Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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mir zu diesem Zeitpunkt vollkommen fremd war, war dieser extreme Alkoholkonsum. Wenn ich daran denke, was hier an „Alk“ angekarrt wurde. 20 Kisten Bier,10 Flaschen Schnaps wie Hörner Whisky, Ouzu, Linie usw. und das für fünf Leute und vier Tage. Der reinste Wahnsinn! Was auch nicht fehlen durfte war, Maloxan, denn der Magen muss ja immer beruhigt werden. Mir waren diese Alkoholexzesse absolut fremd. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch einen Handwerksbetrieb mit 15 Mitarbeitern und Alkohol und von Latten passten genau so wenig wie Putin und die Krim zusammen. Damit der „Alkpegel“ immer oben gehalten wurde, dienten topographische Bauwerke zu Aussprüchen wie:

      >> Jetzt einen Brückenschnaps! <<

      Als die Brücken ausblieben.

      >> Jetzt erst mal einen Schleusenschnaps! <<

      Als die Schleusen ausblieben.

      >> Jetzt erst mal einen Gebäudeschnaps! <<

      Einer unserer Alkoholexzesse endete wie folgt:

      Zum Übernachten suchten wir ein schönes Plätzchen. Ich hatte das Boot, welches 10 Meter lang war und immerhin 10 Tonnen wog, sicher im Princes Margret Kanal an einer vorgelagerten Insel angelegt und instruierte meine Crew, das Boot zu befestigen. Da hier kein Bootsanleger war, erforderte dies ein wenig Improvisation und Feingefühl des Kapitäns. Diese meine vollgesoffene Crew lachte sich weg und Herbert und Jochen taumelten von Bord. Ich konnte das Schiff, dank günstiger Winde und Bugstrahl sanft an der Uferböschung halten. Beide Vollgesofskies fixierten das Boot an Bäumen, die genau an Steuerbord standen, doch noch erstaunlich gut. Genau wo unser Landgang war, mussten wir immer einen großen Schritt machen, sonst wären wir in einem 30 x 30 cm großem Morast Loch mit einem Bein versunken. Das Boot wollte ich aber nicht mehr versetzten und so ist jeder von uns einmal oder viermal mit einem Bein darin versunken.

      Der Versuch auf dem Gasgrill unsere übergroßen Steaks so zuzubereiten, dass daraus essbare Nahrung wird, scheiterte zum einen am Material und zum anderen am alkoholisierten Zustand der Akteure. Irgendwann wurden zwei Dosen Ravioli geöffnet, um den Hunger zu stillen.

      Wie wir das immer heil überstanden hatten? Ich muss hier anmerken, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine Alkoholkontrollen von der Niederländischen Schifffahrtspolizei gab.

      An eine weitere Erfahrung wurde ich auch herangeführt. Es war der 21. Mai 1997 der FC Schalke (oder wie mein Sohn sagt: Papa „Schalke“ sagt man nicht) holt den UEFA Cup. Das Boot war angelegt, der Hafenmeister hat uns mit Strom und Wasser versorgt und wir feierten weiter. Heinz hatte im Coffee Shop noch etwas zu Rauchen geholt und so wurde ich auch ans Kiffen herangeführt. Allerdings mit einem für mich einschneidenden Schlüsselerlebnis.

      Wir den ganzen Tag Alkohol vernichtet hatten und ich nicht mehr Herr meiner „Schwachsinne“ war, denn der Alkohol und das Gras hatten eine sehr wechselhafte Wirkung auf meinen Organismus genommen. Vom Landgang hatte ich mich wegen Unzurechnungsfähigkeit vom I. Offizier abgemeldet. Ich war wirklich fertig, meine Crew, angefeuert von Heinz dem Oberkiffer, hatte ihren Spaß daran unter starken >>Hihi hihi Hahaha << das Boot mittels Muskelkraft in heftigem Seegang zu versetzten. Ich wurde erstmals seekrank und fütterte die Fische. Das war es dann auch mit diesem Zeug für alle Tage gewesen.

      Bei diesen Touren wurde unter anderem Skat gespielt und weil die Chemie stimmte, entstand ein Skatclub und einmal im Jahr unternahmen wir eine Reise oder charterten ein Boot.

      Vor seinem unerwarteten Ableben, ist der Herbert noch ein letztes Mal mit mir auf Boots Tour auf der Mecklenburger Seenplatte gefahren.

      Schade, leider gibt es auch diese Interessengemeinschaft nicht mehr! Aber es war eine schöne Zeit mit Jürgen, Jochen, Heinz und Herbert.

      Mit einem der Herren gab es aber leider auch, eine für mich unangenehme Lebenserfahrung. Seitdem handele ich wie folgt: Sollte mich jemals in meinem Leben wieder ein Freund um einen Geldbetrag jenseits der vierstelligen Summe anpumpen, so stelle ich mir zuerst die Frage:

      >>Kann oder will ich auf diesen Menschen verzichten?! <<

      Wenn er mir wichtig ist, dann borge ich ihm entweder kein Geld oder, vorausgesetzt ich habe genug, schenke es ihm. Soviel dazu.

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      Jetzt fahre ich mit dem Rad unter der Moseltalbrücke her, die ich schon so oft mit dem Auto auf der A 61 befahren habe. Wenn sich der Fokus beim Überqueren voll und ganz dem Moseltal widmet, lassen meine Augen jetzt gerade nicht ab, dieses gewaltige Brückenbauwerk von unten zu bewundern.

      Diese Brücke verbindet mit ihren 935 Metern den Hunsrück mit der Eifel. Die Höhe über dem Grund beträgt 136 Meter und im Falle eines Krieges, besitzt diese Brücke im Inneren des Stahlbaus eine Vorrichtung, die mit Sprengstoff gefüllt werden kann, um sie ggf. zu zerstören.

      Weiter geht es der Mosel entlang vorbei am Alkener Burgberg und an Löf. Leider bleibt auch hier der Versuch vergeblich, einen Stempel für meinen Pilgerausweis zu bekommen. Es ist schon wieder sehr warm und zwischendurch versorge ich mich immer wieder mit Trinkwasser und Essen.

      Entlang der Mosel zu fahren, ist sehr angenehm. Immer schön am Wasser entlang auf einer fast geraden Strecke ohne viel Steigung. An diese Radstrecken werde ich mich noch zurücksehnen. Diese unglaubliche Schönheit der Weinberge und überall lockt der Wein. Die vielen Burgen, die Weingüter und die schmucken Fachwerkhäuser.

      >> Nee wat iss dat schön! <<

      Dann im „Kreis –Karden“, nach unendlichen Weiten und immerwährenden Suchens, steht Sie vor mir. Leicht verdeckt von den Häusern, die die ersten Reihen der Mosel- Promenade säumen. Auf der dem Moselfluss zugewandten Seite stehend, die zwei wuchtigen Chortürme entgehen meiner Aufmerksamkeit nicht

      Auf dem Begrüßungsschild vor dem Pfarrbüro der eindeutige Hinweis: „Jakobspilger willkommen“. Das Pfarrbüro ist in einem Seiteneingang der Kirche, in der es erst einmal eine Etage tiefer in den Keller geht. Und das Büro ist, wie ich mit Freude feststelle, geöffnet und sogar besetzt.

      >>Wie angenehm kühl es hier ist<<, merke ich gegenüber der Leiterin des Pfarrbüros an.

      >> Bekomme ich hier meinen 4.Stempel in mein Pilgerbuch? <<, frage ich weiter.

      >>Selbstverständlich! <<, so die nette Frau.

      Wir plaudern ein wenig über meine Abfahrt und die weitere Reise. Sie wünscht mir alles Gute und dass ich mein Vorhaben gesund zu Ende bringe möge!

      >> Und nicht vergessen, noch einmal in die Kirche einkehren, und dort noch etwas verweilen! <<, ermutigt mich die Frau. Diesen Rat befolge ich.

      Ich betrete durch ein sehr großes altes Holzportal die Kirche und merke auch hier die deutliche Kühle. Der leicht muffige Geruch stört mich nicht.

      Das Kircheninnere der Stiftskirche Karden entspricht in seiner Ausmalung den Farben und Ornamenten der Bauzeit. Die Spätromanischen und frühgotischen Raumteile fügen sich zu einer optischen Einheit zusammen. Ich nehme auf einer alten Kirchenbank Platz und genieße das jetzt.

      Ich bin allein mit der Stille und mit mir. Ich schließe die Augen, komme runter und werde spürbar ruhiger. Ich verharre noch ein wenig in diesem Zustand und erinnere mich an meinen Meditationsgrundkurs.

      >> „Es …Atmet… mich“<< und

      >> „Ich nehme ganz gezielt meinen Herzschlag wahr.“ <<

      Nach dieser kleinen Erholungspause geht es dann weiter. Es ist mittlerweile wieder richtig warm. In Gedanken freue ich mich schon auf mein Nachtlager und eine schöne kalte Dusche. Leider sollte daraus heute nichts mehr werden, was ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht weiß.

      Mit