Berndt Strobach

Privilegiert in engen Grenzen


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Berliner Regierung befiehlt ihrer Filiale, der Halberstädtischen Regierung auf dem Petershof, im Februar und, als diese zögert, noch einmal im September 1697, den Kauf zuzulassen. Dabei berücksichtigt sie, dass er „zur Beförderung der gemein [für die Allgemeinheit] nützlichen Wasserleitung [...] ein Erbiethen thut“ und „außerdem 200 Thaler zur Beförderung eines [weiteren?] gemein nützlichen Wercks offerirt.“148

      Berend Lehmann hat inzwischen längst ein fait accompli geschaffen und, ohne die ausdrückliche Entscheidung der unteren Behörde abzuwarten, bereits im März für 1 150 Reichstaler von dem Oberst

      Friedrich Levin von Schacht, den „Schachtischen Hof“ samt Haus erworben. Erst ein und ein Dreivierteljahr später bekommt Lehmann die offizielle Erlaubnis dafür. Mit Schreiben vom 13.12.1698 befiehlt Kurfürst Friedrich III. der „Halberstädtischen Regierung“ noch einmal ausdrücklich, sie möge dem Residenten ausnahmsweise den Erwerb „des Schachtischen oder eines anderen Hauses“ ermöglichen.

      Der Resident müsse aber sein derzeitiges Haus unbedingt an einen Christen verkaufen (die übliche Vorsichtsmaßnahme, damit nicht andere Juden indirekt neue Hausbesitzer werden konnten). – Leider erfährt man nicht, wo dieses damalige Lehmannsche Haus lag. Es dürfte nach der Darstellung im vorigen Abschnitt das „Hauß am waßer“, Bakenstraße 37 links ( A ) gewesen sein.

      Beziehen kann er es nicht, denn die Schacht-Töchter weigern sich erfolgreich auszuziehen. Gleichzeitig regen sie an, das Haus möge doch vom König den „Refugirten“, das heißt, den französisch-reformierten Hugenotten*, zur Verfügung gestellt werden.

      Eine Bemerkung zu dieser Synagoge:

      Es ist in der bisherigen Literatur nur von zwei öffentlichen Synagogen die Rede, die in der Geschichte der Halberstädter Juden existiert haben sollen. Eine im älteren Judenquartier an der Göddenstraße sei 1669 im Auftrag der Stände abgerissen worden; sie befand sich in Wirklichkeit, wie hier in dem Abschnitt „Wohnquartiere und Wohnverhältnisse...“ dargestellt, in der Judenstraße, die illegale Demolierung hat in der Tat dort stattgefunden. Die zweite war die große Barocksynagoge, die von etwa 1709 bis 1712 zwischen Bakenstraße und Judenstraße erbaut und 1938 auf Betreiben der Nationalsozialisten abgerissen wurde ( I ).

      Daneben kannte man, drittens, eine Privatsynagoge der Gelehrten, die in der Thora-Talmud-Hochschule, der „Klaus“, unterrichteten, im Rosenwinkel 18, dem heutigen Sitz der Moses Mendelssohn Akademie ( K ).

      Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird sich zeigen, dass es sogar noch eine zweite Vorgängersynagoge gegeben hat.

      Zurück zum Bericht Münchhausens über die Situation um den „Schachtischen Hoff“:

      Aus ihm wird klar, dass in Bezug auf das Haus inzwischen eine für Berend Lehmann ungünstige Wende eingetreten ist: Die Regierung des Kurfürsten will es in der Tat in einen Häuserkomplex einbeziehen, der der „Frantzösischen Colonie“ zur Verfügung gestellt werden soll.

„Actum Halberstadt, den 26. Maji 1699.Ist mit dem Königlichen Polnischen Residenten, dem Juden Lehman, liquidation Zugeleget, wegen des Schachtischen Hoffes und der gebaueten Zwey Häuser und mittels Kauff Brieffes vom 15. Martij 1697. Damit daß1mo.Dieser Hoff mit aller Zubeherung bezahlet mit1150.Rthlr2.hat der Käuffer vom Herrn von Schachten einen Plaz darzu gekauffet, und solchen dem vorgeben nach bezahlet mit - - -70.- „ -so noch bescheiniget werden muß___________________________1220.Rthlr [.........]3.ist das Vordere Haus laut der am 5.Maji geschehenen taxe angeschlagen zu bey welcher Taxe der Jude acquiesciren will, weil dieses Haus sein eigen*- 678-10- „ -4.Das hintere oder Neue Haus ist taxiret aufMit dieser Taxe ist der Jude nicht Zufrieden, sondern giebt vor, daß seine Frau dero behuf über 1800 Rthlr hineingesteckt, es wären als an einem Lehrhause auch andere Leute beteiligt.1141-13-Sa 3039Rthlr. 23gr “

      * Lehmann will sich mit der Taxierung zufriedengeben. „Eigen” im Gegensatz zum Hinterhaus, vgl. den übernächsten Abschnitt.

      Diese „Liquidation“ (Abrechnung) ist wohl wie folgt zu interpretieren:

      Für das Grundstück hat er 1 150 Taler bezahlt. Im Vergleich zu den Häusern auf dem Grauen Hof, deren Kaufpreis in der Häuserliste von 1699 meist mit unter 500 Talern notiert wird, muss es sich um ein ziemlich großes Areal gehandelt haben, das dann Platz für einen ansehnlichen Neubau bot. Der Oberst hat ihm außerdem noch einen „Plaz“, also wohl ein weiteres Teilgrundstück, verkauft. Nach der bescheidenen Kaufsumme von 70 Talern kann dies allerdings nicht sehr groß gewesen sein. Unklar ist, weshalb es nicht von vornherein zum Schachtschen „Hoff“ dazugehört.

      Das Hinterhaus ist als Neubau fast fertig; und man bekommt hier einmal Frau Miriam Lehmann, geborene Joel, in den Blick, die offensichtlich in des Residenten Abwesenheit die wichtige Aufgabe der Bauaufsicht hat und die in eigener Verantwortung Geld ausgeben darf.