Thomas Arndt

Eine Geschichte über rein gar nichts


Скачать книгу

den viertägigen Schlaf außen vor. Als alles gesagt war, schwiegen die beiden eine Weile. Paul zündete sich eine Zigarette an und blickte abwesend aus dem Fenster.

      »Hat Tania herausgefunden, dass du mit Susanne geschlafen hast?«, fragte Frank besorgt.

      »Nein.«, antwortete Paul trocken. »Dann hätte sie mich vermutlich umgebracht oder die Wohnung zertrümmert oder mir auf andere Weise zu verstehen gegeben, dass sie es weiß.«

      »Du bist dir also sicher, dass das nicht der Grund ist?«

      »Absolut. Außerdem war es ein Versehen; ein Ausrutscher.«

      Frank betrachtete Paul eine Weile und sagte, dass er blass sei und schlecht aussehe. Paul zuckte nur mit den Schultern, sah Frank eine Sekunde lang aus den Augenwinkeln an und wendete seine Blicke wieder ab. Ein wenig frische Luft werde ihm gut tun, meinte Frank, woraufhin Paul mit dem Kopf schüttelte. So kannte er ihn nicht, dachte Frank, obwohl sie schon einige Jahre befreundet waren. Dergestalt niedergeschlagen, abwesend, teilnahmslos und in sich zurückgezogen hatte er Paul noch nicht erlebt. Er musste etwas für seinen Freund tun. Aber was, fragte er sich? Und er versuchte sich klarzumachen, dass er erst einmal damit fertig werden musste, Paul wegen einer Frau unglücklich zu sehen.

      »Weißt du was?«, sagte Frank nach einer Weile. »Es fällt mir verdammt schwer, den Paul in dir wiederzufinden, den ich kenne. Da sitzt du nun vor mir, siehst aus wie er, deine Stimme klingt wie seine, aber irgendwie bist du es nicht.« Paul sah Frank unverwandt an und antwortete, dass es eben so ist, wie es ist.

      »Dass ich das jetzt wirklich richtig verstehe«, sagte Frank, »du fühlst dich scheiße wegen Tania?«

      »Was denn sonst?«, gab Paul mürrisch zurück. »Was ist denn bitte schön so schwer daran zu verstehen?«

      »Nichts! Aber diese Seite ist mir an dir bisher verborgen geblieben. Überlege doch selbst, mit wie vielen Frauen du was hattest, seit wir uns kennen. Besonders wählerisch warst du nie und . . . «

      »Bitte nicht so viele Neuigkeiten auf einmal!«, fiel ihm Paul ins Wort. »Ich habe gerade keine Lust auf so was. Und außerdem weißt du genau, dass du Recht hast. Also was willst du mir sagen? Soll ich vergessen, wie es mir geht? Soll ich so tun, als würde es mir gut gehen und nichts ausmachen, dass sie gegangen ist? Meinst du denn nicht, dass mir das auch viel lieber wäre? Aber ich sag dir was: leider ist es nicht so und ich kann nichts dagegen tun. Es geht mir scheiße! Es geht mir einfach nur scheiße! Und es hilft mir nicht, wenn du mich daran erinnerst, wie herrlich einfach es bei den Frauen war, die ich vor Tania hatte. Du hast Recht! Und nun gut!«

      Darauf erwiderte Frank lachend, dass es im Gegenteil sogar beruhigend sei, wenn Paul zwischenmenschliche Beziehungen doch ernst nehmen könne. Nicht immer habe das so ausgesehen, meinte er, und tatsächlich habe er sehr wohl bemerkt, dass sich das seit Tania verändert habe. Allerdings müsse er erst realisieren, wie ernst die Beziehung mit Tania offenkundig war, das heißt, wie ernst sie ist, wie er sich schnell verbesserte, nachdem Paul ihm einen scharfen Blick zugeworfen hatte. »Und wie soll es jetzt weitergehen, wenn ich mal fragen darf?«

      »Was weiß ich?«, antwortete Paul ärgerlich. »Irgendwann will sie sich melden. Ich soll mich auf keinen Fall bei ihr melden. Sie will Ruhe. Wenn sie überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben will.«

      Eine Weile schwiegen beide in verschiedene Richtungen und es ist schwer zu sagen, ob sie über etwas nachdachten oder nicht. Endlich war es Paul, der sich Frank zuwandte und ihn fragte, was er, und er solle ganz ehrlich sein, von der ganzen Angelegenheit hielt.

      »Ganz ehrlich, ich weiß es nicht! Ich habe so etwas noch nicht erlebt, weder persönlich noch vom Hörensagen. Mir kommt Tanias Verhalten ziemlich idiotisch vor. Sei mir nicht böse, aber das ist meine Meinung. Ich kann dir nicht einmal einen Rat geben.«

      »Schon gut. Musst du auch nicht. Ich wollte nur hören, ob das nur mir komisch vorkommt oder nicht. Gut zu wissen, dass es offensichtlich nicht normal ist!«

      Noch einmal bekräftigte Paul, wie sehr ihm die Geschichte zu schaffen machte. Er wisse nicht, wo ihm der Kopf stehe, sagte er, er fühle sich so schlecht wie nie zuvor in seinem Leben. Durch Tania habe er erst gelernt, was Liebe überhaupt bedeutet. Und so mir nichts dir nichts zog sie aus und ließ ihn voller Zweifel zurück.

      Im Grunde genommen habe er Recht, pflichtete Frank ihm bei. Und als Paul ihm auf Nachfrage noch einmal sagte, vor wie vielen Tagen sie die Wohnung verlassen hatte, erklärte er, dass das ganz und gar unfair ihm gegenüber gewesen sei. Dergleichen würde sie sich wahrscheinlich nicht bieten lassen, vermutete Frank, wenn er auf diese Weise gegangen wäre.

      »Wie lange bist du schon mit Lisa zusammen?«, fragte Paul plötzlich.

      »Es werden bald zwei Jahre.«, antwortete Frank.

      »Warum habt ihr eigentlich keine Probleme?«, fragte Paul grüblerisch. »Was macht ihr anders?«

      »Wie kommst du denn darauf?«, entgegnete Frank verwundert. »Wir und keine Probleme!?«

      »Was habt ihr denn für welche? Hab ich was verpasst? Fast zwei Jahre schon, sagst du. Ihr passt doch gut zusammen . . .«

      »Prinzipiell liegst du richtig.«, erklärte Frank überzeugt. »Doch das heißt nicht, dass du alles mitbekommen hast, was für unsere Beziehung von Bedeutung ist. Ich meine, du weißt schon, was passiert ist, aber ich glaube nicht, dass du auch weißt, wie dieses oder jenes auf uns gewirkt hat, was es vielleicht ausgelöst oder beeinflusst hat. Wie wir uns dabei gefühlt haben, wissen wir vielleicht nicht einmal selbst. Und was so alles passiert ist, das weißt du ziemlich genau.«

      »Einiges hast du mir erzählt.«, gab Paul zu. »Aber waren das Dinge, die ihr als Probleme bezeichnet? Für mich hat das immer so geklungen, als würdet ihr damit fertig werden. Jedenfalls habe ich nicht bemerkt, dass ihr euch richtig verkracht habt oder der eine auf den anderen richtig böse gewesen wäre.«

      »Das stimmt schon. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir mit den Problemen, die wir haben, einfach so fertig werden.«

      »Und was dann?«, fragte Paul. »Willst du mir sagen, dass ihr keines eurer Probleme gelöst habt?«

      »Zumindest kein wichtiges.«, erwiderte Frank.

      »Das versteh ich nicht!«, rief Paul fassungslos. »Ihr seid nicht nur für mich so etwas wie ein ideales Paar. Was seid ihr denn dann?«

      »Wir sind auch nicht anders als alle anderen. Meine Güte! Was glaubst du denn? Sieh uns doch an! Achte nur einmal auf das Äußerliche und schon wirst du bemerken, wie verschieden wir sind. Und dass wir so verschieden sind, weiß jeder! Denkst du denn nicht, dass in so einem Falle Schwierigkeiten vorprogrammiert sind?«

      »Also führt ihr keine gute Beziehung?«, wollte sich Paul vergewissern.

      »Wie soll ich dir das bloß erklären? . . . Wir führen keine schlechte Beziehung und wir haben auch nicht viele Probleme. Aber wir sind zwei verdammt unterschiedliche Charaktere und wenn wir mal Probleme haben, dann sind diese von solcher Beschaffenheit, dass wir sie kaum lösen können. Weißt du was? Am leichtesten könnte ich es dir mit Hilfe einer kleinen Geschichte erklären.«

      »Du willst mir eine Geschichte erzählen?«, fragte Paul erstaunt.

      »Wenn du willst und zuhören magst. Vielleicht würdest du dann besser verstehen, was ich meine.«, antwortete Frank und begann, seine Geschichte zu erzählen, nachdem Paul zustimmend genickt hatte.

      Hochzeitsfoto mit Dämon

      Ach Frank, wann wird es dir endlich gelingen, deinen Dämon zu besiegen?

      Lisa und Frank sitzen sich wie so oft in einem Café an einem Fenstertisch gegenüber. Ihre heiße Schokolade und sein Kaffee stehen noch nicht lange auf dem Tisch, die Zigaretten sind gerade angezündet worden, ihr Rauch erhebt sich noch kaum von der Glut. Sie schweigen. Er sieht sie kurz an und ist sich nicht mehr sicher, ob er mit ihr reden soll. Aber einzig und allein aus diesem unausgesprochenen Grund sind sie doch heute hier.

      Den