waren so schief, daß sie immer wieder umkippten, und wie eifrig er auch mit seinen kleinen, harten Fingern daran herumknetete, vermochte er es nicht, ihre Körper niedlich und wohlgestalt zu machen. Zuweilen blickte er verstohlen nach Jesus hin, um zu sehen, wie er es fertig brachte, seine Vögel so gleichmäßig und glatt zu formen wie die Eichenblätter in den Wäldern auf dem Berge Tabor.
Je mehr Vögel Jesus anfertigte, desto glücklicher wurde er. Einer erschien ihm immer schöner als der andere, und er betrachtete sie alle voll Stolz und Liebe. Sie sollten seine Spielgenossen werden, seine kleinen Geschwister, sie sollten in seinem Bettchen schlafen, ihm Gesellschaft leisten, ihm in Abwesenheit seiner Mutter ihre Lieder vorsingen.
Niemals hatte er sich so reich geglaubt, nie würde er sich mehr einsam und verlassen fühlen können.
Der hochgewachsene Wasserträger schritt gebeugt unter seinem schweren Wasserschlauch vorüber, und gleich hinter ihm her kam der Gemüsehändler, der schaukelnd auf dem Rücken seines Esels saß, mitten zwischen den großen, leeren Weidenkörben. Der Wasserträger legte seine Hand auf Jesus' hellockiges Köpfchen und fragte ihn nach seinen Vögeln. Jesus aber erzählte ihm, daß sie Namen hätten, und singen könnten. Alle seine kleinen Vögel seien aus fremden Ländern zu ihm hergeflogen, und sie berichteten ihm allerlei, wovon nur sie und er etwas wüßten. Und Jesus redete so, daß der Wasserträger und der Gemüsehändler eine ganze Weile ihrer Arbeit gar nicht gedachten, um ihm zu lauschen.
Als sie aber weiterziehen wollten, wies Jesus auf Judas:
»Seht, wie schöne Vögel Judas macht!«
Da hielt der Gemüsehändler gutmütig seinen Esel an und fragte Judas, ob auch seine Vögel Namen hätten und singen könnten.
Judas aber wußte nichts darüber zu sagen. Er schwieg beharrlich und hob den Blick nicht von seiner Arbeit, und der Gemüsehändler zertrat ärgerlich einen seiner Vögel und ritt weiter.
Und so verging der Nachmittag. Die Sonne sank tief hinab, und ihr Schein drang durch das niedrige Stadttor, das sich, mit einem römischen Adler geschmückt, am Ende der Gasse erhob.
Dieser Sonnenschein, der mit dem sinkenden Tage kam, war ganz rosenrot: und als sei er mit Blut vermischt, verlieh er seine Farbe allem, was ihm in den Weg kam, während er die schmale Gasse durchzitterte. Er malte sowohl des Töpfers Krug als auch die Holzbohle, die unter des Zimmermanns Säge knirschte, und das weiße Schleiertuch, das Marias Antlitz umrahmte.
Jedoch am allerschönsten schimmerte der Sonnenschein in den kleinen Wasserpfützen, die sich zwischen den großen ungleichen Steinfliesen des Straßenpflasters angesammelt hatten. Und ganz plötzlich steckte Jesus seine kleine Hand in die ihm zunächst liegende Wasserlache.
Es kam ihm eben in den Sinn, daß er seine grauen Vögelchen mit dem funkelnden Sonnenschein anmalen möchte, der dem Wasser, den Häusermauern, ja, allem ringsumher so schöne Farben verliehen hatte.
Da machte sich der Sonnenschein ein wahres Vergnügen daraus, sich wie Farbe aus einem Malertiegel herausholen zu lassen, und als Jesus die kleinen Tonvögelchen damit bestrich, blieb er ruhig darauf liegen und hüllte sie von Kopf bis Fuß in diamantenähnlichen Glanz.
Judas, der ab und zu einen Blick hinüber zu Jesus warf, um zu sehen, ob dieser mehr und schönere Vögel mache als er selber, stieß einen Ruf des Entzückens aus, als er bemerkte, daß Jesus seine Tonkuckucke mit dem Sonnenschein bemalte, den er aus den Wasserlachen der Gasse aufnahm.
Und auch Judas tauchte seine kleine Hand in das schimmernde Wasser und suchte den Sonnenschein aufzufangen.
Aber der Sonnenschein ließ sich von ihm nicht greifen. Er entglitt seinen Fingern, und wie geschwind er auch seine Hände zu bewegen suchte, um ihn zu fassen, entrann ihm der Sonnenschein dennoch, und er konnte seinen armen Vögeln kein Tüpfchen Farbe verschaffen.
»Warte, Judas!« rief Jesus. »Ich werde hinkommen, um Deine Vögel anzumalen.«
»Nein,« sagte Judas, »Du sollst sie nicht berühren, sie sind gut genug, so wie sie eben sind.«
Er stand auf, runzelte seine Augenbrauen und biß die Lippen fest zusammen. Dann setzte er seinen breiten Fuß auf die Vögel und zerstampfte sie, einen nach dem anderen, zu einem kleinen abgeplatteten Lehmklumpen.
Nachdem alle seine kleinen Vögel vernichtet waren, trat er zu Jesus hin, der seine Vögelchen, die wie Juwelen funkelten, liebkoste.
Judas betrachtete sie eine Weile in tiefem Schweigen, dann aber hob er den Fuß und zertrat einen davon.
Als Judas den Fuß zurückzog und den ganzen kleinen Vogel in grauen Lehm verwandelt sah, fühlte er eine solche Erleichterung, daß er zu lachen begann, und er hob den Fuß, um noch einen zu zertreten.
»Judas!« rief Jesus, »was tust Du da? Weißt Du denn nicht, daß sie leben und singen können?«
Aber Judas lachte nur und zertrat noch einen Vogel.
Jesus blickte nach Rettung umher. Judas war groß und stark, und Jesus hatte nicht die Kraft, ihn zurückzuhalten. Er schaute nach seiner Mutter aus. Sie war nicht weit entfernt, aber ehe sie ihn erreichte, konnte es Judas gelingen, alle seine Vögel zu zerstören.
Jesu Augen füllten sich mit Tränen. Schon hatte Judas vier seiner Vögel zertreten, nur noch drei blieben übrig.
Und es betrübte ihn, daß seine Vögel so ruhig dastanden und sich zertreten ließen, ohne der Gefahr zu achten.
Jesus klatschte in die Händchen, um sie zu erwecken, und rief ihnen zu:
»Fliegt, fliegt!«
Da begannen die drei Vögelchen ihre kleinen Schwingen zu regen, und ängstlich flatternd schwangen sie sich zum Dachesrand empor, wo sie in Sicherheit waren.
Als aber Judas sah, daß die Vögel auf Jesu Geheiß die Flügel hoben und flogen, begann er bitterlich zu weinen.
Er zerraufte sein Haar, wie er es bei den alten Leuten sah, wenn sie in großer Sorge und schwerem Kummer waren, und warf sich zu Jesu Füßen nieder.
Und Judas blieb dort liegen und wälzte sich vor Jesus im Staube wie ein Hund, küßte seine Füße und flehte, daß er seinen Fuß heben und ihn zertreten möge, wie er selber die Tonvögel zertreten hatte.
Denn Judas liebte Jesus und bewunderte und betete ihn an und haßte ihn doch zugleich.
Aber Maria, die während der ganzen Zeit das Spiel der Kinder beobachtet hatte, stand jetzt auf, hob Judas empor, setzte ihn auf ihr Knie und liebkoste ihn.
»Du armes Kind!« sprach sie zu ihm. »Du weißt nicht, daß Du etwas versucht hast, was kein Geschöpf vermag. Laß Dir niemals mehr einfallen, dergleichen zu tun, wenn Du nicht der unglücklichste aller Menschen werden willst! Wie würde es wohl dem unter uns ergehen, der es unternähme, mit ihm zu wetteifern, mit ihm, der mit dem Sonnenschein malt und der dem toten Lehm den Odem des Lebens einhaucht?«
Im Tempel
Es waren einmal arme Leute, ein Mann, ein Weib und deren kleiner Sohn. Die gingen in dem großen Tempel zu Jerusalem umher. Der Sohn war ein ungewöhnlich schönes Kind. Er hatte weichgelocktes, langes Haar und seine Augen strahlten wie Sterne.
Man hatte ihn nicht eher in den Tempel gebracht, als bis er groß genug war, um alles zu begreifen, was er dort sah, und nun waren seine Eltern mit ihm gekommen, ihm alle die Pracht und Herrlichkeit zu zeigen. Da gab es lange Reihen von Säulen und vergoldete Altäre, da gab es heilige Männer, die ihre Schüler belehrten, da war der Hohepriester mit seinem Brustschild von Edelsteinen, da gab es Vorhänge aus Babylon, die mit goldenen Rosen durchwirkt waren, da sah man die mächtigen Kupferpforten, die so schwer waren, daß dreißig Männer Mühe hatten, sie in ihren Angeln hin und herzuschwingen.
Aber der Knabe, der erst zwölf Jahre war, machte sich nicht viel daraus, all dies zu sehn. Seine Mutter erzählte ihm, daß alles, was sie ihm hier zeigten, das Merkwürdigste auf dieser Welt sei. Sie sagte ihm, es würde nun wohl sehr lange dauern, ehe er noch einmal so etwas zu sehen bekäme. In dem ärmlichen