V. A. Swamp

Andrea – Liebe ist nicht heilbar.


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Kragen und manchmal auch noch andere Hemdenteile innen und außen unterschiedlich gestaltet. In so was fühle ich mich wohl. Mein Blick fällt auf meine Hände. Eine Maniküre wäre auch nicht schlecht. Rita bestand immer darauf, dass ich das regelmäßig machen lasse. Überhaupt waren ihr bei mir kurze, glatte und gepflegte Nägel extrem wichtig. Auch damit ich sie nicht verletze, wenn ich mit ihrer Pussy oder ihrem Popoloch gespielt habe. Nur mit meinen Fingern und ein paar schmutzigen Worten konnte ich sie oft zum Orgasmus bringen. Am Anfang unserer Beziehung ist Rita oft auf mir geritten und hat dabei ihren Kitzler an mir gerieben. Das hat ihr dann auch zum Orgasmus verholfen. Ein paar Jahre lang war es unser Ehrgeiz, nach Möglichkeit gleichzeitig zu kommen. Irgendwann aber war mit dem Reiten Schluss. Ihr hat das plötzlich keinen Spaß mehr gemacht, und Spaß ist ja bekanntlich das Wichtigste beim Sex. Verdammt Rita, Du fehlst mir so sehr, dass es wehtut. Ich gehe noch einmal die Liste der „Pros“ und „Contras“ durch. Richtig überzeugend ist keine Seite. Soll ich eine Münze werfen? Da fällt mir wieder das Telefongespräch mit Andrea ein. Ich habe ihr versprochen, zu kommen. Ist man an solche Versprechen gebunden? Einklagbar ist so was jedenfalls nicht. Wahrscheinlich fällt es ohnehin nicht auf, wenn ich nicht erscheine. Ach was, ich werde mich heute um „OLYMP-Hemd“ und Maniküre kümmern, basta. Dann werde ich weiter sehen.

      Das mit dem OLYMP-Hemd gestaltet sich schwieriger, als ich dachte. Die Auswahl ist einfach zu groß. Schließlich entscheide ich mich für ein rötlich-braunes Hemd mit feinen dunkelbraunen Streifen. Kragen und Manschetten sind mit einem rot-weißen Pepita-Muster gefüttert. Das Hemd wird gut zu meinem Harris Tweed-Jackett und meiner dunkelgrünen POLO-Cordhose passen. Dazu werde ich meine braunen TODDS anziehen und fertig ist die Laube. Den Flitz mit den Designer-Klamotten hat mir Rita eingepflanzt. Besondere Klamotten waren ihr extrem wichtig. In irgendwelche Billigläden hat sie niemals einen Fuß reingesetzt. Da bin ich schon anders gestrickt. Falls es preisgünstig geht, dann nehme ich die Gelegenheiten wahr. Deshalb liebe ich das Internet, wegen seiner Gelegenheiten und Vergleichsmöglichkeiten. Als ich bei dem Nagelstudio ankomme, lese ich, dass die heute geschlossen haben. So ein Mist! Ich überlege einen Moment, ob ich ein anderes Nagelstudio aufsuchen soll, entscheide mich dann aber dagegen. Ein wenig Feilen muss reichen. Dann mache ich mich auf den Heimweg.

      Heute ist Party-Tag. Andrea und ihre Freunde haben zu 19 Uhr eingeladen. Das heißt, es gibt wahrscheinlich auch etwas zu essen. Ich überlege, ob ich das Auto nehmen soll, entscheide mich dann aber dagegen, weil ich sonst um Alkohol einen Bogen machen muss, da mir mein Führerschein schon wegen des Golfspielens lieb und teuer ist. Mein Golfplatz liegt fast 50 Kilometer entfernt von meiner Wohnung, irgendwo in der Brandenburger Pampas. Da würde ich schlecht mit dem Fahrrad hinkommen. Fahrradfahren finde ich überhaupt doof. Ja, ja, ich weiß, das ist heute nicht mehr politisch korrekt, da sich die meisten Politiker im engagierten Verteufeln des Autos gefallen. Und sich dann mit den dicken AUDIS und BMWs durch die Lande kutschieren lassen. Warum lassen wir Wähler uns das eigentlich gefallen, diese Bigotterie? Passt hier eigentlich der Begriff „Bigotterie“ oder verwendet man den nur im Zusammenhang mit Glaubensdingen? Na, was solls. Jedenfalls würde eine Party ohne Alkohol eher der Jahresversammlung der Blaukreuzler ähneln. Außerdem muss ich mir eventuell die anderen Gäste schön saufen, Andrea eventuell eingeschlossen. Auch gibt es für mich weder gesundheitliche noch religiöse Schranken, die mir den Alkoholgenuss verbieten würden. Ich entscheide mich deshalb für Bus und U-Bahn. Zurück werde ich mir ein Taxi gönnen.

      Die Adresse habe ich gegoogelt. Streetview hat mir ein leicht verschwommenes, aber anscheinend sehr imposantes Wohnhaus gezeigt – in Britz! Kann aber auch eine pompöse Villa sein. Google-Maps zeigt mir einen Garten mit beachtlichen Ausmaßen. Bin ich schon jemals in dieser Gegend gewesen? Immerhin gibt es eine U-Bahn Station in der Nähe. Rita hat U-Bahn-Fahren gehasst. Ich mag U-Bahn-Fahren. Man sieht dort immer, wie bunt unsere Stadt ist. Na ja, zugegeben, einige Fahrgäste sind ganz schön gruselig, aber das gehört eben dazu. Um diese Zeit ist die U-Bahn ganz schön voll, aber ich habe einen leidlich bequemen Sitzplatz ergattert. Mir gegenüber sitzen zwei sehr abgefahrene Typen. Besonders der mit den vielen Tattoos und Piercings fasziniert mich. Ob er seinen Schwanz auch tätowiert hat? Falls ja, das würde ich mir gerne anschauen. Da fällt mir der Witz mit dem Seemann ein. Ich meine den, der im Krankenhaus war. Als er kurz vor der Entlassung stand, fragte ihn die Krankenschwester, was die merkwürdigen Kürzel auf seinem Penis bedeuten: „RUMBALOTTE“. Der Seemann grinste. Dann lüftete er das Geheimnis. Im erigierten Zustand sei zu lesen „Ruhm und Ehre der Baltischen Flotte“. Gab es überhaupt jemals eine „Baltische Flotte“? Ich muss das unbedingt einmal googlen. Besonders faszinierend bei meinem Gegenüber sind die Ohrläppchen. In denen stecken schwarze hohle Ringe. Also nicht die üblichen Ohrstecker, sondern man hat die Ohrlöcher solange gedehnt, bis diese Ringe hineingepasst haben. Richtige Durchfahrten hat der Typ in seinen Ohrläppchen, unglaublich. Ich hole, etwas verstohlen, mein iPhone heraus und google „Mann Ohrschmuck“. Mit ein paar Clicks werde ich fündig. Das, was der Typ mir gegenüber trägt, heißt „Flesh Tunnel“. Klingt schrecklich: „Fleisch-Tunnel“. Igitt! Nach Wikipedia sind solche extrem gedehnten Ohrlöcher keine neue Erfindung. Die bisher ältesten nachgewiesenen Ohrlöcher dieser Art wurden bei der 1991 entdeckten Gletschermumie Ötzi aus der Jungsteinzeit, also etwa 3.359 bis 3.105 vor Christus, nachgewiesen. Es heißt, dass Ötzi etwa sieben bis elf Millimeter gedehnte Ohrlöcher besessen habe. Ich kann es schlecht einschätzen aber ich glaube, die Durchmesser meines Gegenübers sind noch größer. Sicher bin ich mir aber nicht.

      Die beiden Typen sind bei der letzten Station ausgestiegen. Die anderen Mitreisenden in meinem Blickfeld sind nicht so interessant. Ich kann mich jetzt auf das vor mir liegende Event konzentrieren. Wie wird Andrea aussehen? Ist sie auseinandergegangen wie eine Hefekuchenteig? Haben sich die Falten ihres gesamten Gesichtes bemächtigt? Sieht ihr Mund aus wie ein Faltenrock und ihr Hals wie der eines Truthahnes? Ich bemerke, dass ich mich unwillkürlich mit dem Rücken ganz fest in den Sitz presse, so als wollte ich auf diese Weise vor den schrecklichen Bildern ausweichen, die auf einmal vor meinem geistigen Augen vorbeiziehen. So ein Blödsinn. Vielleicht wird es ein netter Abend und falls nein, dann bringt mich die U-Bahn ganz schnell von Britz nach Kreuzberg. Da gibt es inzwischen jede Menge angesagter Kneipen, hat man mir zumindest erzählt. Kreuzberg steht schon lange auf meiner Agenda, aber aufgerafft zu einem Besuch habe ich mich seit Ritas Tod noch nicht.

      Das Haus macht von außen richtig Eindruck. Tatsächlich ist es ein ganz schöner Klotz. Seine Fassade erinnert mich an ein Haus im alten Süden der USA, in dem Rita und ich vor langer Zeit einmal einen wundervollen Urlaub verbracht haben. Mir fällt der Name des Ortes nicht ein, aber der Bundesstaat war bestimmt Louisiana. Gut, die Säulen rechts und links vom Eingang waren in den USA noch wesentlich eindrucksvoller, aber die Fenstersimse und die Haustür weisen eine gewisse Ähnlichkeit auf. Ein solches Haus in Britz? Das ist schon reichlich ungewöhnlich. Ich habe wohl Britz unterschätzt. Für mich war das bislang eine eher groß gewordene Laubenpieperkolonie und nichts, wo man wohnen möchte. Schon die Entfernung zur City hat mich bislang davon abgehalten, mich mit Britz zu beschäftigen. Ich muss erst gar nicht nach einer Klingel suchen, das Eisentor vorne an der Straße und die Haustür stehen weit offen. Mich empfängt moderater Partylärm. Im Eingangsbereich stehen ein paar Gäste eher gelangweilt herum. Ich sage höflich „Guten Abend“ und frage mich, ob einer der Gastgeber darunter ist. Andrea ist es vermutlich nicht. Die würde ich doch erkennen, oder?

      Im Haus selber scheint es keine Aktivitäten zu geben, aber hinter dem Haus erstreckt sich ein riesiger Garten. In der Mitte befindet sich eine große Rasenfläche, die lediglich durch ein paar Obstbäume unterbrochen wird. Den Rasen hat man wohl erst kürzlich geschnitten, aber die Bäume machen einen eher ungepflegten Eindruck. Dort, wo der Rasen aufhört, stehen hässliche Büsche und etwas, was wie verwildertes Gemüse aussieht. In diesem Garten hat schon lange kein grüner Daumen mehr gewirkt. Eine Menge Leute stehen in kleinen Grüppchen herum und quatschen. Ich habe schon eine Menge Geburtstagsfeiern miterlebt, aber das hier übertrifft, was die Anzahl der Gäste angeht, wohl alles bislang Erlebte. Hinten nahe der Grundstücksgrenze hat ein Discjockey seine Technik aufgebaut. Derzeit kommt von dort moderate Hintergrundmusik, wahrscheinlich will man zunächst den Gästen Gelegenheit geben, sich kennenzulernen, ohne dass die sich anbrüllen müssen. Sehr rücksichtsvoll! Ich gehe an den Besuchergrüppchen vorbei in der Hoffnung, irgendwo Andrea oder sonst ein bekanntes Gesicht zu