sich mit Freude tat, empfand ich die Arbeit nicht als Belastung und bekam als Anerkennung für die Leistung am Wochenende Milch, Brot, Eier u.ä., manchmal auch zusätzlich Geld. Meine Mutter freute sich darüber, da sie als Schneiderin den Lebensunterhalt für sich und mich mit Näharbeiten bei mehreren Familien der einheimischen Bevölkerung verdiente. Das Entgeld dafür war sehr gering. Sie besaß in diesen Jahren noch keine eigene Nähmaschine und war deshalb gezwungen, die Arbeiten tagsüber in den Wohnungen der Kunden auszuführen. Auf meinen Tagesablauf nahm meine Mutter selten Einfluss, es war auch kaum erforderlich, größere Probleme bereitete ich ihr nicht, wie sie mir später erzählte. Die einheimische Bevölkerung, soweit religiös gebunden, war ausschließlich protestantisch, damit auch ihre Kinder. Es gab eine evangelische Kirche und einen Gemeindepfarrer. Erst durch die Flüchtlinge kamen Familien mit katholischer Konfession hinzu. Die Kinder der Katholiken suchten mit Hilfe ihrer Eltern die kirchliche Bindung außerhalb des Dorfes. Alle Schüler evangelischen Glaubens, zu denen auch ich gehörte, besuchten während des 8. Schuljahres den Religionsunterricht in Vorbereitung auf die Konfirmation, die im April 1949 für unseren Jahrgang stattfand. Der Religionsunterricht war nicht Bestandteil des Stundenplanes der Schule, die Trennung von Staat und Kirche war bekanntlich Verfassungsgrundsatz in der DDR und vor der Gründung der DDR bereits vollzogen. Da ich getauft wurde, musste ich auch konfirmiert werden. Es war allgemeine Praxis, dass die Grundschulzeit (damals 8 Schuljahre) mit der Konfirmation für alle Schüler abschloss, auch wenn Eltern und Kinder keine aktiven Christen waren und nur formal der evangelischen Kirche angehörten. Ich wurde im Jahre 1949 konfirmiert und damit in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen, wie es von der Kanzel und den Eltern immer wieder betont wurde, ohne zu verstehen, was diese Feststellung eigentlich bedeuten sollte. Meine Konfirmationsfeier nach dem kirchlichen Akt war den Möglichkeiten, die meine Mutter damals besaß, angemessen. Ich habe sie als sehr schön im Gedächtnis behalten und war meiner Mutter stets dankbar für das, was sie für meine Kleidung sowie für Speisen und Getränke zu diesem Anlass herangeschafft hatte. Zu den Gästen zählten auch einige Verwandte, die wir inzwischen über Suchdienste aufspürten, die ebenfalls Schlesien im Januar/Februar 1945 verlassen mussten. So war die Familie erstmals nach Jahren wieder zusammen, bis auf jene Familienangehörige, die den Krieg nicht überlebt hatten, in Gefangenschaft waren oder noch nicht gefunden werden konnten. Eine weitere bedeutsame Phase meiner Entwicklung begann nach der Grundschulzeit. Obwohl mir die Lehrer vorschlugen, die Oberschule zum Erwerb des Abiturs zu besuchen, da ich die Grundschule mit der Note „gut“ abgeschlossen hatte, lehnte ich diese weiterführende Ausbildung ab. Meine Mutter akzeptierte meine Auffassung auch unter dem Gesichtspunkt, dass noch weitere 4 Jahre Schulzeit zwar nicht allzu viel Geld für sie kosteten, aber doch ein eigener Verdienst durch mich über mehrere Jahre ausgeschlossen wäre. Mein Wunsch war es, Tischler zu lernen. Mit der Freude auf diesen Beruf war auch der Gedanke verbunden, schon während und besonders nach der Lehrzeit Möbel für unsere Wohnung selbst herstellen zu können, was auch in der Tat nach dem 3. Lehrjahr Wirklichkeit wurde. Bis dahin verfügten wir nur über geliehene oder geschenkte Möbelstücke von der einheimischen Bevölkerung. In den ersten Jahren nach dem Krieg konnte man nur in Ausnahmefällen neue Möbel kaufen. Ich bekam eine Lehrstelle als Möbeltischler im Herbst 1949 bei der privaten Tischlerfirma Bernhard Krüger in Bleicherode, die 5 Gesellen und 4 bis 5 Lehrlinge beschäftigte. Es war eine Kleinstadt mit etwa 8000 Einwohnern, durch meine Mitgliedschaft in der BSG „Aktivist“ im gleichen Ort bereits gut bekannt. Öffentliche Verkehrsmittel gab es noch nicht, die Arbeitsstelle musste mit dem Fahrrad erreicht werden. Die Lehrzeit war ausgefüllt mit einer qualitativ guten handwerklichen Ausbildung und parallel dazu mit dem Besuch der Berufsschule. Meister und Gesellen stellten gegenüber den Lehrlingen hohe Forderungen, achteten auf Arbeitsdisziplin, waren aber gleichzeitig auch sehr tolerant. Es bestand eine gute Arbeitsatmosphäre. Sowohl der Meister als auch die Gesellen hatten eine von den Kriegserlebnissen geprägte Lebenserfahrung, alle waren Soldaten der Wehrmacht gewesen und kehrten aus unterschiedlicher Kriegsgefangenschaft in das zivile Leben zurück, so schnell konnte sie nichts erschüttern. In den Frühstücks- und Mittagspausen erlebte ich das erste Mal ernsthafte politische Diskussionen zwischen den Gesellen über den Sinn des Krieges, über den verlorenen Krieg Deutschlands und wer daran Schuld war, sowie über die Entwicklungen in der sowjetischen Besatzungszone und nach der Gründung der DDR. In Erinnerung sind mir sehr kontroverse Auffassungen geblieben, vor allem solche Streitgespräche, wenn der Meister daran teilnahm, der Mitglied der LDPD war und im Kreistag eine Funktion ausübte. Nach der 3-jähriger Lehrzeit, die mit einer theoretischen und praktischen Facharbeiterprüfung – sprich Gesellenprüfung – und mit „gut bestanden“ endete, bekam ich vom Meister das Angebot, weiter in seiner Firma als Geselle zu arbeiten, was ich mit Freude annahm. Als Stundenlohn, und das war Tarif zu dieser Zeit, standen 0,99 Mark der DDR im Arbeitsvertrag. Das war schon erheblich mehr als 10 bis 13 Mark Lehrlingsentgelt wöchentlich in den vergangenen 3 Jahren. Mit etwa 160 Mark Netto im Monat konnte ich damit zum gemeinsamen Haushalt mit meiner Mutter schon besser beitragen oder an den Kauf von Kleidungsstücken vom eigenen Verdienst denken. Ich hatte mich gedanklich darauf eingestellt, in und mit diesem Beruf meine Perspektive zu sehen und den zukünftigen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Doch im Jahre 1952 kam plötzlich eine entscheidende Wende. Wie an anderer Stelle bereits betont, hatte ich eine enge Beziehung zum Fußballsport und zum Sport überhaupt, die sich von Jahr zu Jahr festigte. Ich spielte während meiner Lehrzeit bereits in der A-Jugendmannschaft Fußball in der BSG „Aktivist“, später „Glück auf“ Bleicherode, die der Sonderliga-Staffel des Landes Thüringen angehörte. Die Mehrheit der Spieler waren Schüler der hiesigen Oberschule. Wir hatten ein ansprechendes spielerisches Niveau und stellten langfristig den Nachwuchs für die Männermannschaften. In der Sektion Fußball dieser BSG war zu dieser Zeit ein hauptamtlicher Fußballtrainer tätig, der vom Volkseigenen Kaliwerk bezahlt wurde. Er hieß Martin Schwendler. In den 60er Jahren trainierte er die Fußballoberligamannschaften von „Rotation“ Leipzig und „Turbine“ Erfurt. In Bleicherode leitete er das Training der 1. und 2. Männermannschaft sowie der A – Jugend und betreute diese Mannschaften bei den wöchentlichen Wettspielen. Martin Schwendler war mein erster offizieller Trainer. Zweimal wöchentlich nach der Arbeit oder anderen Verpflichtungen wurde trainiert. Ich wurde das erste Mal mit einem systematischen Training konfrontiert, mit den Problemen von Belastung und Erholung, mit taktischer Wettkampfvorbereitung, mit sportlicher Disziplin und Kollektivität in einer Mannschaftssportart. Erst Jahre später, als ich selbst eine sportwissenschaftliche Ausbildung absolviert hatte, konnte ich beurteilen, welch starke Motivation der Trainer durch seine pädagogische Tätigkeit bei mir auslöste, die mit dazu führte, selbst eine solche berufliche Entwicklung ins Auge zu fassen. Neben der Arbeit in der Tischlerei konzentrierte ich mich besonders auf das Fußballspiel. Die Woche konnte nicht schnell genug vergehen, um wieder die Sporttasche zu packen und einem Punkt - oder Freundschaftsspiel am Wochenende entgegen zu sehen. Unannehmlichkeiten, die das Leben Anfang der 50er Jahre noch mit sich brachte, wurden durch die Freude am sportlichen Geschehen überdeckt und somit kaum wahrgenommen. Der Trainer wurde auf mich und einige andere Sportfreunde besonders aufmerksam. Unsere Leistungen im Training und Wettkampf mussten wohl etwas über dem Durchschnitt gelegen haben. Kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres wurden zwei weitere Sportfreunde und ich aus der A–Jugend in den Kreis der Männermannschaften aufgenommen. Wir trainierten mit den Spielern der 1. und 2. Mannschaft unter kritischer Beobachtung des Trainers. Gelegentlich wurden wir auch schon in diesen Mannschaften eingesetzt und nahmen an Trainingslagern teil. Ich glaubte, an eine erfolgreiche weitere Entwicklung als Fußballspieler. Diese Gedanken gingen sicher auch in eine etwas überhebliche Richtung. Die Entscheidung des Trainers, praktisch schon zu den Männermannschaften zu gehören, war mit der berechtigten Forderung verbunden, mindestens dreimal wöchentlich ab 14.00 Uhr am Training teilnehmen zu können. Das konnte ich aber nicht erfüllen, da die Arbeitszeit in der Tischlerei erst um 16.30 Uhr beendet war. Obwohl der Besitzer der Firma eine starke Bindung zu den Fußballmannschaften in Bleicherode hatte, den Heimspielen als Zuschauer beiwohnte, konnte und wollte er mich für das Training am Nachmittag von der Arbeit nicht freistellen. Vom Trainer kam der Vorschlag, die Arbeit als Tischler aufzugeben und eine Beschäftigung im Trägerbetrieb der BSG, im Kaliwerk, zu beginnen, da mit diesem Wechsel der Arbeitstelle die Trainingsteilnahme ab 14,00 Uhr geregelt werden konnte, ohne finanzielle Nachteile meinerseits. Bereits Anfang der 50er Jahre in der DDR wurde die Entwicklung zur Unterstützung und Förderung der aktiven sportlichen Betätigung eingeleitet und begonnen, die in den folgenden