hat >euch< gesagt“, schoss Walgin die Erkenntnis durch den Kopf. „Er geht also davon aus, dass er meine Eltern davon überzeugen wird, mich mitkommen zu lassen“. Dann konzentrierte er sich weiter auf Mingars Worte.
„Ich habe euch noch vieles beizubringen. Ihr müsst eine Menge lernen über die verschiedensten Kreaturen, mit denen ihr es zu tun bekommen könntet. Ich muss euch etwas erzählen über einfache und komplizierte Abläufe der Natur.“
Nun nahm er seinen bedächtigen Rundgang durch die Stube wieder auf und fuhr fort: „Ich muss euch aufklären über natürliche und unnatürliche Vorgänge. Ihr habt zu lernen, wie man sich gegenüber den verschiedensten Lebewesen verhält. Welchen man bedenkenlos gegenübertreten kann und welche man möglichst meiden sollte. Und schließlich muss ich euch das Wichtigste beibringen, das es über diese und andere Welten zu wissen gibt.“
Mit seinen letzten Worten blieb er stehen und sah seine jungen Freunde mit einem Blick an, der gleichzeitig Traurigkeit und Erheiterung beinhaltete.
Die beiden Jungen saßen stumm auf ihren Stühlen, ihre Augen waren auf ihn gerichtet und er konnte aus ihren Mienen nicht lesen, ob sie nun erschrocken waren oder ob ihre Blicke eher freudige Erwartung ausdrückten. Nun ja, vermutlich von beidem etwas, dachte er. Er wunderte sich etwas, weil sie zum Thema „diese und andere Welten“ nicht nachfragten.
Aber dann nahm er wieder auf seinem Stuhl Platz, ergriff den Krug und forderte die beiden auf, es ihm gleichzutun. Sie stießen an und nahmen alle drei einen langen Zug des süßlichen Getränkes. Die lange Unterredung hatte sie alle durstig gemacht.
Nach einigen Sekunden sagte Mingar: „Wir dürfen es als kleines Glück betrachten, dass ihr nicht vollkommen ahnungslos seid. Schließlich habt ihr bereits einige meiner Erlebnisse kennen gelernt und könnt euch zumindest ein klein wenig vorstellen, wie es anderswo zugeht und aussieht. Und ihr wisst zumindest ansatzweise, was ihr von einigen Geschöpfen, von denen ich euch erzählte, zu halten habt.
Erstaunt und mit ungläubigem Blick lehnte sich Walgin mit seinem Oberkörper über den Tisch: “Soll das heißen, dass die Geschichten, die du uns erzählt hast, keine Märchen waren? Willst du damit etwa sagen, dass sie nicht erfunden, sondern wahr sind?“ Es war mehr als deutlich zu erkennen, dass ihm diese Möglichkeit vollkommen abwegig erschien.
Lächelnd verschränkte Mingar seine Arme vor der Brust, lehnte sich zurück und antwortete: „Genau das will ich damit sagen, Walgin. Nichts von all dem, das ich euch erzählte, ist erfunden.“ Die Art, wie Mingar diese Worte hervorgebracht hatte, ließ erkennen, dass sie absolut ernst gemeint waren und es war dem alten Mann vollkommen klar, dass die beiden jungen Burschen diesen Brocken erst zu verdauen hatten.
Bevor sie aber erneut ihre Fragen oder Zweifel einwenden konnten, unterband er dies, indem er sagte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr jetzt einige Fragen an mich habt. Aber wie bereits zu Beginn, muss ich euch auch jetzt wieder auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Verzeiht bitte, aber ich möchte es für diesmal gut sein lassen. Geht jetzt nach Hause, verrichtet, wie gewohnt, euer Tagwerk. Helft euren Eltern, oder was immer ihr zu tun habt und überlegt euch inzwischen, was ihr von mir noch zu wissen wünscht.“
Damit erhob er sich, ging zur Tür, öffnete sie und forderte die Beiden durch diese dezente Art zum Gehen auf. Als sie schließlich an ihm vorbei die Hütte verlassen wollten, hielt er sie noch einmal kurz an mit den Worten: „Ach ja, eine Bitte hätte ich noch. Sprecht bitte nicht mit euren Eltern über das, was wir soeben beredet haben. Ich glaube es ist besser, wenn ich das tue.“ Dann fügte er noch hinzu: „Ich werde ohnehin gleich zu ihnen gehen und sie um ein Gespräch bitten.“
Und dann mehr zu sich selbst: „Ich fürchte, es wird ein ziemlich langes Gespräch werden.“
Damit entließ er sie und sah ihnen noch eine Weile hinterher, als sie schweigend zwischen den mächtigen Bäumen hindurch in Richtung Dorfplatz entschwanden.
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Mingar hatte die beiden Elternpaare für den nächsten Morgen zu sich berufen. Die anberaumte Unterredung hatte bereits den gesamten Vormittag in Anspruch genommen. Nach einer Pause zum Mittag setzte Mingar sie nun am Nachmittag fort. Auch dieser neigte sich bereits dem Abend zu und es war noch kein Ende abzusehen.
Mingar wurde nicht müde, immer und immer wieder die Fragen seiner Diskutanten – allen voran Nawina – zu beantworten. Er hatte alle Mühe, ihnen begreiflich zu machen, dass sie sich damit abzufinden hatten, dass zumindest Nondol dazu auserwählt war, eine Reise anzutreten, die von ungewisser Dauer sein würde. Er hatte ihnen bereits vormittags die Umstände erklärt, die zu dieser Situation geführt hatten und weshalb Sepon seinen Sohn nicht begleiten durfte. Dazu hatten sie sich in etwa die selbe Geschichte anhören müssen, wie die beiden Jungen tags zuvor.
Vor allem Walgins Eltern hatten ein Problem damit, dass ihr Sohn sich freiwillig seinem Freund Nondol anzuschließen gedachte. Einerseits bewunderten sie seine treue Freundschaft und hielten sie auch für edel, ehrwürdig und richtig. Andererseits verzehrten sie sich vor Verlustängsten.
Was, wenn ihrem Sohn etwas zustoßen sollte? Und weshalb sollte er mit auf diese lange Reise gehen? Er hatte mit der ganzen Angelegenheit nichts zu schaffen. Schließlich hatte er seine Freundschaft bereits unter Beweis gestellt und seine Pflicht erfüllt, indem er für Nondol gesorgt hatte, als dieser verletzt im Wald lag. Dann wieder sahen sie Sepon und Nawina an und es wurde ihnen schwer ums Herz, wenn sie sich in deren Lage versetzten.
Mehrmals während der nachmittäglichen Diskussion geschah es, dass Nawina und Ermana sich in den Armen lagen und gegenseitig zu trösten versuchten, wenn eine von ihnen wieder in Tränen ausbrach.
Nondols Eltern hatten zwar Verständnis für Ermanas und Sepons Bedenken, machten aber auch deutlich, wie sehr es sie beruhigen würde, wenn ihr Sohn nicht gezwungen wäre, mutterseelenallein eine derart lange, ungewisse – und möglicherweise gefährliche - Reise antreten zu müssen.
Schließlich einigte man sich darauf, dass man es Walgin überlassen würde, zu entscheiden, ob er nun seinen Freund begleiten wolle oder nicht. Dabei hegte keiner von ihnen den geringsten Zweifel, wie seine Entscheidung ausfallen würde.
Für beide Parteien stellte es nur einen geringen Trost dar, dass die Abreise nicht unmittelbar bevorstand. Auch der Umstand, dass Mingar die jungen Männer ausführlich unterweisen und auf die Gefahren der Reise vorbereiten würde, beruhigte die Eltern nur wenig.
Etwa zwei Wochen, so hatte Mingar geschätzt, würde es wohl in Anspruch nehmen, bis er die beiden Burschen mit dem Wissen ausgestattet hätte, das erforderlich war um sie in die ungewisse Fremde schicken zu können. Während dieses Zeitraumes sollten die beiden Elternpaare tagsüber auf ihre Söhne verzichten, sie von den üblichen Arbeiten befreien und ihnen ermöglichen, die Tage mit ihm zu verbringen.
Der Abend schickte bereits seine dunkelroten Farben über die Wälder, als die beiden Paare schließlich Mingars Hütte verließen und den kurzen Heimweg zu ihren Heimstätten antraten.
Nur noch etwa zwei Wochen, dann würden sie ihre Söhne für lange Zeit nicht mehr sehen, ohne zu wissen, wo sie sich aufhielten und wie es ihnen erging. Nur noch zwei Wochen und sie wären für einen ungewissen Zeitraum alleine in ihren Häusern. Nur noch zwei Wochen und schwere Zeiten würden für sie beginnen.
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Für Walgin und Nondol trat eine bedeutende Veränderung ihres Alltags ein. Bereits kurz nach Tagesanbruch erschienen sie beide in Mingars Hütte und verweilten dort bis Mittag. Dann gingen sie nach Hause und nahmen ihr Mittagsmahl ein, wobei Mingar jeweils einen von ihnen zum Essen begleitete. Man hatte mit den Eltern die Vereinbarung getroffen, dass der „Lehrmeister“ tageweise wechselnd in beiden Familien verköstigt werden sollte.
Nach