Angelika Nickel

Cemetery Car®


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der Wahrheitsfindung sein Leben gelassen hatte. Booker, dem sie am Ende den Weg ins Licht gewiesen hatte.

      Wie gut es doch war seine Stimme zu hören. Ein Lächeln huschte über Evelyns Gesicht. Wenn Booker ihnen zu Hilfe kam, würde mit Sicherheit auch alles gut werden.

      Wieder knisterte das Radio. Erneut kam Evelyn der Verdacht, dass Booker daran gehindert werden sollte, mit ihr in Verbindung zu treten.

      »Booker, was ist los? Ich kann dich nicht verstehen. Sprich lauter!«, forderte ihn Evelyn auf.

      »… hindern … Evelyn, etwas versucht mich … daran zu hindern …«

      »Wer, Booker, wer hindert dich daran?«

      »Kann ich nicht sehen … Alles dunkel … Zu verschwommen …«, drang es zerrupft aus dem Radio.

      »Ist es ein Geist, der dich hindern will?«

      »Es hat eine böse Aura …« Wieder knisterte es. Lauter, und drohend.

      »Booker, wieso sind Quentin und Kim in Gefahr?«

      »Die … Karten …«

      »Karten? Meinst du Kims Tarotkarten?«, fragte Evelyn, der ein schrecklicher Verdacht kam.

      »Kim … Gefahr …«

      Das Krachen wurde immer lauter, und die aufgekommene Atmosphäre innerhalb des Leichenwagens, machte Evelyn Furcht. Etwas Bedrohliches lag in der Luft. Sie spürte es.

      »Meinst du die Tarotkarten? Booker, rede mit mir. Sag mir, was hier los ist!«, versuchte Evelyn erneut, zu Booker durchzudringen.

      »… Karten … fehlen …«

      »Fehlende Karten? Wie viele Karten fehlen?«

      »Finden … Ihr müsst … Karten … finden.«

      »Wo, Booker, wo kann ich die Karten finden?« Evelyn presste ihr Ohr dicht ans Radio. Sie musste dringend alles von Bookers Warnung verstehen. Den Kindern drohte wieder einmal von irgendwoher Gefahr, soviel wusste sie unterdessen; was wiederum auch zu Gräulichs Kurzvision nach Shadowisland passte. Doch warum nur, und, von wem? Und was hatten die Karten damit zu tun?

      »Kim … in Gefahr …«

      »Kim? Kim ist in Gefahr? Wieso? Wer bedroht sie? Und weshalb?«

      »… Karten, muss … finden …« Grässliches Krachen folgte seinen Worten. Stille trat ein. Das Radio hatte sich ausgeschaltet. Bookers Stimme war verschwunden. Etwas hatte seinen Weg ins Diesseits unterbrochen.

      Hastig fingerte sie an dem Knopf des Radios herum, und versuchte, neuerlichen Kontakt zum Jenseits aufzunehmen. Nicht grundlos war der ehemalige Leichenwagen die Weiche zum Jenseits. Sie setzte sich aufrecht hin. Böse sah sie auf das Radio. Ihre Augen versuchten in das Innere von diesem vorzudringen, hineinzusehen in die Welt, die dahinter lag. Sie versuchte, den Blick zum Jenseits zu erhaschen. Jenem Jenseits, dem sie sich bisher noch nicht gestellt hatte, und auch noch lange nicht bereit sein würde, in dieses hinüber zu gehen. Sie wusste, dass auf der anderen Seite eine Macht stand, der es gelungen war, den Kontakt zwischen ihr und Booker zu unterbrechen. Durch Bookers Worte hatte sie erkannt, dass die Tarotkarten der Schlüssel zu Gräulichs Vision waren. Und auch wenn versucht wurde, sie am Herausfinden des Ganzen zu hindern, sie bisher immer noch nicht wusste, was es mit den Karten auf sich hatte, noch, wer hinter der Bedrohung stand, war die Li Nola dennoch nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Drohend erhob Evelyn ihren rechten Zeigefinger in Richtung Radio. Sie kreiste ihren Kopf in alle Richtungen, während ihr Ton herausfordernd war: »Wer immer du auch bist, es mag dir für heute gelungen sein, den Kontakt zu Booker zu unterbrechen, aber ich schwöre dir, wir werden wieder einen Weg finden, um zu Booker Kontakt aufzunehmen.« Evelyns Gesicht war von einer ungemeinen Härte durchzogen. »Merk dir eins, wir werden uns niemals geschlagen geben. Niemals!« Sie bebte vor Wut. So sehr, dass Cemetery Car wie ein Lavendelfeld zu riechen begann. Ihre Gestalt nahm eine drohende Haltung an. »Ich werde herausfinden, wer du bist, und, wenn dieser Tag da sein wird, dann wärst du froh, niemals meinen Namen auch nur gehört zu haben!« Ihre Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Leise, und dicht mit ihrem Mund am Radio, drohte sie: »Kreatur des Schrecklichen, wage es dir nicht, Kim etwas anzutun! Wage es nicht!« Wütend schaltete sie das Radio aus, und öffnete die Tür Cemetery Cars, um auszusteigen. Während sie die Tür des Wagens geräuschlos schloss, lag ein harter Zug um ihren Mund.

      Erneut lief sie durch die alten Gassen Frankreichs. Sie lief an der Seine entlang, kam an der Kathedrale St. Claire vorbei. Im Vorbeigehen konnte sie noch den Rock des Priesters sehen, der die Tür der Kathedrale schloss.

      Nachdenklich sah sie zu der breiten Kirchentür. Wieso war sie hierher gekommen? Was hatte sie zur Kathedrale geführt?

      Evelyn li Nola hatte Kim nur um wenige Minuten verfehlt.

      13 – Duval du Noir

      »Professor, was ist mit Ihnen?« Amore schaute besorgt auf den Professor. Was war nur los mit ihm? Hatte er sich den Magen mit etwas verdorben? Gleich nach dem Frühstück, kurz bevor sie zum Louvre aufbrechen wollten, überkam Gräulich urplötzlich ein Gefühl des Unwohlseins, so dass der Besuch des Louvres auf einen anderen Tag verschoben wurde.

      Da auch Madame sich nicht wohlfühlte, hatte auch sie sich auf ihr Zimmer zurückgezogen.

      Sie hoffte, dass sich Evelyn wieder bei ihr melden und sich mit ihr aussöhnen würde.

      Quentin und Kim wiederum zogen es auf Grund dessen vor, den Tag alleine zu verbringen und mit Cemetery Car ein wenig von der Gegend Frankreichs zu erkunden.

      Salvatore, der sich sehr um den Professor sorgte, entschied sich dafür, ihn nicht alleine zu lassen, sondern mit ihm nach oben zu gehen.

      Gräulich wehrte ab, kam jedoch gegen Salvatores Fürsorge nicht an.

      Kaum im Zimmer angelangt, wurde der Professor von Übelkeit und Schwindelgefühl geplagt, so dass er es vorzog, sich ins Bett zu legen. Es dauerte auch nicht lange und er war eingeschlafen.

      Nach wenigen Minuten bemerkte Salvatore, der im Sessel saß und den Professor nicht aus den Augen ließ, dass das Gesicht des Professors rot glühte. Besorgt setzte er sich zu ihm ans Bett. Mit der Hand fühlte er seine Stirn. Gräulichs Stirn glühte.

      Fieber, er hat Fieber, sorgte sich Salvatore.

      Gräulich bäumte sich auf, den Blick verwundert auf Salvatore gerichtet, doch noch, bevor der Professor etwas sagen konnte, sank er ohnmächtig aufs Kissen zurück. Eine Vision hatte den geschwächten Körper Gräulichs überkommen …

      …

      … Duval du Noir war glücklich. Er hatte alles, wovon er bisher geträumt hatte. Dennoch gab es in seinem Glücklichsein eine Einschränkung, doch darüber redete Duval du Noir nur ungern.

      Zusammen mit seiner Frau Riviera hatte er das Hotel nach seinen Wünschen erbauen lassen. Es war ein nobles, sehr anspruchsvolles Hotel. Seinen Namen Le Petite verdankte das Hotel der Liebe Duval du Noirs zu seinem Sohn Richelieu.

      Riviera du Noir jedoch war keine glückliche Frau. Sie war oftmals sehr launenhaft, worunter Duval du Noir und das Personal des Le Petites sehr zu leiden hatten.

      Mitunter schloss sie sich tagelang in ihrem Zimmer ein, dann wiederum war sie stets und überall gegenwärtig.

      Die Du Noir war eine rassige Französin. Ihr schwarzes Haar fiel ihr wallend auf die Schultern und ihre grünen Augen blickten oftmals sehr missgünstig drein. Dabei hatte Riviera du Noir alles, um glücklich sein zu können. Alles bis auf eins: Sie hatte sich so sehr bei der Geburt ihres Sohnes Richelieu gewünscht, dass sie ein Mädchen zur Welt bringen würde. Wie groß war ihre Enttäuschung, als sie sah, dass sie einen Jungen zur Welt gebracht hatte. Ausgerechnet einen Sohn. Einen Sohn, den sie niemals gewollt hatte, hatte sie gebären müssen. Sie wollte keinen Sohn, hatte niemals den Wunsch nach einem Sohn verspürt. Und sie nahm es dem Jungen