Marvin Roth

Hanky und der Mächtige


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sein, als Sie es sich heute vorstellen können.«

      Beifälliges Gemurmel wogte durch den Raum. Mit beiden Armen stützte sich der Redner auf den Tisch, sagte ganz leise und gleichzeitig auf fast magische Art beschwörend: »Dann lassen Sie uns mit der Planung beginnen. Von nun ab wird die Gruppe Phönix der Mittelpunkt Ihres Lebens sein. Wortmeldungen bitte!«

      Der Doktor dachte an diese Begebenheit, die er leider nicht selbst miterlebt hatte. Bei seiner späteren Berufung in den inneren Führungskreis der Organisation weihte man ihn in diese bedeutenden Ereignisse der ersten Stunde ein. Seitdem war viel geschehen, und viele gute Männer hatten ihr Leben verloren. Gute Kameraden, gute Freunde.

      Der Doktor schreckte aus seinen Überlegungen auf, als das Telefon klingelte.

      Kapitel 8

      New York City (früher Nachmittag)

      »Hanky, ich habe das Lager der Odin Force gefunden.«

      Pauls Stimme war unvermittelt in Hankys Gedanken aufgetaucht.

      Normalerweise machte sich Paul zunächst mit einem mentalen Klopfen bemerkbar. Diesmal schien er vor lauter Aufregung darauf zu verzichten.

      »Hallo Paul. Das ist ja echt schnell gegangen.«

      »Ja, ich bin selbst überrascht. War eigentlich ganz einfach. Nachdem ich den ungefähren Standort wusste, musste ich nur ein wenig umherstreifen. Ich habe den Lagerkommandanten unter Beobachtung. Er ist anscheinend mit einer Sache beschäftigt, die ihn beunruhigt. Willst du selbst mal einen Blick riskieren?«

      »Aber sicher! Ich bin sehr gespannt, was dort geschieht. Warte einen Moment, ich muss nur schnell mit Walt sprechen. Kannst du uns genauere Informationen geben, wo das Lager zu finden ist?«

      »Glaube schon. Aber das mach ich dann später. Ich sende dir zusätzlich eine Mail mit allen Infos.«

      »Okay, Paul, also bis gleich. Ich melde mich. Beobachte inzwischen weiter.«

      Walt Kessler saß vor einem PC und durchsuchte das Internet nach Informationen über die Gruppe Phönix und die Odin Force. Als er Hankys Schritte hörte, drehte er sich um und sah ihn fragend an.

      »Na«, begann Hanky, »hast du schon was rausgefunden?«

      »Nicht viel. Es wundert mich, dass so gut wie nichts im Netz zu finden ist. Normalerweise kann man über die Suchmaschi- nen Informationen über alles nur Erdenkliche finden. Aber ich bleibe dran.«

      »Ich hatte gerade Kontakt zu Paul. Er hat das Lager gefunden. Wenn du mich suchst, ich bin in meinem Zimmer. Paul wartet, dass ich mich einlogge und mit ihm zusammen das Gelände dort eine Zeit lang beobachte. Stör mich bitte nicht, außer wenn es echt wichtig ist. Okay?«

      »Geht klar.« Damit drehte sich Walt wieder zum Bildschirm und setzte seine Suche fort.

      Hanky begab sich in sein Schlafzimmer, schloss die Tür und legte sich aufs Bett. Er schloss die Augen und sagte laut: »Paul, wir können anfangen.«

      Sofort hatte er das Gefühl zu fallen. Fast gleichzeitig sah er von einer leicht erhöhten Position in eine Art Funkzentrale. Einige Uniformierte saßen vor Computern und an Funkgeräten. Sie wirkten sehr angespannt, wohl auch, weil ein anderer Mann, allem Anschein nach ein Offizier, hinter Ihnen stand und mehrfach nervös auf seine Armbanduhr schaute.

      Pauls Stimme flüsterte in Hankys Kopf - was natürlich völliger Unsinn war, da sie ohnehin niemand hören konnte: »Ich glaube, das ist der Lagerkommandant. Siehst du, wie unruhig der Bursche ist? Er scheint auf irgendwas zu warten.«

      »Da hast du wohl recht, Paul. Lass uns ein bisschen lauschen und sehen, was sonst noch passiert.«

      ***

      Der Saal (zur gleichen Zeit)

      Der Sheriff und seine Deputys versuchten, sich einen Überblick über das Chaos zu verschaffen und den hilflosen Menschen im Saal Erste Hilfe zu leisten. Zwischenzeitlich hatte der Sheriff mehrfach mit seinem Büro gesprochen und nach der angeforderten Hilfe durch die Staatspolizei und die umliegenden Krankenhäuser gefragt. Laut der letzten Meldung mussten die ersten Hilfskräfte in rund zehn Minuten vor Ort sein. Sheriff Ward schaute kopfschüttelnd durch den Saal und rief dann einen seiner Leute herbei: »He, Roberts, lauf mal runter zu Smithy. Der wartet am Eingang aufVerstärkung. Du musst die Staatspolizei und die Krankenwagen einweisen. Smithy soll dir dabei helfen. Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Leute eintreffen.«

      Ohne zu antworten und froh, den Saal verlassen zu können, nickte Roberts nur kurz und eilte zur Tür. Hastig rannte er die Treppe hinab und brachte es dabei fertig, sich im Laufen eine Zigarette anzuzünden. Gierig inhalierte er, um den üblen Geschmack des Saals in seinem Mund loszuwerden.

      In dem Moment, als er die Tür zum Hof aufstieß, hörte er ein lautes Krachen und sah, wie der Streifenwagen seines Kollegen Smithy von einem schwarzen SUV brutal gerammt wurde. Das Polizeiauto schleuderte und durchbrach die Wand eines kleinen Pförtnerhauses. Der schwarze Wagen brauste an dem zerbeulten Einsatzfahrzeug vorbei, in dem Roberts den schlaffen Körper Smithys zu erkennen glaubte. Sofort sprang er zurück in den Hausflur und schloss die Tür. Er duckte sich, verriegelte dabei die Tür und beobachtete, wie aus dem scharf bremsenden Wagen fünf schwarz gekleidete Gestalten sprangen, bewaffnet mit Schnellfeuergewehren, und sofort in Deckung gingen. Zwei weitere Wagen tauchten auf, und das gleiche wohl gut trainierte Prozedere spielte sich vor seinen Augen ab.

      »Mindestens fünfzehn«, flüsterte er vor sich hin. Gehetzt schaute er sich nach etwas um, womit er die Tür verbarrikadieren konnte. In einer Ecke sah er einen starken Balken lehnen. Geduckt, damit er nicht durch die in die Tür eingelassenen kleinen Fenster gesehen werden konnte, rannte er durch den Flur. Er ergriff den erstaunlich schweren Balken und eilte heftig atmend zurück zur Eingangstür. Vorsichtig legte er den Balken ab, um jedes Geräusch zu vermeiden, und spähte durch das Fenster hinaus. Er konnte keine Veränderung feststellen, wusste aber, dass dies nicht lange so bleiben würde. Hastig verkeilte er den Balken im Türrahmen und eilte die Treppe hinauf zum Saal. Oben angekommen, stürmte er durch die Tür und hätte fast SheriffWard umgerannt. Der fuhr erschrocken herum und fuhr ihn ärgerlich an: »Was willst du denn schon wieder hier? Ist die Verstärkung eingetroffen?«

      »Wenn das Verstärkung ist, dann jedenfalls nicht für uns«, antwortete Roberts aufgeregt.

      Schnell unterrichtete er den Sheriff über die Situation unten vor der Fabrik.

      Smithy erwachte aus einer kurzen Ohnmacht. Zu plötzlich war der Angriff erfolgt. Er hatte keine Chance, rechtzeitig zu reagieren, und so hatte der schwarze SUV ungebremst seinen Polizeiwagen gerammt. Zum Glück war sein Auto nicht frontal, sondern hinten getroffen worden. Trotzdem hatte die Wucht genügt, dass er kurz das Bewusstsein verlor.

      Beim Erwachen hatte er Schmerzen, aber erinnerte sich sofort an den Aufprall. Wo ist der verdammte SUV nur hergekommen?, überlegte er. Er glaubte sich erinnern zu können, dass er mehrere Wagen gesehen hatte, die von Norden her auf der Landstraße in seine Richtung fuhren. Da die Fahrzeuge aber mit gleichbleibender Geschwindigkeit fuhren und nicht abbremsten, war er davon ausgegangen, dass die Autos das Grundstück passieren würden. Sofort hatte seine Aufmerksamkeit nachgelassen, und er hatte die schwarzen Wagen nicht mehr beachtet.

      Brennender Schmerz beendete seine Überlegungen und brachte ihn in die Gegenwart zurück. Sein linkes Bein blutete heftig und war irgendwie verdreht. Er schaute nur kurz auf die Verletzung und glaubte in Schienbeinhöhe einen weißen Knochen aus seiner Uniformhose ragen zu sehen. Schnell schaute er weg. Er konnte kein Blut sehen, schon gar nicht sein eigenes.

      Von draußen hörte er ein dumpfes Geräusch. Durch das gesplitterte Glas der Frontscheibe sah er ganz in schwarz gekleidete Bewaffnete, die sich an der Eingangstür des Fabrikgebäudes zu schaffen machten. Smithy ließ sich etwas tiefer in den Sitz sinken, um nicht gesehen zu werden. Dabei bewegte er auch sein Bein, und eine Schmerzwelle schoss durch seinen Leib. Er kommentierte das mit einem Ächzen und einem deftigen Fluch. Er dachte nach und versuchte seine Möglichkeiten abzuschätzen. Er musste Hilfe rufen, doch ein Blick auf das verbeulte Funkgerät