Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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      Nach weiteren zwei Stunden Fahrtzeit in „Senheim“ bekomme ich einen Tiefpunkt.

      Aufgrund der Wärme bin ich wieder nass geschwitzt und der Schweiß fließt mir den verlängerten Rücken herunter. Alles ist wieder wundgescheuert. Ich trockne mich ab, creme die störenden und schmerzenden Körperstellen ein und stelle fest, dass ich erst mal eine Pause einlegen muss. Ich suche mir eine Parkbank im Schatten, nehme etwas Nahrung auf, forme mir ein Kissen aus den Klamotten, die mittlerweile trocken sind, und gönne mir ein Mittagsschläfchen.

      Eine gute Stunde später lustwandele ich weiter. Mittlerweile ist mein Wasser wieder aufgewärmt und bringt nicht die gewünschte Abkühlung. Also ran an einen Getränkeladen und zwei Dosen eiskaltes Bier gekauft. Die erste Dose ohne zu schlucken eingeatmet und die zweite Dose für später aufbewahrt.

      Nach einer Weile, entlang der Mosel, erreiche ich die Stadt bzw. Gemeinde Alf. Sehenswert ist die über dem Ort gelegene, im frühen 12. Jahrhundert gegründete Burg Arras. Kurz nachdem ich aus dem Ort fahre, meldet sich mein Körper mit der dringenden Bitte, eine Nasszelle aufzusuchen. Da dieser sich schon vor einer Weile angekündigt hat, wird es jetzt Zeit, den drängenden Bedürfnissen, Taten folgen zu lassen.

      >> Hier rechts in der Weinstube fahre ich ran und dann gibst Du bitte Ruhe! <<

      Da ich nicht unhöflich sein will, bestelle ich noch eine Weinschorle und eile dann schnell zum stillen Örtchen. Die Weinschorle wird von einer reiferen Dame so um die 70 Jahre und super rüstig, auf der Terrasse serviert. Die Terrasse ist urgemütlich und die Wände sind in rubinrot gestrichen. Weinreben ranken von der Decke und verleihen den Wänden ein mediterranes Flair. Von hier aus habe ich einen herrlichen Ausblick auf die Mosel und die angrenzenden Weinberge. Es ist jetzt auch an der Zeit, langsam aber sicher an ein Hotel oder an einen Zeltplatz zu denken. Ich bin wieder klatschnass geschwitzt und mein Körper sehnt sich nach einer Dusche. Die Weinschorle ist sehr süffig und ich bestelle eine weitere, um danach wieder aufzubrechen. Da dieses gemütliche Lokal quasi verwaist ist, frage ich die Kellnerin wieso das so ist.

      >> Die Kinder wären in Kroatien, denn da käme mein Schwiegersohn her. Beide machen dort endlich Urlaub. Die sind so wenig weg, weil hier immer sehr viel zu tun ist. Aber jetzt endlich gönnen sie sich das. Leider kann ich ihnen aus diesem Grund, nichts zu essen anbieten. Gerne hätte ich ihnen einen Flammkuchen serviert. Für den sind wir sogar weit über die Ortsgrenzen von Alf bekannt. <<

      Sie setzt sich zu mir und ich informiere die Hauswirtin über mein Vorhaben. Auch das die lokale Presse über meine Exkursion berichtet. Sie erzählt mir noch die Geschichte ihres Weingutes und dieser Schankwirtschaft.

      Sie hat vor Jahren alles den Kindern abgetreten und ist nur noch zur Aushilfe hier, ansonsten hat sie mit ihrer privaten Pension genug zu tun. Wenn ich möchte, so kann ich auch bei Ihr auf dem Sofa übernachten. Ich lehne dankend ab und füge als Grund an, dass ich noch keine 100 km gefahren bin.

      >>So, wenn sie mir versprechen, noch einmal wiederzukommen und unseren Flammkuchen zu probieren, falls Sie hier in der Ecke sind, dann spendiere ich ihnen noch einen Wein und einen Edelbrand, der auch von uns hergestellt wird! <<

      >> Sehr gerne! <<, versichere ich.

      Der Edelbrand ist sehr mild im Abgang und ich will die Dame gerade darüber informieren, dass ich zahlen möchte, da kommt ein älteres Ehepaar in einem BMW Cabrio vorgefahren. An den überschwänglichen Bewegungen der Arme kann ich sofort feststellen, dass man sich schon öfter begegnet ist. Das Ehepaar kommt zu uns an den Tisch und die Hausherrin teilt beiden mit:

      >>Hier der Mann ist berühmt, der fährt nach Spanien und das nur mit dem Rad und die Zeitung schreibt darüber, er hat so viel zu erzählen, kommt setzt Euch zu uns! <<

      Oh je, denke ich, es ist schon nach 19:00 Uhr und ich muss noch 10 km drauf packen, um meine Tagesstrecke zu schaffen. Aber was soll es, sind ja alle ausgesprochen nett. Nachdem ich meine Geschichte rübergebracht habe, sind drei weitere Runden Wein konsumiert und die Zeit fließt dahin. Der graumelierte Herr sagt, dass er bei Bayer im Aufsichtsrat war und sich jetzt mit seiner Frau nach der Pensionierung in Alf niedergelassen hat. Wir tauschen noch einige Erfahrungen über Kreuzfahrten aus.

      Die Gespräche sind echt kurzweilig und hätten mühelos noch einige Stunden überdauert. Dann war aber der Punkt für mich gekommen, aufzubrechen. Wir verabschieden uns voneinander und mir wird alles Gute für meine lange Fahrt gewünscht. Da es jetzt schon 21:00 Uhr ist, muss ich Gas geben, um noch an die 100 Kilometer ran zu kommen und um einen Schlafplatz zu finden. Ich denke noch kurz über meine selbst verursachte Verzögerung nach:

      >> Es war ein sehr schöner Nachmittag, der es wert war, etwas über die Stränge zu schlagen. <<

      Es handelte sich wie ich später im Internet erforschte um das „Weingut Lilienhof“. Mit Erreichen der Dämmerung ist mir klar:

      >> Das gibt nichts mehr mit Duschen und Zeltplatz. <<

      In „Zell“ wo ich gegen 22:00 Uhr ankomme, entschließe ich mich in unmittelbarer Nähe eines Wohnmobilstellplatzes, mein kleines Zelt aufzubauen, um heute wild zu campen. Leider ist das nur ein Stellplatz mit Stromanschluss und Mülltonnen, aber ohne Duschmöglichkeit. So baue ich mein Zelt auf einem Acker auf und dank meiner Fahrradlampe, habe ich auch noch etwas Licht.

      Ich nehme mir noch ein Glas Bockwürstchen vor, schiebe mir noch ein Brot rein und aus der Not heraus, putze ich mir die Zähne mit Sprudelwasser. Das immer noch warme Trinkwasser dient auch, um mich ein wenig zu waschen. Ich sinniere noch etwas über den Tag, und schlafe dann auch sehr schnell ein.

      Fahrzeit am 18.07.2013: ca. 13,50 h

      Gesamtfahrzeit: 19,45 h

      Höchstgeschwindigkeit: 22,13 km/h

      Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,50 km/h

      Tageskilometer: 102,20 km

       Gesamtkilometer: 248,80 km

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      3. Tag

      Freitag der 19.07.2013

      Obwohl es gestern schön und unterhaltend war, habe ich folgende Schlussfolgerung gezogen und mir auf meine Agenda geschrieben:

      >>Erst wenn das Nachtlager gewährleistet ist, wird getrunken und erzählt. <<

      Wie erwartet, werde ich sehr früh wach.

      Es ist 5:00 Uhr morgens, mein kleines Zelt, welches vom Vortag noch nass war, schwimmt jetzt von innen weg. In dem Schlafsack, der für -30 °C ausgelegt ist, ist mir in der Nacht richtig warm geworden, so dass ich aus dem Schlafsack gekrochen bin und mit geöffnetem Zeltreißverschluss aufwache.

      >>Gerd, was klebst du, deine Haut schmeckt nach Salz und du musst ganz dringend duschen. <<

      Ich verstaue alle Sachen und beschließe in Trier unbedingt einen Tag Pause einzulegen. Zum einen war ich dort noch nie und zum anderen muss ich mein Equipment unbedingt trocken bekommen. Auch die Wäsche muss gewaschen werden und vor allem meine wund gefahrenen Stellen rufen nach Pause. Es war mir nicht bewusst, dass ich schon nach diesen paar Kilometern solche Blessuren abbekomme würde. Es ist aber auch warm am Tag und ich mutmaße, ich habe die falsche Unterwäsche am Start. Da werde ich mich in Trier in einem Fachgeschäft drum kümmern müssen.

      Um 6:00 Uhr habe ich alles wieder eingepackt, meinen Platz ist gesäubert und bin folglich wieder unterwegs.

      Ich mache