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Menschen, Achajer und Zwerge zusammen. Die Früchte des Ruhmes aber haben Marc und Pet geerntet. Sie gelten heute als die eigentlichen Helden. Du hast Pech gehabt. Während du die Welt gerettet hast, haben Marc und Pet mit den Mächtigen derselben Welt Freundschaft geschlossen. Sie mussten nicht tapfer sein, sondern lediglich nett und fröhlich. Dich hat man als Helden geehrt, jene aber liebgewonnen. Das macht schon einen Unterschied. Der König hat dich respektiert, aber geliebt hat er deine Gefährten. Mir scheint, die alte Weisheit hat sich wieder einmal bestätigt: Es ist nicht so wichtig, was man tut, sondern vielmehr, was man daraus macht. Die beiden haben sich auch im Heimland geschickt darzustellen gewusst. So sind sie zu wichtigen Persönlichkeiten geworden. Du hingegen hast dich dem Alltag wieder hingegeben und bist Gärtner geblieben. Der Ruhm, der dir gebührt hätte, ist an dir vorübergegangen.“

      „Ach, ich wollte gar nicht berühmt werden“, wandte Mog bescheiden ein.

      „Das ehrt dich. So habe ich dich auch eingeschätzt, und deshalb mag ich dich. Es wäre vielleicht besser, wenn die Länder mehr von den Bescheidenen regiert würden, die sich nicht nach der Macht und dem Ruhm drängen. Doch da sie eben bescheiden sind, können sie auch nicht an die Macht kommen. In diesem Widerspruch liegt die Tragik der Welt.“

      Nach dem Essen, die Söhne waren ins Dorf gegangen, zogen sich die beiden Männer noch einmal zur Beratung zurück. Wieder saßen sie auf der Bank vor dem Haus und sahen in die untergehende Sonne. Mog schnitzte an einem Stock. Scheu sah der Erit, dass der Zauberer sein Gesicht in den Händen geborgen hatte.

      Endlich sagte Aramar mehr zu sich selbst: „Ich möchte wissen, wie Meliodas ums Leben gekommen ist."

      Mog antwortete ungeduldig: „Nun aber genug des Darumherumredens und der Erinnerung an vergangene Zeiten. Nun sage endlich, was du weißt!“

      „Wenig genug! Krieg ist in Centratur, und ich weiß nicht, von wem er ausgeht. Die Orokòr sind wieder aufgetaucht und treiben ihr Unwesen. Der Fürst von Rolos hat seine Krieger mobilisiert und marschiert nach Norden. Aus Darken hört man von starken Truppenkonzentrationen. Selbst im tiefen Süden, in Mykontex, soll man sich auf Kämpfe vorbereiten. Die Straßen sind unsicher, die Menschen fliehen in Strömen nach Westen. Unschuldige Bauern werden umgebracht, Städte verwüstet.“

      „Aber warum das alles? Welche Ziele werden verfolgt, und wer steckt dahinter?“

      Aramar murmelte: „Mein guter Mog, das ist ja das Problem! Seit Tagen zermartere ich meinen Kopf, von wem die Gefahr ausgehen könnte. Ich kenne aber niemand anderen, der so mächtig wäre, um den Schrecken hervorzurufen, der Centratur jetzt in Atem hält.“ Er machte eine Pause und fuhr dann verwirrt fort: „Niemanden, außer dem Alten. Aber der ist unschädlich gemacht. Er ist in einem Berg gefangen. Vor ihm müssen wir uns nicht fürchten.”

      „Kann sich der Alte nicht befreit haben?"

      „Wenn Ormor frei ist, dann Gnade uns Gott. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte. Allen Wesen in Centratur bliebe dann nur die Wahl zwischen Unterwerfung und Versklavung oder dem Tod."

      Der alte Erit schauderte bei diesen Worten. Er kannte den Zauberer und wusste, dass dieser niemals übertrieb.

      Irgendwann brach die Dunkelheit vollends herein. Zusammen mit Ev und den beiden Söhnen saßen sie am Kamin. Die Schrecken des Nachmittags verblassten. Man ging früh zu Bett, denn der nächste Tag würde anstrengend werden. Aramar brauchte Informationen und wollte das Schloss des Markgrafen in Hochhag besuchen. Ein weiter Ritt stand bevor.

      Hochhag

      Am nächsten Morgen standen alle schon bei Sonnenaufgang auf. Ev machte den Männern ein kräftiges Frühstück und packte ihnen Proviant in die Satteltaschen. Es sollte ein bequemer und angenehmer Ausflug werden.

      Auf der Oststraße war schon reger Verkehr. Diese große, gut ausgebaute Straße war eine der wichtigsten Verbindungen in Centratur. Sie begann am Golf von Orex und führte auf dem kürzesten Weg nach Osten zum Thaurgebirge. Dann durchquerte sie die Berge und erreichte Bajar. Dort vereinigte sie sich mit der Alten Oststraße. Von da ging es weiter am Fuß des Grauen Gebirges bis Mintel. In Brunel endlich endete der lange Weg, der Centratur in seiner ganzen Breite verband.

      Die Oststraße war gut ausgebaut, so dass sie auch von schweren Karren befahren werden konnte. Aus den alten Zeiten stammten auch noch die gemauerten Unterstände. Sie waren in Abständen von einstündigen Märschen am Straßenrand errichtet und sollten die Reisenden bei Unwettern schützen. Doch wurden sie schon lange nicht mehr benutzt und waren zum großen Teil verfallen. Mäuse, Ratten, Ungeziefer und sogar Schlangen hatten sich die Ziegelbauten zur Heimstatt auserkoren. Zu beiden Seiten der Straße waren hohe Bäume gepflanzt, die wohltuende Schatten spendeten. Zwischen den Baumstämmen wuchsen Ginster und Haselnuss.

      Es war ein sonniger Tag, und die beiden Reiter kamen gut voran, obgleich viel Volk auf der Straße unterwegs war. Hauptsächlich begegneten sie Zwergen, die große Bündel schleppten. Dann und wann sahen sie Menschen aus dem Süden mit dunklen Gesichtern. Manche fuhren auf hoch bepackten zweirädrigen Wagen, die von Mauleseln gezogen wurden, andere zerrten schwer beladene Packpferde hinter sich her.

      Die Reiter überholten auch Reisekarren. Diese wurden von vier Ponys gezogen und hatten hölzerne Bänke auf ihren Dächern. Dort saßen Reisende, die keine eigenen Pferde hatten und nicht laufen mochten.

      Bald darauf sah Mog die ersten Flüchtlinge, von denen an den Stammtischen in Heckendorf und Mühlendorf so viel geredet wurde. Es waren Elendsgestalten, die sich in zerlumpten Kleidern vorwärts quälten. Manche zerrten Handkarren hinter sich her. Andere, wahrscheinlich die Wohlhabenderen, hatten magere Esel vorgespannt. An einigen der Karren war eine Ziege angebunden, die meckernd mitlief. Kleine Kinder bemühten sich Schritt zu halten. Die meisten waren barfuß. Viele der Großen hatten sich Lappen um die Füße gebunden, sie waren schmutzig und blutig. Alte Leute, die nicht mehr laufen konnten, lagen auf den Karren. Die Gesichter, die nackten Arme, die Körper wiesen Geschwüre und Wunden auf. Verzweiflung stand in den Gesichtern. Gestank begleitete die Trecks, der Geruch von Dreck und Angst. Besonders auffallend aber war die lähmende Müdigkeit, die über allen zu liegen schien.

      „Das soll der so teuer erkämpfte Frieden in Centratur sein?" fragte Aramar bitter.

      Sie gaben den Flüchtlingen ihre Vorräte und machten gegen Mittag eine freudlose Rast im Schatten von drei mächtigen Kastanien. Danach ritten sie weiter und erreichten am späten Nachmittag Weststadt. Dort klopften sie bei Mogs Tochter Almira an. Ihr Mann war auch zu Hause. Das Paar freute sich über den unerwarteten Besuch. Es lebte in einem gemütlichen Haus, bei dessen Kauf ihnen die Eltern mit Geld unter die Arme gegriffen hatten. Es war eng, aber ein Bett für den Vater und seinen Freund fand sich allemal.

      Die Sonne lockte die Reisenden am nächsten Morgen schon zu früher Stunde aus dem Haus. Sie machten sich auf zu einem Streifzug durch die Stadt. Weststadt war neben Grünbergen nicht nur einer der größten Orte im Heimland, sondern auch Garnisonsstadt. Der Markgraf hatte bei der Übernahme seines Lehens vom König die Auflage bekommen, fünfhundert Männer ständig unter Waffen zu halten. Mit ihnen sollte er die westlichen Grenzen schützen und dem König bei einem Krieg zu Hilfe kommen. Zwar waren Erits keine großen Krieger, aber die westlichen Grenzen galten als sicher und ungefährlich.

      Im Ort herrschte reges Treiben. Auf einem kleinen Platz hatten Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen. Dort wuschen sie Wäsche und kochten in großen Kesseln über offenem Feuer. Die Weststadter sahen die Flüchtlinge ungern. Diese Fremden brachten schließlich kein Geld, sondern nur Unordnung. Zudem musste man sie, ob man wollte oder nicht, unterstützen. Es ging nicht an, dass im Heimland jemand verhungert, und seien es auch nur Flüchtlinge.

      Die beiden Männer sahen Gaukler und Schwertschlucker. Bettler saßen vor öffentlichen Gebäuden und sahen sehr leidend aus. Einer fiel Mog besonders auf. Er spielte auf einer winzigen Flöte eine wundersame, bezaubernde Melodie. Dieser Mensch hatte eine seltsam helle, beinahe weiße Hautfarbe. Quer über sein Gesicht zog sich ein feuerrotes Mal. Obgleich er auf dem nackten Boden kauerte, schien er von stattlicher Körpergröße. Als der Zauberer und der Erit vor ihm stehen blieben, sah er auf. Seine Flöte tönte weiter, aber