Norbert F. Schaaf

Afghanistan Dragon


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von dem Opium, das hierzulande produziert und weiterverhökert wird, abzulenken und mir einzureden, dies alles wäre nur in Pakistan aufzuklären. Ausgerechnet in einem Land, das den Opiumanbau ebenso wie den Konsum der Droge seit der Unabhängigkeit verboten hat und nachweisen kann, dass dieses Verbot respektiert wird, außer in jenen Gebieten, die sich im Aufstand gegen die Regierung befinden.

      Die Territorien der Aufständischen aber grenzen an Afghanistan. Und Mr. Oates beschwört für die Regionen in Afghanistan, an die sie grenzen, die islamistische Gefahr, um rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, dass es unmöglich ist, an Ort und Stelle Nachforschungen zu betreiben. Liegt es daran, dass dieser Mann schon jahrelang in Kabul lebt, dass er mich für so naiv hält, ihm das zu glauben?

      „Ich denke“, sagte er langsam, „ich sollte mir noch einen weiteren Rat bei Ihnen holen.“

      Als Oates ihn freundlich aufforderte: „Aber bitte!“, erkundigte sich Hodler: „Halten Sie es für möglich, dass ich für ein paar Tage in eine dieser Gegenden reise? Ich denke an den Nordosten des Landes, jene Gebirgsgegend, in der wir besonders viele und ertragreiche Felder mit Mohn vermuten und die Produzenten dazu?“

      Oates zog die Brauen hoch. „Wie alt sind Sie?“

      „Fünfundfünfzig.“

      Der US-Amerikaner zuckte die Schultern. Was er sagte, klang besorgt. „Raten würde ich Ihnen das nicht. Es ist eine Strapaze, die selbst jungen Menschen arg zu schaffen macht. Wüstenei und Gebirge, das ist eine tödliche Mischung. Kaum Wege. Kein Trinkwasser. Riesige Entfernungen von einer Siedlung zur anderen. Und dazwischen eine Menge unmittelbarer Gefahren.“

      „Sie kennen die Gegend?“

      „Nicht besonders gut“, schränkte Oates vorsichtig ein. „Auch ich muss mir überlegen, was ich mir noch zumuten kann. Doch abgesehen davon, würde eine solche Reise nutzlos sein. Niemand würde Ihnen dort die Antworten geben, auf die Sie aus sind. Sie würden so gut wie nichts erfahren. Sie riskieren höchstens, dass jemand sich durch Ihre Neugier gefährdet wähnt und Ihnen von hinten eine Kugel in den Kopf schießt.“

      „Keine schöne Vorstellung“, sagte Hodler trocken. „Dies scheint ein Land mit rauen Sitten zu sein!“

      „Das ist es. Lassen Sie sich nicht durch Äußerlichkeiten täuschen. Zwanzig Kilometer um Kabul herum wird immer noch nach der Methode verfahren, zuerst zu schießen und danach Fragen zu stellen.“

      Er ist ein Fuchs, überlegte Hodler. Er weiß genau, wohin er mich haben will. Jedenfalls nicht dorthin, wo ich Aufschluss über das bekommen könnte, was mich hergeführt hat. Er erhob sich. „Ich habe Ihnen sehr zu danken.“

      „Aber, ich bitte Sie“, wehrte Oates bescheiden ab. „Das ist eine Selbstverständlichkeit. Sind Sie gut untergebracht?“

      „O ja, sehr anständig.“

      „Sie sollten sich den alten Königspalast ansehen. Einmalig! Und völlig ruiniert! Dafür gibt es jetzt das ähnlich mit Zinnen und Türmchen verzierte Regierungszentrum.“

      „Ich werde es mir ansehen, sobald ich Zeit finde.“

      „Und dann kann ich Ihnen einen Besuch des großen Bazars empfehlen. Reizvoll. Das letzte bisschen Exotik der Hauptstadt, sagen viele.“

      „Klingt interessant.“

      „Am Ghargha-See sollten Sie mal einen Tag am Strand verbringen. Ein herrliches Gefühl, goldglitzerndes Sonnenlicht auf tiefblauem Seewasser.“

      Hodler lächelte. „Ich werde mich ganz gewiss nicht langweilen! Vorhin habe ich mir einen Stadtplan besorgt. Natürlich finde ich mich noch nicht zurecht, doch auf der Rückseite des Plans stehen einige Worte in der Landessprache, Farsi glaube ich, die habe ich mir auf der Fahrt zu Ihnen bereits eingeprägt.“

      „Ehem“, machte Oates, „Sie sind sprachbegabt?“

      „Ich fiel meinen Lehrern bereits als kleiner Junge auf, weil ich mit fremden Sprachen keine Schwierigkeiten hatte.“

      „Nun, dann lernen Sie schnell noch Dari, aber vor allem Pashto.“

      Hodler bedankte sich höflich. „Nützlicher kleiner Sprachkurs auf dem Stadtplan übrigens: lotfan heißt `bitte´ wie auch bas, tashakor: `danke´, dostet darum: `Ich liebe dich´, maghbool: `schön´ und zendagi migzara: `Das Leben geht weiter´. Sehr hübsch. Doch wenn man nach diesem Vokabular urteilen soll, birgt die Hauptstadt nicht im Entferntesten jene Gefahren, die Sie mir für den Nordosten vorausgesagt haben!“

      Oates lachte. „Sie birgt andere. Süßere, wenn man so sagen darf!“

      Hodler schüttelte ihm die Hand. „Was Doppelbett heißt, weiß ich seit kurzem auch schon. Ich habe es wieder vergessen. Mister Oates, ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen.“

      „Ich hoffe, ich sehe Sie noch einmal“, gab Oates zurück. „Vielleicht vor Ihrer Abreise?“

      „Da bin ich ganz sicher. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin unbekannterweise.“

      Oates nickte nur und öffnete die gepolsterte Tür. Er winkte Miss Douglas, die schnell ihr Taschentuch einsteckte und sich erhob, um Hodler hinauszubegleiten.

      Allein in seinem Zimmer, blieb Oates stehen. Er überlegte ein paar Minuten, strich sich mit der Hand durch seine hellblonden Haarwellen. Nach einer Weile lachte er auf und schüttelte den Kopf. Weiß der Himmel, da hat diese komische Kommission mir ja einen seltsamen Heiligen auf den Hals geschickt! Doppelbett! Nicht einmal ich habe bisher gewusst, wie das heißt. Er wurde wieder ernst, ging zu seinem Schreibtisch und stellte das Bandgerät ab. Dann drückte er auf eine Taste an seinem Sprechgerät und sagte: „Everett, kommen Sie zu mir.“

      6

      Eine Viertelminute später stand ein Mann von etwa dreißig Jahren vor ihm, dem man ansah, dass er nicht in einem Büro aufgewachsen war. Er war groß und kräftig, hatte sehr kurz gestutztes Haar und hielt sich straff wie ein Soldat, der vor seinem Kommandeur stand. Everett war seit fünf Jahren in Afghanistan. Vier davon hatte er in einem Ausbildungscamp der Special Forces im usbekischen Grenzgebiet verbracht. Nicht zuletzt die Tätigkeit bei dieser Truppe hatte ihn für die Abkommandierung zu Oates´ Stab qualifiziert.

      „Sir?“ sagte er und blickt seinen Vorgesetzten an.

      „Haben Sie den Mann gesehen?“ erkundigte sich Oates.

      „Ja, Sir. Auf dem Schirm.“

      „Stellen Sie fest, wo er wohnt.“

      Ein Lächeln glitt über die Züge Everetts. „Ist bereits geschehen. Hotel Oriental.“

      „Sehr schön. Ihr Auftrag ist, zu beobachten, was er treibt.“ Oates ging zum Schreibtisch, nahm das Band mit dem aufgenommenen Gespräch und übergab es Everett. „Das können Sie sich mal anhören, bevor Sie losziehen. Ich will wissen, mit wem der Mann Kontakt aufnimmt und wohin er reist. Klar?“

      „Klar, Sir“, antwortete Everett militärisch knapp. „Noch etwas?“

      Oates überlegte. „Ist die Maschine abgeflogen?“

      „Start erfolgte um elf Uhr, Sir.“

      Oates rechnete. Der Heli könnte noch vor Sonnenuntergang in Karambar sein. Er wandte sich an Everett, der abwartend an der Tür stand: „Geben Sie einen Spruch auf, an die Mangal-Leute. Maschine kommt wie üblich.“

      „Okay, Sir“, sagte Everett. Oates entließ ihn mit einem knappen Kopfnicken.

      „Soll ich nicht Skinney reinschicken?“ gab Everett zurück.

      Oates grunzte etwas, das als Zustimmung gelten konnte.

      „Es ist kein Vergnügen“, äußerte Everett, „mit diesem Burschen zu arbeiten, ich misstraue ihm von hinten bis vorn, der Kerl lügt, wenn er den Mund aufmacht.“

      „Wenn Langley ihm vertraut, haben wir hier keine Ursache, es nicht zu tun. Er hat in Amerika ganz gut gearbeitet. Darum hat man ihn hergeschickt.