Norbert F. Schaaf

Afghanistan Dragon


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normalerweise umgehend auf den elektrischen Stuhl“, bestätigte Parker. „Jedenfalls hab ich die Schnauze voll. Will heim.“

      Die beiden Piloten unterhielten sich darüber, was sie anfangen würden, wenn sie in die Staaten zurückkehrten. Ihr Ausscheiden war eine beschlossene Sache. Parker würde bei einer Privatfirma fliegen, während Stamp ein eigenes Geschäft eröffnen wollte. Er würde mit einer Autowerkstatt beginnen, komplett mit Garage und Schrottplatz, doch das sollte nur der Start sein. Stamp trug sich mit dem Gedanken, nach und nach mehrere ähnliche Unternehmen aufzukaufen und sie zu einem Filialbetrieb zusammenzuschließen, zu dem später noch Tankstellen und Logistikunternehmen kommen sollten.

      „Große Pläne“, war Parkers Meinung, während er ein Stück von dem Fleisch auf die Gabel spießte. „Wenn du klein anfängst, bleibst du klein. Groß muss man anfangen. Mit einem Dutzend solcher Firmen. Sonst wird das nichts.“

      Er ließ sich nicht darüber aus, weshalb er selbst weiter als Pilot arbeiten wollte, doch Stamp wusste ohnehin, dass Parker in jene Firma, für die er fliegen sollte, nicht nur als Pilot eintrat. Er gedachte, die Tochter des Besitzers zu heiraten.

      Gerade als Parker ihm erläutern wollte, dass es immerhin das Risiko gab, sich als Anfänger in einer Branche zu übernehmen, erschien der Kellner und teilte dem Piloten mit, man verlange ihn drüben im Büro des Militärgeländes am Telefon. Parker hörte verwundert auf zu kauen und fragte nach dem Anrufer, doch den kannte der Kellner nicht. So machte der Pilot sich auf den Weg, etwas mürrisch, weil er den Nachtisch nicht mehr essen konnte. Er versprach Stamp, ihm den Jeep zurückzuschicken, und Stamp genoss die eisgekühlten Preiselbeeren.

      Parker hatte Wort gehalten, denn als Stamp aus dem Restaurant trat, wartete der Jeep bereits. Die Mittagshitze war zwar schon vorbei, doch die Sonne stand noch immer hoch, und es war so heiß, dass Stamp am liebsten das Hemd ausziehen würde. Die Fahrt im Jeep verschaffte ihm etwas Kühlung, doch Stamp musste trotzdem daran denken, dass in der Maschine, die sie jetzt zu besteigen hatten, etwa sechzig Grad Wärme herrschen würden, und deshalb wünschte er, sie wären bereits zweitausend Meter hoch.

      Parker stand im Schatten des Rotorkreuzes. Er grinste, als Stamp zu ihm trat und sich träge erkundigte: „Wer was?“

      „Boy“, sagte der Pilot, „da hat uns der liebe Gott ein Geschenk von kaiserlichem Format vor die Füße gelegt!“

      „Ich versteh gar nichts.“

      „Du wirst gleich verstehen. Lass uns das Vögelchen erst mal starten.“

      Sie kontrollierten die Maschine so schnell, wie das in Faïzabad möglich war, weil es hier zuverlässiges Bodenpersonal gab, und krochen dann über die Eisenleiter in den Rumpf, der mit Kisten und Blechbehältern gefüllt war. Sofort trieb die Hitze ihnen den Schweiß in Strömen aus der Haut, und sie warfen ihre Kleidung ab, bis auf die Shorts, ohne die sie sich auf den heißen Lederpolstern der Sitze Brandblasen zugezogen hätten. So schnell sie nur konnten, checkten sie im Cockpit die Funktion der Aggregate und Leitungen, dann ließ Parker das Triebwerk an, während Stamp bereits mit dem Turm über den Start verhandelte. Es war keine andere Maschine unterwegs, und sie konnten ohne viel Zeitverlust direkt von der Piste losstarten. Parker hob ab, zog steil hoch und ließ das Triebwerk voll laufen, so dass nur Minuten vergingen, bis sich die Temperatur im Cockpit langsam zu mäßigen begann. Frische Luft zischte durch das Ventilationssystem. Bald griff Stamp nach seiner Hose, und als er wieder völlig angezogen war, übernahm er von Parker den Steuerknüppel, so dass dieser seine Kleidung anlegen konnte. Als sich Parker wieder hinter dem Steuer niederließ, sagte er zu Stamp: „So, und jetzt reden wir über ein Geschäft.“

      Stamp grinste. „Über Geschäfte ist mit mir jederzeit zu reden. Was liegt an?“

      Parker ließ sich Zeit, bis er zur Sache kam. Er fragte: „Wir fliegen Zeug für Rasuls Trupp, nicht wahr?“

      „Was du nicht sagst!“

      „Und Rasuls Trupp bringt zehn Säcke Stoff aus Pakistan.“

      „Hervorragendes Gedächtnis hast du!“

      Parker lachte. „Und ob! Ich habe mich sogar in Faïzabad an die Telefonnummer eines Herrn erinnert, den ich vor mehr als einem halben Jahr zum letzten Mal gesprochen habe.“

      Stamp mahnte: „Ich würde es schätzen, Steve, wenn du endlich Klartext redetest. Was war mit dem Telefongespräch?“

      „Der Boss. Über Satellit. Nur eine Nachricht. Verschlüsselt. Wir werden in Karambar heute unseren alten Freund Mir Khaibar nicht antreffen.“

      „Ist er gestorben?“

      „Nein. Er sitzt. In Faïzabad. In den nächsten Tagen soll er nach Kabul gebracht werden.“

      Stamp schüttelte verwundert den Kopf. „Was kann der schon ausgefressen haben?“

      „Opium verkauft. An Mister Oates vorbei. Auf eigene Rechnung.“

      „Oha“, äußerte Stamp.

      Parker nickte. „Ja, sowas hat der Boss nicht gern. Er muss ihn wohl zur Ordnung rufen. Hat er zwar nicht gesagt, aber so versteh ich das. Nun gut. Also – das ist die Neuigkeit.“

      „Sehr interessant“, sagte Stamp, „aber was daran macht dich so fröhlich? Schadenfreude?“

      „Merkst du nichts?“

      „Gar nichts.“

      „Auch nicht, wenn ich dir sage, dass wir in dem Dorf da oben vermutlich nur Jalaluddin antreffen, weil die anderen um diese Jahreszeit auf den Feldern sind?“

      „Schöne Aussichten. Das Nest ist schon trist genug. Die Mädchen lassen sich nicht aufs Kreuz legen, zu essen muss man sich von zu Hause mitbringen, und die Hälfte von unserem Bier säuft uns Mir Khaibar noch weg.“

      „Er ist nicht da“, erinnerte ihn Parker.

      „Na, dann Jalaluddin.“

      „Eben“, hakte Parker ein und wurde ernst. „Jetzt hör mal genau zu! Wir haben es bloß mit Jalaluddin zu tun. Sonst ist niemand da. Nur er. Und zehn Säcke voll Stoff. Na?“

      Zuerst begriff Stamp immer noch nicht, was der Kollege andeuten wollte, doch dann lief über sein rundes, rosiges Gesicht ein breites Grinsen, und er zog die rotblonden Brauen hoch. „Sooo“, sagte er gedehnt. „Das ist allerdings eine Situation, aus der man einiges machen könnte.“

      „Ich habe es schon gemacht“, erklärte Parker. „Mit einem Ferngespräch. Ich habe sofort von Faïzabad aus mit Mister Wali gesprochen.“

      „Die alte Bauchfaltenlaus“, bemerkte Stamp abfällig.

      Doch Parker fragte nur sachlich: „Weißt du, was er für zehn Säcke Stoff bezahlt?“

      „Ich höre.“

      „Zweihundertfünfzigtausend Dollar, mein Sohn. Das Kilogramm wird im Augenblick mit dreitausend Dollar gehandelt. Sagt dir das etwas?“

      Stamp sah ihn an. „Die zehn Säcke gehören uns?“

      ‚‚Eben.‘‘

      „Okay“, sagte Stamp. Doch sein Gesicht war besorgt. Er dachte an Oates. „Ob wir das so machen können, ohne dass der Boss Wind bekommt?“

      „Über Wali geht das. Wali ist todsicher. Ich habe alles erledigt. Null Risiko.“

      „Und wie machen wir es?“

      Parker antwortete zögernd: „Zuerst will ich wissen, ob du dabei bist. Wenn nicht, reden wir kein Wort mehr darüber. Wenn ja, dann sind das für jeden von uns hundertfünfundzwanzigtausend. Damit und mit dem Rest kannst du deine Garagenkette gleich kaufen und brauchst sie nicht erst aufzubauen.“

      Stamp überlegte nicht lange. Hundertfünfundzwanzigtausend Dollar, das war eine Summe, die gewisse Überlegungen ausschaltete. Risiko bestand bei jedem Geschäft. Sogar jeder einzelne dieser Flüge könnte der letzte sein, wenn irgendwo über den Bergen die Maschine nicht mehr mitmachte. Also gab es nicht viel