Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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trillernden Walküre entführen lässt, nur um wieder einen Gefallen einzufordern. Tja, dies habe ich eindeutig meinem Vater zu verdanken. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen, oder heulen soll.«

      »Okay, kann ich verstehen!«, gab mein Sohn zu.

      Selig sah Numa auf ihren Sohn, der glückselig an der Brust seiner Mutter nuckelte.

      … Ich finde übrigens noch heute Frauenbrüste umwerfend!…

      Der große Nordmann überlegte: »Vielleicht sollten wir ihm den Namen seiner Mutter geben?«

      Die Heilerin verdrehte die Augen. »Du willst ihn doch nicht etwa Numa nennen?!«

      »Nein, er heißt jetzt mit Zweitnamen Attila. Seine Mutter weiß schon warum«, zwinkerte er Numa verschmitzt zu.

      Und weil ich das siebte Kind meines Vaters bin, bekam ich als Drittnamen den Namen Septimus, also der »Siebte« aufs Auge gedrückt. Ich finde diese Wortkreation einfach nur zum Kotzen. Wer will schon Ragnor Attila Septimus heißen?…

      *

      Eine Sprache mit Geschick handhaben heißt, eine Art Beschwörungszauber betreiben.

      (Charles Baudelaire)

      Wie die Zeit verging! Inzwischen war es beinahe Mittag. Unten im Hausflur drang einen Tumult zu uns hinauf. Knistern und Lachen konnte ich ausmachen. Aha, die drei Grazien waren wieder eingetroffen. Die Mädchen stürmten in die Bude, bepackt mit Taschen, Tüten und Kartons. Sofort bereute ich, ihnen einen Blanko-Scheck ausgestellt zu haben.

      Wenig später kamen sie in die Küche und zeigen sich in all ihrer verschwenderischen Pracht. Sascha und Mara trugen bauschige Brautjungfer-Kleider mit Pailletten besetzt, in rosafarbigem Satin, mit vielen Rüschen. Jule war mit ihrem Brautkleid ausgestattet. Es besaß eine Krinoline, die sie wie eine wandelnde Käseglocke aussehen ließ. Diese sollte natürlich ihren täglich anwachsenden Babybauch kaschieren.

      »Na, wie sehen wir aus?«, fragte Sascha erwartungsvoll.

      Ich sah mir das weiß-rosa-farbige Rüschen-Desaster etwas genauer an: »Hm, ich weiß nicht… Wie diese süßen Dinger mit den Kokosraspeln obendrauf. Ach ja, die nennt man Kokosmakronen! Die gibtʼs in rosa und weiß!«, grinste ich amüsiert.

      »Ernsthaft?«, stöhnten die Damen enttäuscht.

      »Agnir?«, fragte Jule erwartungsvoll, da sie hoffte, ihr kleiner Bruder besäße eine weitaus bessere Urteilskraft als ihr Vater.

      »Hm, wie eine Tüte voller Mäusespeck!«, grinste Agnir.

      Die rabiate Mara ergriff das Wort: »Auch du, Brutus? Zur Strafe werdet ihr Kerle nackt gehen müssen. Ich hänge Schilder mit der Beschriftung ›No Smoking!‹auf«, drohte sie uns.

      »Ist das aus einem Glückskeks, oder hast du dir das selbst ausgedacht?«, lachte ich. »Ist doch egal, ihr seht auf jeden Fall süß aus! Und jetzt geht mir aus den Augen, bevor ich mich gezwungen sehe, in eine von euch hinein zu beißen!«, wedelte ich sie von dannen.

      … Frauen! Ich verstehe einfach nicht, wie Frau sich für so einen Haufen Schotter, so einen Quatsch kaufen kann. Vor allem, wenn die Kleider nur einmal im Leben getragen werden. Hinterhältiger kann ein Vater nicht ausgeraubt werden, als durch seine heiratsfähigen Töchter. Was soll´s? Ich konnte ihnen von jeher nie einen Wunsch ausschlagen...

      Agnir schien etwas auf dem Herzen zu haben.

      »Wolltest du mich etwas fragen? Nein, du bekommst nicht auch noch einen Blanko-Scheck! Außerdem bleibst du gefälligst die nächsten zehn Jahre unverheiratet, bis ich mich finanziell einigermaßen wieder konsolidiert habe«, scherzte ich.

       »Nein, eine Frage beschäftigt mich dann doch. Hast du dich eigentlich ungeliebt gefühlt, weil dein Vater dich, anstatt seiner Frau, opfern wollte?«

      »Nein, meine Eltern liebten mich sehr. Ich kann verstehen, warum mein Vater sich für Numa entschied. Immerhin war ihm bereits eine Ehefrau gestorben. Er liebte meine Mutter sehr. Ohne sie konnte er sich sein Leben gar nicht vorstellen. Niemand will ohne Liebe leben«, gab ich zu. »Mit dem Tod deines Partners stirbt auch ein Teil von dir selbst.«

      … Als meine Frau Amanda starb, wanderte ein Teil von mir mit ins Grab. Es ist, als hätte jemand mein Herz herausgerissen…

       So fuhr ich fort: »Meine Mutter war ein außergewöhnlicher Mensch. Sie schenkte mir durch ihre Liebe zweimal das Leben. Ihre Erfahrungen, die sie mit den Pferden machte, ließ sie instinktiv genau das Richtige tun. Heutzutage ist Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage in der Ersten Hilfe eine Normalität. Doch vor zwölfhundert Jahren wusste niemand, dass so etwas überhaupt möglich war. Im Grunde genommen, verdankte sie dieses Wissen ihrem Vater. Da Temudschin so viele Töchter sein Eigen nannte, mussten diese wie Söhne mit anpacken. So vermittelte er ihnen Fertigkeiten und Wissen, welches sie im Leben umsetzen konnten. Sogar die Heilerin Ylva zollte meiner Mutter ihren Respekt, als sie mich ins Leben zurückholte.«

      »Ist schon seltsam, dass du an einem Tag gleich zweimal Geburtstag feiern konntest. Stell dir mal vor, Ylva hätte dich gleich fortgebracht. Dann würden wir beide hier nicht sitzen. Apropos, sitzen, wollen wir nicht ein wenig rausgehen?«, fragte Agnir.

      Wir gingen hinters Haus, in den Garten. Dort war unser Gazebo aufgebaut, der uns sowohl frische Luft, als auch Schatten spendete. Wir hatten eine Kühlbox mit Blutkonserven dabei. Ein kühler Snack für Zwischendurch.

      »Dass Ylva meine Herztöne nicht feststellen konnte, lag wahrscheinlich daran, weil ich eine Dextrokardie infolge eines Situs inversus habe. Das bedeutet, meine inneren Organe sind alle spiegelverkehrt angeordnet. Das ist gar nicht mal so selten, wie ich vermutete. Das kommt bei einem von 25000 Menschen vor. Mich hat dieser Umstand schon sehr oft vor dem totalen Untergang bewahrt. Schließlich denkt jeder, das Herz wäre auf der linken Seite. Das bleibt aber unter uns. Das wissen nur eine Handvoll Leute, also geh damit nicht hausieren!«

      Mein Sohn staunte nicht schlecht. »So etwas habe ich noch nie gehört. Meinst du, Odin hat etwas damit zu tun?«

      »Nein, das ist einfach nur eine Laune der Natur. Vielleicht hat meine Mutter während der Schwangerschaft durch das Reiten meine Organe durcheinandergewürfelt, wer weiß das schon?«

      Agnir nickte. »Ach, und eine Frage habe ich noch. Was machte dein Vater mit seiner blinden Seite? Ihm fehlte schließlich ein Auge. Er versprach, als Ylva ihm sagte, er könne nicht ohne jemanden kämpfen, der seine blinde Seite decke, er würde sich etwas ausdenken.«

      »Stimmt, das habe ich beinahe vergessen zu erwähnen. In den Breitengraden, bei uns hoch im Norden, sind die Winter lang und dunkel. Vater nutzte seine Zeit nicht nur, um sich mit seiner Familie zu beschäftigen. Ohnehin grübelte er ständig herum, was er verbessern konnte. Dazu muss ich sagen, dass bei uns diese großen Wolfshunde stets zugegen waren. Mein Vater brachte sie eines Tages von den Britischen Inseln mit, weil sie ihm gut gefielen. Wenn die pinkelten, setzten sie schon mal den halben Weg unter Wasser. Heute nennt man sie meines Erachtens Irische Wolfshunde. Aus ihnen wurde später die Deutsche Dogge gezüchtet. Sie haben aber ein längeres, raues, meist graues Fell. Der Hochadel ging gerne mit ihnen Wölfe und Großwild jagen. Eine unserer Hündinnen hatte einen sechswöchigen Wurf. Mein Vater nahm sich den ganzen Tag Zeit, die Welpen auf ihren Charakter hin zu prüfen. Er entschied sich für einen männlichen Welpen, der ein neugieriger Draufgänger war. Für seinen Plan durfte der Hund keinerlei Furcht zeigen. Als es an der Zeit war, die Tiere von der Mutter zu trennen, nahm er den Welpen zu sich und trainierte ihn darauf, sich stets an seiner linken Seite aufzuhalten. Gewissermaßen war er einer der ersten Behindertenbegleithunde in der Geschichte. Während eines Kampfes, durfte der Hund nicht furchtsam den Schwanz einziehen und flüchten, sondern meinem Vater zur Seite stehen. Und falls sich jemand die blinde Seite meines Vaters zunutze machen wollte, musste er in den Kampf einschreiten. Mit genügend Geduld und Spucke, brachte es mein Vater fertig, ihn zu seinem treuen Begleiter und guten Kampfgefährten zu machen.

      »Wie hieß der Hund?«, wollte Agnir wissen.

      »Managarm, so wie der