Is’ nich’ wahr! Aber du kannst sie doch rauskriegen!“

      „Ich hab sie ja.“

      „Dann nichts wie hin zu dem Kerl!“

      „Geht nicht.“

      „Warum denn nicht?“

      „Weil nur Verwandte Besuchserlaubnis kriegen.“

      „Ist er krank?“

      „Nö.“

      „Sondern?“

      „Er sitzt.“

      Wir waren fast am Filmmuseum, als ich Connie endlich aus der Nase kitzeln konnte, dass der Typ vom Schreibtisch weg verhaftet worden war. Es waren Fotos aufgetaucht, die wohl in einer leerstehenden Wohnung aufgenommen waren, welche er vor einiger Zeit im Kundenauftrag angeboten hatte. Darauf war ein Schulmädchen abgebildet, das in sehr verfänglichen Posen und mit sehr, sehr hochgerutschtem Rocksaum in die Kamera gelinst und mit feuchtem Finger noch viel schlimmere Sachen angestellt hatte.

      Der Makler behauptete nun, dass er von Fotos nie etwas gewusst habe. Er habe einfach den Schlüssel für die Wohnung einer Interessentin zur Verfügung gestellt, die sie mit ihm zusammen bereits besichtigt hatte und nun angeblich noch ihrem Verlobten zeigen wollte. Sowas sei in seiner Branche durchaus üblich, wenn jemand ernsthaftes Interesse an einem leerstehenden Objekt zeige und es terminlich momentan nicht anders zu arrangieren sei. Kein Makler wolle sich einen zeitnahen Abschluss entgehen lassen, bloß weil er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte.

      Natürlich hatten die ermittelnden Beamten sofort durchschaut, dass das alles fadenscheinige Schutzbehauptungen waren. Und hatten ihn nach allen Regeln der Verhörkunst unter Druck gesetzt. Schon erstaunlich, was sich beispielsweise allein mit der Drohung bewirken lässt, zum nächsten hochnotpeinlichen Verhör nur mal so die Ehefrau des Verbrechers vorzuladen.

      Wie sich dann allerdings eher zufällig herausgestellt hatte, war die Interessentin selbst das Mädchen auf den Fotos. Und sie war 22. Sie hatte nur ihren Freund in einer ungewöhnlichen Umgebung mal so richtig scharf machen wollen und sich dafür selbst auf Schulmädchen getrimmt, mit allem Drum und Dran, von neckischen Zöpfen bis zum superkurzen karierten Uniformröckchen. Die Maskerade war ihr wohl ganz gut gelungen, denn bis sie sich nach einiger Bedenkzeit widerstrebend selbst zu erkennen gegeben hatte, waren alle mit dem Fall Befassten der Version vom ruchlos verführten unwissenden Schulmädchen aufgesessen. Offenbar gibt es heutzutage wohl ziemlich viele hilflose Schulmädchen, die in Bezug auf Sex nicht die blasseste Ahnung haben, wo’s langgeht.

      So richtig war der Fall allerdings jetzt gar keine Unzucht mit Minderjährigen mehr. Aber das hatte der Makler ja nicht wissen können. Also konnte er es auch nicht zu seiner Entlastung anführen. Und wen unsere Polizei erst mal wegen so einer richtig schlimmen Sache am Wickel hat, den lässt sie so bald nicht mehr laufen. Außerdem waren mittlerweile auch Kinderschutzbünde und Verbrechensopferringe in den Fall einbezogen, die dafür bekannt waren, auch in aussichtslosen Fällen nicht so schnell locker zu lassen.

      Unterstützt wurden sie vom Hersteller einer landesweit verbreiteten Verpackung für stinkenden alten Fisch, die mit ein paar Bildern nackter Mädchen und vielen sinn- und skrupellos kombinierten Wörtern so lustig bedruckt ist, dass viele Käufer sich Tag für Tag einen Spaß daraus machen, die Fischverpackung wie eine Zeitung zu lesen.

      Doch bei solch kapitalen Verbrechen wie dem Betrachten von Fotos minderjährig aussehender Mädchen konnten die Behörden in der Wahl ihrer Verbündeten nicht kleinlich sein. Wichtig war nur, dass die Missetäter auf jeden Fall hinter Schloss und Riegel blieben, egal ob ihnen zufällig schon etwas nachgewiesen werden konnte oder nicht.

      Wie gut, dass sich wenigstens viele Richter allein von der Schwere des zur Last gelegten Verbrechens leiten ließen und gerade bei derart schlimmen Vorwürfen hinsichtlich der Frage nach stichhaltigen Beweisen nicht allzu kleinlich waren! Dadurch liefen die Winkeladvokaten der Missetäter ganz von selbst ins Leere, auch wenn sie penetrant mit ihrem öden Gefasel von wegen Unschuldsvermutung zu punkten versuchten.

      Und deshalb saß der Ganove noch immer. Auf unbestimmte Zeit. Irgendein Vorwand für die Verlängerung der U-Haft findet sich immer. Und wenn es bloß ist, dass ein Täter auch nach dem zwanzigsten harten Verhör noch immer nicht gestehen will. Weil das ja nur beweist, dass er schon eine Menge solche Schurkereien auf dem Kerbholz haben muss, weil er bei derart schlimmen Vorwürfen sonst niemals so abgebrüht leugnen könnte.

      Gerade dieses hartnäckige Leugnen fand ich allerdings total rücksichtslos von dem Kerl. Da hatte ich mal die Chance, dass mir so eine connection um drei Ecken herum weiterhelfen konnte, auch wenn es so ein schlimmer Krimineller war, und dann musste der ausgerechnet in der Zeit, in der er mal dringend gebraucht wurde, in den Bau wandern. Echt doof!

      So war ich noch immer ratlos, als wir auf dem Rückweg den Holbeinsteg passierten. Das möblierte Zimmer, in dem ich übergangsweise untergekommen war, musste ich räumen, da Sylvia von ihrem Auslandssemester zurückkam und dieses bessere Wohnklo für zwei denn doch zu klein war.

      Ich hatte nur noch ein paar Tage.

      *

      Was die Sache mit Arnold anging, half mir das sogar. Denn dass mir ein Mann so hartnäckig nicht aus dem Kopf gehen wollte, war äußerst bedenklich. Dagegen musste ich etwas unternehmen, und das Problem mit der Wohnung war etwas, worum ich mich zumindest hätte kümmern müssen, auch wenn ich es nicht tat. Oder nicht mit hinreichendem Nachdruck tat.

      Andererseits war ich aber auch sauer. Da hatte ich endlich mal wieder eine Männergeschichte, aus der mehr werden konnte als ein kurzer Testlauf, und dann wusste ich nicht mal, wie lange ich für den Fall der Fälle noch ein Bett bereitstehen hatte. Auf einer Parkbank wollte ich mich ja nun nicht gerade flachlegen lassen. Also, jedenfalls nicht grade beim ersten Mal.

      Ich habe zwar Freundinnen, die gerne mal betonen, Sex allein sei gar nicht so wichtig. Aber ich glaube ihnen kein Wort. Wenn es im Bett nicht stimmt, kann ich mir den Rest doch sparen. Und ob es da stimmt, kriegt man nicht durch den Online-Fragebogen einer Partnervermittlung raus.

      Und deshalb stand Arnold auf der Liste.

      Er wusste vielleicht noch nichts davon, aber es war so gut wie sicher, dass ich ihn testen würde. Dieser Mann reizte mich einfach, und er reizte mich auf eine Weise, die mich in Unruhe versetzte.

      Das mit den gefesselten Händen ging mir nicht aus dem Sinn. Mein Herz klopfte aufgeregt, wenn ich daran dachte, wie sehr ich ihm ausgeliefert gewesen war und welchen Aufruhr das in mir ausgelöst hatte.

      Wenn alles wie sonst gelaufen wäre, hätte ich noch warten müssen. Doch in Bezug auf Arnold Kreutzer lief nichts wie mit anderen Männern.

      Also musste ich etwas unternehmen.

      *

      „Bist du sicher, dass du es noch im Griff hast?“, fragte Connie verhalten, als sie mir nach dem Zahlen im Café elegant die fünfhundert rüberschob, für die wir den Schlenker über den Geldautomaten gemacht hatten.

      Klar hatte ich es noch im Griff. Ich war einfach im Moment ein bisschen klamm, und sobald wieder Geld in den gewohnten Mengen auf meine Konten fließen würde, würde das alles kein Problem mehr sein.

      Bis dahin halfen diese Plastikkärtchen. Auch wenn meinen Exemplaren nicht mehr zu trauen war, so musste doch nur Connie das ihre in so einen Schlitz einführen, und schon war ich wieder für Tage und Wochen sorglos. Deshalb gefiel es mir auch weniger, was ich Connie sagen hörte, während ich das kleine Bündel in meinem Brustbeutel verstaute:

      „Momentan gehen die fünfhundert schon klar. Wäre aber gut, wenn ich sie bald wiederkriegen würde. Mein Konto ist jetzt so ziemlich geplündert.“

      Connie war aber auch ein Original. Sie musste sich doch wegen der paar Scheine keine Sorgen machen. Bei mir doch nicht!

      *