Gerd Lange

Radpilgern Extrem


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hatte und die er auffällig ökonomisch einsetzte, doch gewesen ist. Hat der Junge mit fünf Jahren hier schon an einem Tag fast 45 km abgestrampelt. Eine riesige Leistung, finde ich heute. Okay, wir habe viele Pausen eingelegt, aber ohne sich zu beschweren, zu meckern oder der gleichen hatte er mitgemacht. Wie ich es heute einschätze, muss er Spaß gehabt haben, sonst hätte er eine solche Leistung nicht abrufen können.

      Wenn ich daran denke, dass ein super gestresster Freizeitradler den Kleinen kurz vor „Rodenkirchen“ zu Fall brachte und trotz Kontakt weiterfuhr! Da er keinerlei Anstalten machte anzuhalten und sich nicht einmal dem Befinden meines Sohnes erkundigte, erinnere ich mich genau an meine Worte, die sehr lautstark gewesen sein müssen, denn er stoppte sofort:

      >> Wenn du Geisteskranker nicht sofort zurückkommst, dann hohle ich dich und dann Gnade dir Gott!!<<

      Ich hatte seinerzeit einen voll beladenen Fahrradanhänger und hätte es mit diesem Gespann auf keinen Fall geschafft, einen gut trainierten, Mitte 50- jährigen einzuholen. Aber die Macht des sehr lauten Wortes ließen eine sofortige Reaktion folgen.

      Vincent hatte eine leicht blutende Schürfwunde am Knie und weinte mittlerweile bitterlich. Ich musste meinen stark angestiegenen Puls unbedingt wieder runterfahren, damit ich den Jungen wieder beruhigen konnte. Es fiel mir schwer, da ich mich noch im Wortschwall mit dem vermeintlichen Herrn, der jetzt auch am Tatort angekommen war, befand. Dieser entschuldigte sich dann mit sehr gut formulierten Sätzen und ich hatte das Gefühl, dass er das ehrlich gemeint hat, denn ich wurde ruhiger. Meine innere Stimme sagte mir, der meint was er sagt. Wir verzichteten auf den Austausch der Adressen und ich verabschiedete ihn, wenn auch sehr reserviert.

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      Von Rodenkirchen geht es weiter entlang des Rheins vorbei an Godorf, Wesseling bis nach Bonn. Hinter dem alten Kanzleramt schaue ich mir dann eine Parkbank, die etwas abgelegen vom Radfahrweg steht aus, um hier eine Pause einzulegen. Die Bank fußt schön im Kernschatten einer alten Kastanie und nachdem ich meine Vitamine zu mir genommen habe, lege ich ein schönes Nickerchen ein.

      >> Ach was geht es mir gut! <<, spreche ich zu mir.

      Nach einer guten Stunde geht es aber schon wieder weiter. Ich will es bis zum Abend bis hinter Koblenz schaffen, denn dort hatte ich mir ein Zimmer in einer Pension reserviert.

      Vorbei an Königswinter, welches sich auf der anderen Rheinseite mit den Ausläufern des Siebengebirges befindet. Es ist jetzt schon sehr heiß und ich habe abermals Wasser nachgekauft. Mir läuft der Schweiß den Rücken runter und habe Sorge, dass ich mir schon am ersten Tag einen „Wolf fahre“. Also alles schön mit Spezialcreme vorbehandeln. Meine Unterhose, die ich unter meiner Radlerhose trage, ist klatschnass und scheuert.

      Ich erreiche Remagen. In dem alten Brückenbauwerk befindet sich ein Museum, welches die Bedeutung der Brücke von Remagen im 2. Weltkrieg wiedergibt.

      >>Was ist das heiß! >>, rede ich mit mir.

      Ich fahre jetzt schon einige Stunden in der prallen Sonne und Wasser deckt zwar meinen Mineralbedarf aber die warme Plörre erfrischt nicht wirklich bei der Hitze.

      Mein Versuch in einem Gotteshaus einen Pilgerstempel zu bekommen, läuft „gen Null“. Alles ist zur Mittagszeit geschlossen.

      >> Hoffentlich bekomme ich in meinen Pilgerausweiß genug Stempel von Deutschland! <<, schießt es mir durch den Kopf.

      Jedes Mal vom geplanten Radweg Kirchen anzufahren, um festzustellen, dass diese geschlossen sind, nervte etwas. Dies verschlingt meine Zeit, denn ich hatte eine Pension gebucht. Gegen 16:00 Uhr erreiche ich “ Bad Breisig“ und sehe auch hier auf der anderen Rheinseite „Bad Hönningen“.

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      Hier hatten wir einst unsere erste Kegeltour. Es müsste 1997 gewesen sein und wir nennen uns: „Up se Kumme“. Zu der Zeit waren wir noch eine große starke Truppe. Geboren auf Mallorca. Aus der Laune heraus haben wir bei einer spontanen Tour festgestellt, dass alle gut zusammenpassen und daraus mehr wachsen kann. Mittlerweile sind die meisten Gründungsmitglieder nicht mehr am Start. Und der Club gönnt sich eine einjährige Pause. Auszeit, um vielleicht wieder zusammenzukommen. Aber mit dem Ausscheiden vom Hoti Hübner, der die Truppe zusammengehalten hatte, glaube ich nicht mehr daran.

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      Zwischen Brohl und Andernach komme ich an einem rustikalen Amerikanischen Restaurant vorbei. Die Spezialität des Hauses sind „Bohnen“. Hier gibt es eine Menge an Bohnengerichten. Serviert wird in einer rustikalen Stahlpfanne und dies für schmales Geld. Ich habe auch mächtig Hunger und „Duscht“. Also entschließe ich mich nach kurzem Studium der Speisekarte, hier einzukehren.

      >> Eine Gerstenkornkaltschale bitte, aber eiskalt, wenn möglich! <<

      >> Wie bitte? <<, so der Kellner.

      >> Ein großes kaltes Pils, bitte! <<

      Ich war von dem Fahren so aufgeheizt, dass der erste Schluck, so glaube ich, nicht zum Magen gelangt, da er schon auf der Zunge verdampft. Ich muss einiges an Geduld aufbringen und noch ein paar cl müssen meinen Gaumen passieren, um eine Abkühlung der inneren Organe zu erwirken.

      Aber das tut sehr gut und ich bin wieder tiefenentspannt und leicht beschwipst.

      >>Wie war das doch gleich mit meinem Vorhaben „Kein Alkohol“, hat doch lange angehalten!?<<, stelle ich selbstredend fest.

      Die anschließend heiße Bohnenpfanne ist wunderbar und ich bedauere, davon nicht mehr essen zu können. Dieses rustikale Essen wird leider in meiner Erinnerung als ein einmaliges Gaumenerlebnis hängen bleiben müssen.

      Da mein Wasservorrat fast zu Ende geht, viel zu warm und somit ungenießbar ist, erwerbe ich an der angrenzenden Tankstelle neues Wasser und für den Weg zwei kleine, kalte Döschen Funghi.

      >>Mann kann ja nicht wissen, wie heiß es noch wird? <<

      Ich muss jetzt aber noch mal „daran ziehen“, denn es sind noch ein paar Kilometer bis Koblenz und in Lahnstein wartet mein Nachtlager.

      Hinter dem Atommeiler von Mülheim- Kärlich in Sankt Sebastian kehre ich noch in einer am Rhein gelegenen Gaststätte ein. Ich muss unbedingt wieder die inneren Kernorgane runter kühlen.

      Ich fahre weiter. Es ist jetzt schon weit nach 20:00 Uhr und da passiert das, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe.

      >> So ein Pech. Ein Platten und wo, ausgerechnet vorne und dann noch genau mittig und das jetzt …noch! <<

      Ok, erst mal ruhig bleiben, es ist ja nicht wirklich etwas passiert. Ich halte an einer Parkbank, hole mir eine Dose Bier hervor, öffne diese und lehne mich entspannt zurück. Der Rhein hier vor den Toren von Koblenz hat immer noch nicht seinen Glanz und sein wirres Glitzern in der tief stehenden Sonne verloren.

      Da ich befürchte, meine Unterkunft nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, „exe“ ich den Inhalt der Dose und fange an mich zu produzieren.

      Da der Plattfuß zum Glück in der Mitte der Lauffläche des Vorderreifens ist, geht die Reparatur, dank der Schnellspanner an Rad und Bremsen, sehr zügig. Genug Schläuche habe ich ja. Den Flicken nur für den „Super- GAU“. Das Abtasten der Mantelinnenseite muss dann ohne Handschuhe, allein der Haptik wegen, erfolgen. Die schmutzigen Hände bekomme ich, dank meiner lieben Grit, mit Seifenstrips, welche sie mir für die Tour besorgte und etwas Trinkwasser wieder sauber. Ich bin gerade dabei den Reifen mit meiner Teleskop Miniluftpumpe, die seitlich am Trinkwasserbehälter befestigt ist, wieder aufzupumpen, als mich ein älterer Herr, ich schätze so 70