Norbert Rogalski

Qualifiziert und ausgemustert: Wie ich die DHfK erlebte


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und ihre Funktionäre waren legitimiert, bestimmte Probleme mit den Lehrkräften und mit der Direktion zu besprechen und mit zu entscheiden, die das Studium und andere Lebensumstände des Studienalltags betrafen. Sie hatten demokratisches Mitsprache - und Stimmrecht bei der Zuerkennung oder Ablehnung von Leistungsstipendien. Vertreter der Studierenden als FDJ-Mitglieder wurden in den Senat, in den Wissenschaftlichen Rat und in weitere Leitungsgremien der Hochschule gewählt und waren in dieser Eigenschaft stimmberechtigt. Die FDJ-Gruppe wirkte auch als Motor bei der Bewältigung von Studienaufgaben, indem sie sich besonders jenen Studenten zuwandte, die Schwierigkeiten im Studium hatten, ihnen Hilfe anboten und sie dann auch organisierte. Ein festes Kollektiv bildete sich heraus. Während der gesamten Studienjahre gehörte die FDJ-Gruppe einfach dazu, sie hatte ihren festen Platz im studentischen Leben gefunden. Kaum lehnten Studenten den Jugendverband in seiner Wirksamkeit ab oder beteiligten sich nur begrenzt an seiner Arbeit. Diese Auffassung gründet sich auch auf Erlebnisse und Erkenntnisse meines Hochschulstudiums, wo die FDJ die gleiche Funktion erfüllte wie an der ABF.

       In den ersten Wochen des Studiums wurden wir neu immatrikulierten Studenten mit der Hochschulsportgemeinschaft (HSG) der DHfK, ihren Sektionen und ihrer Arbeitsweise bekannt gemacht mit dem Ziel, uns für eine Mitgliedschaft in der HSG zu gewinnen. Sie war im Prinzip mit einer Betriebssportgemeinschaft (BSG) gleichzusetzen, die Hochschule war in diesem Fall der Träger. Da alle Seminargruppenmitglieder vor dem Studium eine Sportart aktiv betrieben hatten, war es in der Regel folgerichtig, Training und Wettkampf in der HSG fortzusetzen. Die meisten meiner Studienkollegen entschieden sich für eine Mitarbeit in der HSG, obwohl es keine Pflicht gewesen ist, einige blieben Mitglied ihrer BSG in den Heimatorten. Ich erhielt eine Einladung für ein Probetraining der Sektion Fußball. Wie etwa 30 bis 40 weitere ABF-Studenten fand ich mich auf der Festwiese dazu ein. Die Leiter dieses Auswahlprozesses waren Lehrkräfte des Institutes für Sportspiele der DHfK, Ernst-Günter Degel und Herbert Klemig. Meine Fertigkeiten als Fußballspieler waren ausreichend, um in eine neu aufzubauende HSG-Mannschaft, die vorrangig aus ABF-Studenten bestehen sollte, aufgenommen zu werden. Überrascht wurde ich von der Tatsache, dass die Studenten, die in einer Sektion der HSG trainierten und Wettkämpfe bestritten, eine etwas bessere Vollverpflegung in der Mensa erhielten, ohne eigene zusätzliche Kosten. Mit einer Bescheinigung vom Sektionsleiter und Trainer erhielten wir HSG-Sportler andersfarbige Essenmarken, die zum Empfang dieser gesonderten Verpflegung berechtigten. Wie lange diese Regelung in Kraft war, kann ich rückschauend nicht mehr sagen. Unsere Mannschaft nahm am Wettspielbetrieb im Rahmen der in Leipzig existierenden Leistungsklassen teil. Außer Spielkleidung und Fahrgeld für die Straßenbahn oder den Bus konnte uns die HSG keine weiteren Mittel zur Verfügung stellen. Wir waren im echten Sinne Amateure. Unser Leistungsniveau reichte, um in den Stadtklassen in Leipzig zu bestehen. Nur einmal in der Woche wurde trainiert, mehr war unter den Studienbedingungen nicht möglich. Oftmals kam es zu Missverständnissen mit unseren Gegnern in der Stadt. Sie waren der Meinung, die Fußballmannschaften der DHfK trainieren unter professionellen Bedingungen. Verschiedentlich bestand in Leipzig in dieser Zeit die Auffassung, an der DHfK werden Sportler auf hohe sportliche Leistungen für nationale und internationale Wettkämpfe vorbereitet. Der Sportclub der DHfK wurde mit der akademischen Ausbildungsstätte DHfK anfangs verwechselt. Aus diesem Grunde wurde uns manchmal zugerufen: „Jetzt kommen die Profis!“. Das Gegenteil war der Fall. Unsere Gegner gehörten überwiegend zu großen Betriebssportgemeinschafen der Stadt mit erheblich besseren Bedingungen und Förderungsmaßnahmen als in der HSG der DHfK. Mit dieser Problematik mussten wir und alle weiteren Generationen von Sportstudenten der DHfK fertig werden. Das Argument, an der DHfK würden nur Profis Sport treiben, hat aus Einsicht in die tatsächlichen Gegebenheiten und durch Aufklärung in der Bevölkerung schrittweise abgenommen und war später nur noch selten zu hören. Bei Heimspielen, die wir auf einem Fußballplatz austrugen, wo jetzt die Mehrzwecksporthalle „Arena“ steht, waren nur wenige Zuschauer, meistens Studenten anwesend. Dazu gehörte fast ständig ein Herr Edgar Külow, damals Kabarettist an der Leipziger Pfeffermühle. Er wohnte im Leipziger Waldstraßenviertel und erheiterte mit seinen frechen Sprüchen alle Anwesenden. Es war eine Freude, ihm zuzuhören, er entwickelte eine besondere Beziehung zu uns Studenten.

       Unmittelbar erlebten wir auch die Fertigstellung des Zentralstadions. Wenn wir auf der Festwiese oder auf der Nordanlage den Sportunterricht und das Training absolvierten, waren wir unmittelbar Zeuge, wie ein LKW nach dem anderen mit Trümmergestein von den zerbombten Häusern der Stadt im 2. Weltkrieg auf das ovale Stadionrund fuhr, um die entsprechenden Wälle weiter aufzuschütten und die erforderliche Höhe zu erreichen. Das war vor allem Ende des Jahres 1955 und im ersten Halbjahr 1956 der Fall. Zum II. Deutschen Turn- und Sportfest der DDR vom 2. bis 5. August 1956 sollte das Stadion nutzbar sein. Für die Bauarbeiter war es ein Wettlauf mit der Zeit. Wie bei allen Großbauten in der DDR und generell üblich, wurden die Bürger zu freiwilligen Arbeitsstunden am Bau des Stadions aufgerufen. Die Resonanz war groß, die Leipziger wollten ihr Zentralstadion! Es sind einige Hunderttausend Stunden für diese Arbeitseinsatze zusammen gekommen, wie in der Presse später berichtet wurde. Auch wir Studenten beteiligten uns aktiv daran. Mehrere Tage und an Abenden haben wir mit Hacke, Spaten und Schaufel bei Erd - und mit Transportarbeiten geholfen, das Stadion zum Termin fertig zu stellen. Mehrmals stand ich in den folgenden Jahren bei Sportveranstaltungen auf der Terrasse des Hauptgebäudes und musste immer wieder daran denken, dass die Bodenplatten, auf denen ich stand, von unserer Seminargruppe transportiert und an jene Stellen gebracht worden sind, wo sie dann von Fachleuten verlegt worden sind.

       Aktiver Teilnehmer im Übungsverband der DHfK beim II. Deutschen Turn-und Sportfest war ich nicht, meine turnerischen Leistungen reichten nicht aus, um aufgenommen zu werden. Ich bekam eine Aufgabe als Führer in der Ausstellung zum „Sport in Vergangenheit und Gegenwart“, die parallel während des Festes in einer Messehalle gezeigt wurde. An diese Aufgabe denke ich nicht nur teilweise gern zurück. Mein Kenntnisstand auf dem Gebiet der Geschichte der Körperkultur und des Sports war zu diesem Zeitpunkt noch unzureichend, nur mit einem kurzen Lehrgang wurden wir als Ausstellungsführer darauf vorbereitet. Oftmals bin ich von Besuchern der Ausstellung auf ihre Anfragen hin in Gespräche verwickelt worden, wo ich merkte, der Materie nicht ganz gewachsen zu sein und unsicher wirkte. Daran musste ich während des Hochschulstudiums oft denken und nahm das Studienfach „Geschichte der Körperkultur“ auch aus diesem Grund sehr ernst.

       Mit der Fertigstellung des Zentralstadions im Sommer 1956 war nun die Möglichkeit gegeben, auch Fußball-Länderspiele und andere bedeutende Fußballvergleiche von Vereins- und Clubmannschaften in Leipzig durchführen zu können. Am 6. Oktober 1956 kam es zur Begegnung zwischen dem damaligen Meister der DDR „SC Wismut Karl-Marx-Stadt“ und dem BRD-Meister „1. FC Kaiserslautern“. Oftmals hörte man die Auffassung: „Wer dieses Spiel gewinnt, der ist der wirkliche Deutsche Meister im Fußball“. Abgesehen davon, dass die Leistung der Mannschaft aus Kaiserslautern stärker eingeschätzt werden musste, da sie 5 Spieler der Weltmeistermannschaft von 1954 aufbieten konnte, steckte hinter dieser Aussage ein Stück Realität, das bevorstehende Spiel unter einem solchen Gesichtspunkt zu betrachten. Völlig abgebrochen waren die Kontakte zwischen den Sportleitungen der beiden deutschen Staaten noch nicht, wie an anderer Stelle bereits erwähnt wurde. Neben noch stattfindenden gesamtdeutschen Meisterschaften in einigen Sportarten hatte man sich gerade geeinigt, Sportler der DDR und der BRD für gemeinsame Mannschaften für die Olympischen Sommer-und Winterspiele 1956 zu nominieren, um damit auch einen Beschluss des IOC zu realisieren. So bekam dieses Fußballspiel eine große sportliche und politische Brisanz. Das Zentralstadion in Leipzig, das bis zu 100.000 Zuschauern Platz bot, hätte für dieses Spiel 300.000 und mehr Plätze haben können. Die Nachfrage, Augenzeuge dieses Spiels zu sein, war vom Thüringer Wald bis zur Ostseeküste riesengroß. Fußballanhänger wollten die Weltmeister, die Gebrüder Walter, Eckel, Kohlmeyer und Liebrich, auf dem Spielfeld selbst agieren sehen. Aber man vertraute auch auf die Leistungsstärke des DDR-Meisters, Wismut-Karl-Marx-Stadt, mit Willi Tröger an der Spitze, der renommierten Mannschaft aus der BRD ein gleichwertiger Gegner zu sein. Wir Studenten hatten kaum eine Chance, im freien Verkauf eine Eintrittskarte für dieses Spiel zu erhalten. Während einer Unterrichtsstunde an der ABF holte plötzlich unser Seminarbetreuer eine Eintrittskarte aus der Tasche und stellte die Frage: „Wer von ihnen möchte diese Karte besitzen ?“ Bald klärte sich die Frage auf, indem er uns mitteilte, sie gehöre der gesamten Seminargruppe. Die ABF der DHfK hatte eine bestimmte Anzahl von Eintrittskarten erhalten.