Norbert Rogalski

Qualifiziert und ausgemustert: Wie ich die DHfK erlebte


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aufgeteilt wird, die aber mit dem besetzten Territorium der vier Armeen zum Zeitpunkt der Kapitulation Deutschlands nicht identisch waren. Für den Kreis Nordhausen und damit auch für unser Dorf war die sowjetische Besatzung vorgesehen. Der Wechsel von der US-Armee an die Sowjetarmee fand Anfang August 1945 statt, den ich unmittelbar miterlebte. Für die Bürger des Ortes war es ein besonderes Ereignis. Auf einer Straßenkreuzung vor der Schule wurde das Dorf an die neuen Besatzer übergeben. Nachdem alle größeren amerikanischen Fahrzeuge Richtung Westen abgezogen waren, stand noch ein Jeep mit einem US-Offizier in Warteposition. Wenige Minuten später näherte sich ein Offizier der Sowjetarmee auf einem Pferd. Mit militärischen Grußerweisungen und wenigen Worten, die beide Offiziere wechselten, die anwesenden Bewohner jedoch nicht verstanden, wurde das Dorf an die Sowjetarmee übergeben. Der Jeep fuhr davon. Der Kreis Nordhausen und somit auch unser Dorf war damit in wenigen Minuten sowjetische Besatzungszone mit einer anderen politischen Grundorientierung als vorher unter der Besatzung der Amerikaner. Nur etwa 10 km von Lipprechterode entfernt in nord-westlicher Richtung befand sich die Demarkationslinie zwischen den Besatzungstruppen, die spätere Staatsgrenze der DDR zur BRD. Diese an sich geringe Entfernung trennten mich als Kind von der Tatsache, in der sowjetische Besatzungszone und in der DDR weiter aufgewachsen zu sein und nicht unter dem Einfluss der kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland. Meine politische und berufliche Entwicklung wäre wahrscheinlich in wesentlichen Teilen anders verlaufen, wenn der Flüchtlingstransport im Februar 1945 nicht im Kreis Nordhausen, sondern 10-15km weiter westwärts im Südharz in einer Ortschaft gehalten hätte, die zum Territorium für die Besetzung durch die westlichen Alliierten vorgesehen gewesen ist. Lebensweg sowie Denken und Handeln der Menschen sind immer von bestimmten Gegebenheiten, vom gesellschaftlichen und sozialen Umfeld weitgehend abhängig. Das ist die immer wieder diskutierte Problematik unterschiedlicher Biografien der Bürger der DDR und der BRD, die in entscheidendem Maße von den politischen Staatsformen und ihren Zielen geprägt worden sind. Doch werden die Biografien der ehemaligen DDR-Bürger in der erweiterten Deutschen Bundesrepublik seit 1990 von der politischen Führungsschicht der BRD nur in ihren offiziellen Reden zwar akzeptiert, aber es werden keine praktisch-politischen Konsequenzen aus dieser Tatsache gezogen. Ich habe es stets als glücklichen Zufall betrachtet, im Kreis Nordhausen, nur wenige Kilometer von der Grenze zur BRD auf dem Boden der späteren DDR wieder sesshaft geworden zu sein, weil ich gerade in der DDR optimale Voraussetzungen für berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gefunden hatte. Die unmittelbaren Veränderungen im Dorf unter der sowjetischen Besatzungsmacht berührte uns Kinder zunächst kaum. Uns gefiel, dass die Schule noch nicht am 1.September öffnete, sondern uns erst Ende Oktober 1945 wieder zu einem einigermaßen geordneten Lernen zusammenführte. Als Lehrer erschienen einige neue Personen, wie mir und den anderen Flüchtlingskindern die einheimischen, neuen Klassenkameraden erzählten. Sogenannte Neulehrer übernahmen überwiegend den Unterricht. Wir machten es diesen im Beruf noch jungen Lehrern, die mit einer z.T. nur mehrwöchigen Ausbildung und aus anderen Berufen kommend diese bildungspolitische Aufgabe übernommen hatten, nicht schwer im schulischen Alltag. Sie bewältigten Ausbildung und Erziehung unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen in meiner Erinnerung in guter Qualität. Die bis Ende des Krieges verwendeten Lehrbücher wurden aussortiert, neue Exemplare waren noch nicht greifbar. Das Unterrichtsgeschehen entwickelte sich hauptsächlich auf der Grundlage der individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse der Lehrer sowie ihrer Improvisationen. Ein altes Realienbuch wurde als Nachschlagewerk zugelassen. Wer von den Schülern ein solches Exemplar besaß, hatte kleine Vorteile und konnte auch anderen Klassenkameraden Hilfe anbieten, manchmal für eine Gegenleistung. Ich wurde in die 5. Klasse in Lipprechterode aufgenommen. Grundlage dafür war das Alter, nicht die bisher absolvierten Schuljahre. Danach hätte ich in der 4. Klasse den Unterricht fortsetzen müssen. Im Oktober 1944 sind die Schulen in Breslau geschlossen worden, sie wurden als provisorische Kasernen und Lazarette für die Wehrmacht gebraucht. Ich konnte also ein Jahr lang die Schule nicht besuchen, denn erst im Oktober 1945 ging meine schulische Ausbildung weiter. Das 4. Schuljahr ist mir damit „erspart“ geblieben, so kann man es auch nennen, obwohl es ein Nachteil für mich gewesen ist. Große Lücken in mathematischen Grundoperationen und in der Rechtschreibung konnten erst in späteren Schuljahren geschlossen werden. Mit der Neueröffnung der Schule 1945 war auch für die Kinder des Dorfes eine völlig neue Situation eingetreten. Die Klassen setzten sich nun aus einheimischen Schülern, im Dorf aufgewachsen und den bisherigen Klassenstufen zugehörig, und uns Flüchtlingskindern zusammen, im Verhältnis von etwa 2 : 1. In den ersten Tagen und Wochen beschnupperten wir uns. Wir mussten uns auch an unterschiedliche Dialekte gewöhnen. Es dominierte natürlich die spezifische Aussprache der Thüringer im Kreis Nordhausen, aber auch ostpreußische, schlesische und sudetendeutsche Akzente beherrschten den Unterricht, die Pausen und die Freizeitgestaltung. Recht schnell wurden Gemeinsamkeiten entdeckt, besonders bei Spiel und Sport, Freundschaften wurden geschlossen, Ausgrenzungen von Schülern fanden nach meinen Erinnerungen nicht statt. Wenn Unterschiede zwischen den beiden Kindergruppen auftraten, dann ist es hauptsächlich in der Kleidung sichtbar geworden. Die Flüchtlingskinder waren anfangs im Nachteil gegenüber den Einheimischen, weil sie lange Zeit nur auf die Kleidung angewiesen waren, die im spärlichen Gepäck aus der alten Heimat mitgebracht werden konnte. Die Anforderungen in der Schule bewältigte ich schrittweise immer besser, obwohl mir ein gesamtes Schuljahr fehlte. Gern denke ich an die Pausengestaltung in der Schule zurück. Wir, die Jungen, konnten das Klingeln kaum erwarten, um auf den Schulhof zu strömen und mit einem Stoffball Fußball zu spielen. Gummibälle standen anfangs nicht zur Verfügung. Der Schüler, der einen Gummi- oder Fußball mitbringen konnte, stieg erheblich im Ansehen. Mein Verhältnis zum Fußballsport, einschließlich der aktiven Betätigung über viele Jahre hinweg, hatte in dieser Zeit seinen Ursprung. Das Bolzen auf dem Schulhof, mit dem sogenannten Straßenfußball gleichzusetzen, mit allen Arten von Bällen war der Beginn meiner engen Beziehung zu dieser Sportart. Dabei hat sicher erblich mein Vater auch etwas Pate gestanden, der in Breslau, vorrangig in Arbeitersportvereinen Fußball spielte, wie meine Mutter mir erzählte. Eingebettet in die gesellschaftliche Entwicklung des Dorfes unter den Verordnungen der sowjetischen Besatzungsmacht, wurde auch wieder an den Sport gedacht. Der bis 1945 im Ort bestandene Sportverein, musste auf der Grundlage der Direktive Nr. 23 vom 17. 12 1945 des Alliierten Kontrollrates aufgelöst werden. Demokratische Sportorganisationen und Sportverkehr auf territorialer Ebene wurde gestattet. Es gab vielfältige Bemühungen von sportbegeisterten Bürgern des Dorfes, vor allem von jenen, die bis 1933 in Arbeitersportvereinen aktiv waren, um ein organisiertes Sporttreiben in einer Sportgemeinschaft wieder ins Leben zu rufen. In den ersten Jahren nach Kriegsende, in denen die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und die Gewerkschaft die Träger des Sports gewesen sind, kam aus unterschiedlichen Gründen die Bildung einer Sportgemeinschaft in unserem Dorf nicht zustande. Erst 1955 führten weitere Aktivitäten zum Erfolg und zur Gründung der Sportgemeinschaft „Blau-Weiß“, die sich wenige Jahre später in die Betriebssportgemeinschaft „Traktor“ umwandelte, die LPG des Dorfes als Trägerbetrieb. So kam es bis 1955 nur zu spontanen, nicht kontinuierlichen sportlichen Betätigungen im Fußball, Tischtennis und Gerätturnen. Für Turnen und Tischtennis stand der Dorfgasthofsaal zur Verfügung. Fußball wurde auf einem Rasenplatz gespielt, der damals in einem schlechten Zustand gewesen ist und keine Umkleideräume und Sanitäreinrichtungen besaß. In diesen Jahren schlossen sich deshalb zahlreiche Kinder, Jugendliche und Erwachsene von Lipprechterode der Betriebssportgemeinschaft (BSG) „Aktivist“ in Bleicherode an, nur ca. 3 km entfernt, das Kalibergwerk war die Basis. Diese BSG bot den Sportlern relativ gute Bedingungen für Training und Wettkampf. Nachdem ich einige Jahre auch der unregelmäßigen sportlichen Betätigung in unserem Dorf im Fußball und Gerätturnen nachgegangen bin, wurde ich mit 15 Jahren ebenfalls Mitglied der Sektion Fußball der BSG in Bleicherode. Ich wuchs heran mit den schulischen Verpflichtungen und immer intensiver werdendem Bezug zum Sport. Doch es blieb noch ausreichend Zeit, um Tätigkeiten nachzugehen, die wohl für die Mehrzahl der Jungen in diesem Alter typisch sind. Wir tobten in den Wäldern herum, in denen wir manchmal noch Munition der Wehrmacht fanden, bauten aus Holz und Pappe sogenannte Buden, spielten Krieg zwischen Gruppen des Ober- und Unterdorfes, „klauten“ Feld- und Gartenfrüchte, um die Lebensmittel, die noch mit Marken rationiert waren, aufzubessern und besuchten auch ein 3 km entferntes Kino, das 1946 wieder öffnete. Zur gleichen Zeit fühlte ich mich auch zu einem Kleinbauern hingezogen, der Pferde, Kühe, Schweine, Ziegen, Hühner, usw. sowie etwa 15 ha Ackerland besaß. Unzählige Nachmittage erfüllte ich bestimmte