Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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sind mit einem Wasser- Kreidegemisch. Nachdem dann das Wasser verdunstet ist, sieht man aus wie ein Zombie oder man denkt, man sei in Amerika auf einer Halloween Party.

      >> Was hattest du einen Mords Spaß<<

      Mir war auf einmal sehr komisch, als ich in einer „Rechtskurve“ (Man achte auf die Details), in Thailand herrscht Linksverkehr und in dem Jeep, den ich eigens für unseren Urlaub zwei Wochen gemietet habe, plötzlich der Beifahrersitz leer war.

      >> Vivi …um Himmel Willen, wo bist du!?<<, rief und dachte ich.

      Die ganze Beifahrervermissten- Aktion dauerte keine 20 Sekunden. Aber mir kam es wie eine kleine Ewigkeit vor.

      Ich stellte mir schon die Horrorszene vor:

      > >Sirenen der Rettungsfahrzeuge und Not- Ambulanz. Der Hubschrauber findet keinen Landeplatz, da die Straßen voll sind mit Songkranverrückten. Sanitäter rufen nach Blutspender „A Rhesus negativ“. Ich komme nach Kambodscha zu den roten Khmer ins Gefängnis. Muss in den Tagebau und in der sengenden Hitze nach Rubinen zu suchen. <<

      Aber, keine Schreie, keine quietschenden Reifen und auch keine rotierenden Geräusche von Hubschraubern, denn eine mir vertraute kindliche Stimme rief:

      >> Hier, hier, hier! <<

      Ihr kleines braungebranntes Gesicht sah mich leicht erschrocken an und ihre von der Sonne ausgeblichenen blonden Haare wehten leicht im Wind, wobei blonde Strähnen ihr Grinsen bedeckten. Dann rief sie:

      >>Hier bin ich Papa, es ist nichts passiert, bitte lass uns weitermachen, es ist sooooo lustig! <<

      Im Fahrzeug waren zwar Sicherheitsgurte, diese hatten wir in unserem fahrenden Panzer leider nicht angelegt, denn was sollte schon passieren in der Stadt. Und Türen, na ja Fehlanzeige? Der kleine Kacker war einfach der Fliehkraft ausgesetzt und hielt sich nicht fest, da sie ja in erster Linie damit beschäftigt war, Menschen mit dem Inhalt ihres Mini-Wasserwerfers zu überraschen.

      Meine Aufsichtspflicht und das Bewusstsein waren bis zu diesem Tag noch nicht ausgereift genug, um das Risiko zu umreißen.

      Gott sei Dank, bog ich nicht schnell ab! Passiert ist außer kleineren Schürfwunden nichts. Seit diesem Erlebnis wird immer der Sicherheitsgurt angelegt.

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      Nach dieser Rast geht es dann weiter über die Leverkusener Rheinbrücke. Flussaufwärts werde ich auf dieser Seite bis nach Koblenz bleiben können. Wir fahren noch einige Kilometer und ich bemerke, wie es immer stiller hinter mir wird.

      Vivien hält es kaum noch im Sattel, sie steht nur noch in den Pedalen.

      >>Papa, wie weit ist es noch? <<

      >>Bis zum Kölner Dom sind es noch circa 10 Kilometer Vivi...gleich sind wir da, halte durch! <<, spreche ich.

      Bis auf die „Ford Werke“ in Köln können wir schön am Rhein entlangfahren und nach weiteren fünf Kilometern erreichen wir die Rheinuferstraße, die direkt bis zum Kölner Dom führt.

      Trotz massiver Kampfansage zwischen Sattel und Vivi`s Hintern, beißt sich die Kleine durch und so erreichen wir den Kölner Hauptbahnhof.

      Zwangsweise befördern wir unsere Räder in schiebender Weise durch die Menschenmassen des Bahnhofes, bis wir den Haupteingang passieren und vor uns der Kölner Dom im vollen Glanz eines wirklich wunderbaren Sommertags erscheint. Da Vivien den „Ich fahre auf keinen Fall mehr Rad“ Blick aufgelegt hat, benutzen wir den durch Zufall gefundenen Fahrstuhl, um damit auf die Domplattform zu gelangen. Und so bleibt uns noch einige hundert Meter Schieben erspart.

      Da ich mich schon fernmündlich für den Eintrag des Pilgerstempels angemeldet hatte, weiß ich, wo ich mir diesen abholen kann. Vivien nutzt die Gelegenheit, um ihren Nikotinhaushalt wieder aufzufrischen und schmeißt sich ein paar Glimmstängel rein. Auf dem Weg zum Glockenmeister erinnere ich mich noch an „Hoppi“ einen früheren Stammtischler. Ein 1,90 Meter großer, dunkler Typ und Brillenträger, sehr sympathischer Mensch oder jetzt auch Geistlicher. Zuerst hatte er Lehramt studiert und dann zur Theologie übergewechselt. Jetzt residiert er als Domvikar im Kölner Dom.

      >>Wenn der Mal sein Auto abstößt, werde ich es kaufen und sollte er Papst werden, so ist die Karre ein Vermögen wert. <<

      Spaß beiseite. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass der Domvikar Tobias Hopmann, genannt „Hoppi“ mir noch in diesem Jahr im Oktober begegnen wird und zwar anlässlich der Taufe von Tom Simon. Nach der Taufe gibt es noch eine Miniführung durch den Hochaltar- Bereich und wir dürfen untern den „Dreikönigenschrein“ schreiten. Der Kölner Dom ist das meist besuchte Bauwerk Deutschlands so berichtet „Hoppi“.

      Nachdem ich meinen ersten großen Stempel, denn den habe ich mir auch nach gefahrenen 35 km verdient, im Pilgerausweiß erhalte, gehe ich zurück zur Tochter und präsentiere ihr stolz diesen Stempel.

      >> So, wo gehen wir denn Frühstücken? <<, frage ich.

      >> Also von mir aus müssen wir nichts mehr suchen und wenn Du möchtest, kannst Du gerne weiter Richtung Koblenz fahren Papa! <<

      Gesagt und getan, ich hatte auch das Gefühl, jetzt mal endlich Gas geben zu wollen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander, drücken uns kräftig und versprechen, dank moderner Kommunikationsmittel im ständigen Kontakt zu bleiben. Dass meine geliebte Tochter, sich nahe dem Kölner Hauptbahnhof befindend, mit dem Fahrrad wieder nach Hause fährt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

      Es ist, wie bei diesem schönen Tag anzunehmen, auch richtig brutal voll und ich muss mein Rad teilweise noch bis zum Rhein schieben. Nach dem Passieren des Schokoladenmuseums lichtet sich das Menschenaufkommen und ein Fahren im aeroben Zustand wird möglich.

      Gleich hinter Köln der erste Wegweiser.

      >> Wie geil ist das denn, Hammer, ein blauer Aufkleber mit gelber Pilgermuschel auf einem Straßenschild! <<, merke ich lautstark an. Es war ja keiner da den ich störte, aber selbst wenn, egal! Ich bin also auf dem richtigen Weg.

      >>Was für ein schönes Gefühl, jetzt bin ich ein Peregrino! <<, dachte ich mir.

      Den Rhein bei diesem Kaiserwetter entlang zu fahren oder wie ich jetzt empfinde, zu gleiten, ist ein sehr schönes Gefühl. Der ständige Wechsel von Schatten in der jetzt fast prallen Sonne ist sehr schön. Zwischendurch immer das Trinkwasser nachgefüllt, denn jetzt wird der Wasserbedarf mit den steigenden Temperaturen doch deutlich höher.

      Die Erfahrung, nicht genug Trinkwasser zu haben, habe ich einige Wochen später gemacht. Ich bin kollabiert:

      >>Quatsch kollabiert, – verreckt wäre ich bald<<, weil ich die Hälfte meiner 40 Grad warmen Wasserplörre einer erschöpften Frau gab, die wie ich meinte, der „Camino Natural“ ist der einzig wahre Pilgerweg. Aber auch dazu später mehr.

      Mittlerweile steht der Lorentz hoch am Himmel und es ist fast 32 Grad. Vater Rhein reflektiert die Sonne und es glitzert und funkelt wie Diamanten „River VSS“, wenn tausende kleine Miniaturwellen die Strömung brechen.

      Ich erreiche entlang des sehr gut ausgebauten Radwegs Rodenkirchen. Hier auf dem Campingplatz direkt am Rhein war ich vor vielen Monden mit meiner „entschleunigten“ Jugendgruppe angekommen. Wo mir viele Väter folgende Weisheit einredeten:

      >>Daran werden sich die Kinder ein Leben lang erinnern! <<.

      Das höre ich immer noch wie heute. Aber mal ehrlich, der einzige der sich angenehm erinnert, bin einzig und alleine nur ich.

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