Norbert F. Schaaf

Afghanistan Dragon


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Seien Sie also unbesorgt. Ich halte die Augen offen.“

      „Was auch dringend geboten ist. Der Kerl war zuhause Prediger, und hier geht er einem ständig auf den Sack mit seiner Zwei-Esel-Theologie und der gynäkologischen Klapperstorchtheologie, wie ein Kollege das nannte. Eigentlich müsste jetzt das christliche Glaubenbekenntnis völlig umgeschrieben werden, meint der Kollege.“

      „Klingt ja ungeheuer spannend. Ich wollte schon immer wissen, was es mit Skinneys Spitznamen `Zwei-Esel-Theo´ auf sich hat.“

      „Das wissen Sie nicht? Also: Der Prediger zitiert gern aus der Bibel: `Ihr werdet an bestimmter Stelle eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr. Wegen der Prophezeiung: Er reitet auf einem Esel und auf dem Füllen einer Eselin´. Was für ein Unfug! Wie kann einer auf zwei Tieren gleichzeitig reiten? Eigentlich heißt es ja auch im Alten Testament richtig: Sanftmütig ist er und reitet auf einem Esel, und zwar auf dem Füllen einer Eselin, also auf dem vorjährigen Fohlen einer Eselin. Doch der Bibelhengst legt seinen Dummspruch so aus, dass es diesem Matthäus sehr wichtig sei, dass sich diese Prophezeiung bis in die kleinste Einzelheit erfüllt. Und wenn sie noch so unsinnig, weil falsch übersetzt ist, sagte der Kollege.“

      „Aha, sehr aufschlussreich. Und das mit dem Klapperstorch?“

      „Das ist noch viel schöner. Der Pfaffe predigt, dass diese Maria ihren Jesus vom Heiligen Geist empfangen hat. Nicht von einem Josef oder irgendeinem anderen Kerl. Auf so was konnte man ja nur kommen, weil man damals noch nichts wusste von dem weiblichen Ei. Das war nämlich erst achtzehn-siebenundzwanzig, sagte der Kollege, und dass der männliche Samen und das weibliche Ei mitsammen verschmelzen müssten, wenn ein Jesus oder überhaupt irgendein Kind dabei entstanden soll. Vordem glaubte man, dass der Mann den Samen in die Frau gab wie in einen Blumentopf, wo er sich dann entwickelt. Angenommen, kein männlicher Same wäre beteiligt gewesen, so bliebe immer noch das weibliche Ei von Maria. Deswegen müsste es im Credo also wahrheitsgemäß heißen: Empfangen vom Heiligen Geist zu fünfzig Prozent. Sage der Kollege. Er zerbrach sich den Kopf, von wem Jesus denn nun eigentlich abstammt: Von Maria oder von Josef, über den allein sich doch die als so wichtig erachtete Herkunft von David ableiten lässt.“

      „Was hat der besagte Kollege denn studiert?“ wollte Oates wissen.

      „Frühe Bücher von einem gewissen Joseph Ratzinger, profilierter Theologe als er noch nicht Kardinal war und lange, bevor er sich als Papst Benedikt der soundsovielte nannte; damals schrieb der Papa Ratzi von einem weltweit verbreiteten Mythos wie bei diesen Göttern der altgriechischen Religion und von verworrenen Hoffnungen der antiken Menschheit auf die Jungfrau-Mutter. Sagte der Kollege.“

      „Was er nicht sagte“, spottete Oates. „Da muss ich also wirklich höllisch aufpassen.“

      Wieder allein setzte sich Oates auf den Schreibtisch und ließ die Beine baumeln. Der Untergebene für das nächste Briefing musste jeden Augenblick zur Tür hereintreten. Als er ausblieb, fragte Oates über die Gegensprechanlage nach. „Er ist bereits da“, piepste Miss Douglas. „Hat im Besucherraum II Platz genommen. Ich schicke ihn zu Ihnen.“

      „Das lassen Sie schön bleiben“, befahl Oates. „Ich komme rüber.“

      In besagtem Besucherraum saß, ein Bein unter den Körper gezogen, ein US-amerikanisch gekleideter Gentleman mit Stetson und Cowboystiefeln, ein Mann nicht ganz leicht bestimmbaren Alters und olivefarbenem Teint, dicklich, gedrungen, schütteren Haares und blank rasiert, auf einem Diwan, mit weitgeöffnetem Mund vernehmlich schnarchend.

      Oates fing ein paar Fliegen, riss ihnen die Flügel aus und warf sie, eine nach der anderen, in den geöffneten Mund des Schläfers. Die Reaktion trat prompt ein: Die flügellosen Tiere krochen in der Mundhöhle des Dicken herum und gerieten in den Schlund. Das Schnarchen brach ab, derweil der fast gleichzeitig einsetzende Hustenanfall ein paar Fliegen hinausschleuderte, andere dagegen, in die Nase gelangt, ein heftiges Niesen hervorriefen, wobei der Stetson ins Zimmer kollerte.

      Oates lachte trocken auf, indessen die mitgeeilte Miss Douglas eine nach beiden Seiten verbindliche Haltung einnahm.

      „Ich habe von Wölfen geträumt“, keuchte der Korpulente mit merkwürdig sanfter Stimme, auf die angesichts der Dimensionen seiner Leibesfülle niemand gewappnet war, und begann, sich schlaftrunken die Augen zu reiben.

      „Nein, Skinney, es sind noch nicht einmal Esel, sondern lediglich Fliegen“, griente Oates und gab Miss Douglas mit einem Wink zu verstehen, die Tür von außen zu schließen.

      „Oates? Oates? Endlich!“ rief Skinney und sprang mit kaum zu erwartender Agilität auf die Beine, riss die Augen auf und fuhr fort: „Gott sei Lob und Dank! Als ich Sie zuletzt gesehen habe in San Alfredo ...“

      „Es war in San Antonio, wenn ich mich recht erinnere, wo ich Sie vor einem peinlichem Interview mit der Polizei rettete“, versetzte Oates, amüsiert auf die kindlichen Züge des anderen schauend. „Wie ich sehe, sind Sie einem normalen Menschen noch immer nicht ähnlicher geworden.“

      Der Dicke legte los, eine Reihe salbungsvoller, kunstvoll mit obszönen Flüchen vermengter Phrasen von sich zu geben, bis ihn endlich Oates harsch unterbrach: „Danke, Mister Nicolas Freeman Skinney, Stopp! Ich kenne das Programm zu Genüge. Damit können Sie hierzulande, allerdings an anderer Stelle durchaus brillieren. Nun, mein Lieber, ich habe Sie längst erwartet ...“

      „Ich... wir...“, stammelte der Dicke, „wir waren so ziemlich an einem toten Punkt angelangt.“

      „Sowohl tot wie Punkt ist übertrieben, wie ich Sie kenne“, antwortete Oates. „Also, Skinney, Sie kommen keine Sekunde zu früh. Was vor allem unverzüglich in Angriff genommen werden muss, ist die Rohopiumsache im Norden.“

      „Warum so eilig?“ fragte Skinney und zeigte ein kaum merkliches Lächeln um seinen dünnlippigen Mund.

      „Erstens, weil der Ertrag aus dieser Aktion die Betriebskosten einer anderen zu decken hat. Zum zweiten ist die Situation auf dem Opiummarkt gerade äußerst günstig.“

      „Infolge der Restriktionen bestimmter...“, warf Skinney ein.

      Oates schnitt ihm das Wort ab. „Shut up. Aber es stimmt schon. Seither sind die Preise in Afghanistan auf das Neunfache, über die Grenzen des Landes freilich auf das Vierzehnfache gestiegen. Wir sind selbstredend nicht die einzigen, die das wissen. Wie ich gerade erfahren habe, bereitet eine Gruppe Paschai in Nordpakistan einen ganz großen Coup vor, der, wenn er gelingt, natürlich die Preise wieder hinabsausen lassen wird. Wir müssen den Kerlen da oben also zuvorkommen.“

      Skinney nickte eifrig mit dem Kopf, zog einen Bleistift heraus und begann auf einem Notizzettel zu rechnen.

      „Lassen Sie die Kindereien“, warf ihm Oates zu, „den Gewinn auszurechnen ist man doch nur imstande, wenn man die Gestehungskosten kennt, und davon haben Sie keine Ahnung... Nun, was ich sagen will, ist: Falls die Paschais uns zuvorkommen, ist das Geschäft für uns verloren. Die enorme Menge, die sie hinüberschmuggeln wollen, würde die Preise abstürzen lassen und sie für etliche Zeit niedrig halten. Es kommt also darauf an, dass unser Mann im Pamir die Ware so schnell wie möglich in Händen hat.“

      „Wie aber, zum Teufel, wollen Sie die Ware über den Oxus bringen? Dorthin darf doch unsereiner nicht, wie ich gehört habe“, unterbrach ihn Skinney.

      „Vermutlich durch deutsche Regierungsluftschiffe“, entgegnete Oates ausfällig.

      „Sie sollten sich mehr mit der Bibel befassen, geliebter Bruder im Herrn, dann würden Sie wissen, dass man seinen Nebenmenschen nicht zum Besten halten darf, wenn er eine ernsthafte, zur Sache gehörige Frage stellt.“

      „Well, ich werde es mir merken. Für die Zukunft. Jetzt aber lassen Sie uns gefälligst weitersprechen... Die Paschai glauben, wie ich erfahren habe, eine Art afghanisches Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Sie rüsten eine Salzkarawane aus, die in die Salzblöcke verpacktes Heroin transportiert. Was vielleicht gar nicht so dumm ist: Denn zum einen kontrolliert man Salzblöcke nur ganz oberflächlich, wenn es schon einer Patrouille einfallen sollte, die Karawane anzuhalten. Und zweitens sind die Salzhändler