Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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von seiner Rückkehr kündete, stand lediglich die Magd Solveig einsam am Steg. Sie zerknautschte ihre Schürze, als wolle sie diese eigenhändig erwürgen. Und als sie Skryrmir erblickte, der am liebsten schon vor dem Einlaufen ins Wasser des Fjords gesprungen wäre, um schwimmend so schnell wie möglich einzutreffen, zuckte sie zusammen. Und das würden an diesem Tage noch etliche tun. Offensichtlich hatte sich die ganze Siedlung vor Skryrmir und dessen gefürchtete Reaktion in Sicherheit gebracht.

      Skryrmir sprang auf den Steg: »Was ist hier los? Wo ist Numa? Und wo sind die Kinder?«, fragte er barsch, sodass Solveig unwillkürlich zusammenfuhr.

      »Herr… Du trägst einen Verband? Was ist mit deinem Auge geschehen?«, bemerkte sie verunsichert.

      »Ach, das ist nichts! Nur ein Kratzer!«, wiegelte er ab. »Und wo ist mein nichtsnutziger Bruder?«, keifte er wütend.

      »Hackbart ist in der großen Halle. Und die Kinder haben wir mit Aenna aus dem Haus geschickt… Es ist so schrecklich!... Sie sollen… es... nicht mitanhören müssen...«, gab Solveig zitternd von sich. Die Arme wurde immer unsicherer, weil sie sich von Skryrmirs ungewohnten Anblick zutiefst irritiert fühlte.

      Der reagierte ziemlich gereizt: »Was mitanhören? Weib! Ich habe dein Gestammel satt! Ich werde selbst nachsehen, was da vor sich geht!«, brummte er ungehalten und stapfte zur Drachenburg. Noch bevor er das Tor durchschritt, hörte er einen durchdringenden Schrei und danach setzte eine Stille ein, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb. Er verfiel in einen raschen Lauf und stürmte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, in die große Halle. Und genau dort traf er Hackbart an, der käsebleich vor sich hin stierte und ein gequältes Gesicht machte.

      »Bruder!«, lallte dieser nicht mehr nüchtern. »Tut mir leid! Aber deine kleine Skythin kreischt, äh… kreißt schon eine ganze Weile! Von wegen, die Frauen wären so zäh wie ihre Pferde! Ah, jetzt ist es ruhig!«, bemerkte er.

      »Bei Odin!«, schnaubte Skryrmir kopfschüttelnd. »Normalerweise müsste ich mich betrinken! Wie lange geht das schon so?«, begehrte er zu wissen.

      »Keine Ahnung, seit gestern Morgen? Haben wir etwa schon wieder Mittag?«, fragte er leicht verwirrt und nahm seinen Bruder in Augenschein. »Was hast du mit deinem Auge gemacht?«

      »Nichts Tragisches, nur ein Kratzer! Wenn dir schon die Nerven durchgehen, werde ich sofort nachsehen, was da drinnen passiert!« Der Ältere machte einen verärgerten Laut und überließ Hackbart sich selbst. Inzwischen war auch Solveig atemlos eingetroffen und lief Skryrmir wie ein Hündchen hinterher.

      Wie ein wilder Derwisch riss der Nordmann die Tür zur Schlafkammer auf. Das Bild, das sich ihm bot war grauenhaft.

      Mathilda stand vor Numa, die in ihrem eigenen Blut lag. Margitta hielt der Gebärenden die Hand und tätschelte diese ununterbrochen und redete ihr gut zu. Nur nützte es der armen Numa rein gar nichts, weil sie nicht mehr bei Bewusstsein war. Merle wuselte unterdessen herum und kümmerte sich derweil um heißes Wasser und saubere Tücher.

      »Bei Odin! Was macht ihr mit meiner Frau?! Und wo ist Ylva?!«, brüllte Skryrmir so laut, dass Merle vor Schreck die Waschschüssel fallen ließ.

      Die renitente Mathilda ließ sich jedoch von Skryrmirs wildem Auftritt nicht scheu machen. »Wenn du hier herumbrüllst, wird die Geburt auch nicht leichter! Und Ylva hat sich während deiner Abwesenheit mit Numa in die Haare gekriegt! Sie wollte ihr während der Schwangerschaft das Reiten untersagen. Du kennst gewiss deine Frau, die über dieses Thema ihre eigene Meinung hat. Dennoch, nachdem ihre Kugel so groß wurde, dass sie nicht mehr aufs Pferd steigen konnte, hatte sich dieses Thema sowieso erledigt. Wir haben ein Problem: Das Kind ist zu groß. Es wird sie umbringen. Sie hat keine Kraft mehr! Wenn du Ylva dabeihaben willst, musst du sie schon selbst holen. Wir schickten bereits ein paar Male nach ihr. Doch sie gab sich stur, dieses alte, verrückte Weib!« Für eine Christin hatte Mathilda einen reichlich unchristlichen Ton am Leib. Vor allem, wenn es um Ylva ging, die in ihren Augen so etwas wie eine Dämonin verkörperte.

      Zumindest hatten ihre ungeschönten Worte Wirkung auf den erregten Skryrmir gezeigt. Der machte auf dem Absatz kehrt und stapfte wutschnaubend aus dem Haus. Nebenbei packte er einen Ziegenbock bei den Hörnern und schleifte das Tier mit sich, welches nicht ohne Protest diese Behandlung über sich ergehen ließ. Die Seherin Ylva wohnte nicht wie alle anderen in der Siedlung. Die wunderliche Frau lebte etwas außerhalb, ganz in der Nähe des Götterhains. Skryrmir klopfte nicht, sondern trat mit lautem Krachen die Tür ihrer Hütte ein. Und das mit dem Ziegenbock im Schlepptau, der noch immer meckerte.

      »Ylva!«, brüllte der Blonde und packte sie am Schlafittchen.

      Diese zeigte sich wenig beeindruckt, obwohl sie mit dem Tier beinahe von Angesicht zu Angesicht hing. »Du trägst selbst schuld an dem, was passieren wird!«, giftete die Alte. »Odin will dich bestrafen, weil du eine Fremde mitgebracht hast, die nicht zum Göttervater Odin betet, sondern zu einem anderen Gott! Er stellt dich auf die Probe, will sehen, wie weit du bereit bist für ihn zu gehen!«

      »Schweig, Weib! Ich werde meine Frau nicht zwingen, ihren Glauben aufzugeben, denn das tat ich bisher bei niemandem. Odin führte mich zu ihr! Es war sein Wille! Geh, und sieh zu, dass du nicht in meiner Schuld stehst. Ich werde derweil dem Allvater und den Göttern Asgards ein schlichtendes Blutopfer bringen. Solltest du dennoch Numa deine Hilfe verweigern, wirst du die Nächste sein, die ich den Göttern opfere!«

      »Wie immer sind deine Argumente äußerst überzeugend!«, sagte die Alte, und ruderte mit den Füßen in der Luft herum, zum Zeichen dafür, dass sie nur dann gehen könne, wenn sie genug Boden darunter habe.

      Skryrmir setzte sie ab, richtete fürsorglich ihre Kleidung.

      Die Heilerin gab ein Knurren von sich und stemmte ihre dürren Arme in die Hüften. »Auch wenn du mein Fürst bist, vergiss nicht, dass du in meiner Schuld stehst! Schließlich half ich dir schon auf die Welt! Und was hast du Bengel mit deinem schönen Auge angestellt?«, fragte sie drohend, ganz so, als wenn es ihr eigenes Auge gewesen wäre.

      »Nichts, nur ein kleiner Kratzer!«, wiegelte der Hüne wieder ab. Doch bei Ylva kam er mit dieser Masche nicht durch, denn die Alte zog geschickt, verborgen in seinem toten Winkel, den Verband mit einem raschen Ruck herunter.

      »Was? Einen Kratzer nennst du das? Junge, dir fehlt dein linkes Auge!«, gab sie ihm Kontra, als sie das Desaster untersuchte. »Wer war das? Und weißt du, was das für dich bedeutet? Du wirst nie wieder ohne jemanden kämpfen können, der dich auf deiner blinden Seite deckt!«

      »Das war ein dreckiger Bastard aus Northumbria. Als Revanche habe ich ihm ein paar blutige Flügel verpasst. Bei Durham gerieten wir in einen Hinterhalt. Aus irgendeinem Grund wussten sie, dass wir kommen. Nun, ich weiß, was es bedeutet, einäugig zu sein, aber ich werde mir etwas ausdenken. Könntest du das vorerst für dich behalten?«, grummelte er zerknirscht.

      »Tja, der Einäugige ist unter den Blinden der König. Ist es geschmacklos von mir, zu behaupten, dass du noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen bist?«, gackerte die alte Heilerin hinterhältig.

      »Geh, du verrückte Vettel, und rette meine Frau!«

      Zum Dank für ihren zynischen Kommentar, gab Skryrmir ihr einen sanften Schubs, der ihr so viel Schwung verlieh, dass sie damit in Windeseile bis zu den Resten der Hüttentür kam, durch die sie dann auch verschwand.

      Anstatt ihm aus dem Auge zu gehen, kam sie wieder zurück. »Ich brauche meine Zutaten!«, sagte sie, schnappte sich einen Korb und bestückte ihn mit Tiegeln, Tinkturen und Behältern, welche mit verschiedenen Kräutern gefüllt waren. Nachdem sie das erledigt hatte, eilte sie mit wehenden Haaren von dannen.

      Der Stammesfürst verließ die Hütte mit dem Ziegenbock im Schlepptau, dabei machte er sich eine geistige Notiz, um nicht zu vergessen, die Tür der Heilerin reparieren zu lassen.

       Dann ging er zum Altar des Götterhains und opferte den Ziegenbock. »Odin, nimm diese Gabe! Nimm ihn, aber lass mir bitte meine Numa! Mein Gott, ich bitte dich selten um einen Gefallen, denn ich bin dein dir ergebener Diener! Nimm nicht meine Frau!«, bat er mit Inbrunst und nicht minder verzweifelt. »Hier und