Carmen Sommer

Wieder zu Hause


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Papa erzählen.“

      „Ich hab es nicht vergessen. Wenn wir in deinem Zimmer sind. Iss dein Brot bitte noch fertig. Du kannst dann schon mal in dein Zimmer gehen. Ich räume hier noch etwas auf.“

      „Ok. Bis gleich.“

      Leslie musste sich etwas auf das Gespräch vorbereiten. Sie ließ sich mehr Zeit, als nötig. Aber es half ja nichts. Philipp sollte die Wahrheit erfahren.

      „Du liegst schon fertig im Bett?“, staunte sie.

      „Mhm.“

      Leslie legte sich zu ihm.

      „Also. Wo soll ich anfangen. Es war so. Du weißt ja, dass dein Papa und ich uns sehr liebten. Wir lernten uns auf einer Hochzeit eines Freundes kennen und verliebten uns ineinander. Obwohl wir noch sehr jung waren, sind wir gleich nach einem Monat zusammengezogen. Matt schrieb mir öfter kleine Briefe und machte mir Komplimente. Dein Vater war der fürsorglichste und liebevollste Mensch, den ich kannte. Wir waren sehr glücklich miteinander. Doch manchmal bemerkte ich, dass er mit seinen Gedanken weit weg war. Ich habe ihn darauf angesprochen, aber er hatte es immer abgestritten. Ich spürte, dass sich auch bei mir etwas veränderte. Ich ahnte, dass ich schwanger war. Vielleicht hatte es auch Matt geahnt.“

      „Aber was ist passiert?“, fragte Philipp dazwischen.

      „Ich weiß es nicht. Eines Tages, als ich dann die Nachricht erhielt, dass ich wirklich schwanger war und es deinem Vater erzählen wollte, war er weg. Ich fand nur einen Brief vor. Konnte ihm leider nicht mehr sagen, dass ich sein Kind erwartete. An diesem Tag war ich zuerst so glücklich, denn du warst ein Geschenk unserer Liebe. Aber als ich seine Zeilen las, war ich unheimlich traurig und am Boden zerstört. Viele Tage und Nächte weinte ich. Wenn ich damals meine Freunde nicht gehabt hätte, wer weiß. Die haben mir über vieles hinweggeholfen. Aber ich musste mich zusammenreißen, denn ich wusste ja, dass ich dich erwartete und ich freute mich auf mein Kind. Ich bin so glücklich mit dir.“

      Leslie drückte ihn fest an sich.

      „Also weiß mein Papa gar nicht, dass es mich gibt? Was hat er denn in diesem Brief geschrieben?“

      „Nun, er schrieb, dass er sich eingeengt fühlte und seinen Traum verwirklichen musste. Er wollte was von der Welt sehen. Eine Familie käme für ihn nicht infrage. Er wollte frei sein. Nicht gebunden.“

      „Du hast nichts mehr von ihm gehört?“

      „Nein. Ich habe überall gefragt und nach ihm gesucht. Aber niemand konnte mir helfen. Keiner wusste, wo er geblieben war. Nach Monaten bekam ich einen Anruf. Es war dein Vater. Er wollte mir nur mitteilen, dass es ihm gut ginge und ich mir keine Sorgen machen sollte. Dann legte er auf. Bis heute weiß ich nichts von ihm. Ob er eine andere Familie hat, wo er lebt, ob es ihm wirklich gut geht.“

      „Mama, bist du ihm böse? Liebst du ihn nicht mehr?“

      „Böse? Ja. Besser gesagt, ich bin traurig darüber. Und ob ich ihn noch liebe? Das ist schwierig zu sagen. Es sind schon so viele Jahre vergangen. Aber er ist immer noch in meinem Herzen, wenn du das wissen willst. Ich habe deinen Vater sehr geliebt.“

      „Ich liebe dich auch, Mama. Gerne würde ich meinen Papa kennenlernen. Dann würde ich ihn fragen, warum er das getan hat.“

      „Eins kann ich dir sagen, Philipp. Wenn er wüsste, dass er einen Sohn hat, wäre er stolz auf dich und würde dich über alles lieben. So gut kenne ich ihn.“

      „Meinst du?“

      „Ja. Ganz sicher.“

      Philipp kramte in einem Kästchen und nahm ein Foto heraus. Das Foto zeigte seinen Vater. Leslie hatte es ihm schon vor Jahren geschenkt. Er sollte wissen, wie sein Vater aussah. Philipp schaute es sich oft an. Leslie wusste nichts davon, aber sie ahnte es.

      „Du siehst deinem Vater sehr ähnlich. Du hast genau die wunderschönen Augen, wie er“, lächelte sie ihn an.

      Beide hingen ihren Gedanken nach und schliefen langsam ein.

      Am nächsten Morgen brachte Leslie ihren Sohn wieder zur Schule. Als sie zurückkam, stand schon die ganze Mannschaft vor der Tür.

      „Guten Morgen. Ihr seid schon da?“

      „Wir sind Frühaufsteher“, lächelte William sie an.

      „Wie war dein Abend, Steve?“, wollte Leslie wissen.

      „Wir hatten einen wunderschönen Abend. Danke, der Nachfrage“, staunte Steve.

      „Leslie, wohin mit den Möbeln?“, wollte Travis wissen.

      „Oh. Ich komme schon.“

      Leslie zeigte den Männern genau, wohin sie die Gegenstände haben wollte. Nach und nach sah es richtig wohnlich und gemütlich aus. Sie schaute sich in allen Zimmern um.

      „Es ist toll geworden, meint ihr nicht auch?“, wollte sie von den Jungs wissen.

      „Ja, wirklich. Wer hätte gedacht, dass wir das Haus so schnell in Ordnung bringen würden“, nickte Colin.

      Es ist ein richtiges Schmuckstück geworden“, schwärmte Travis.

      „Was hat dich eigentlich hierher verschlagen?“, wollte Rick wissen.

      „Ich bin hier zu Hause. Das ist mein Heimatort. Ich war viel zu lange weg“, schaute sie verträumt.

      „Wirklich? Wie lange bist du weg gewesen? Hast du hier noch deine Familie?“

      „Zwölf Jahre. Ich war zwölf Jahre nicht mehr hier. Ja, meine Eltern wohnen hier. Gleich in der Nähe. Morgen werde ich sie besuchen. Sie wissen nicht, dass Philipp und ich hier sind. Sie werden Augen machen, wenn sie ihren Enkel sehen.“

      „Sie wissen nichts? Gar nichts?“

      Rick schaute die anderen erstaunt an.

      „Nein. Wir hatten in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr.“

      „Oh“, brachte Colin nur heraus.

      Travis hörte nur still zu. Warum hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie?, dachte er, und wo ist der Vater des Jungen? Warum kam sie nach so vielen Jahren wieder hierher zurück? Alles dies beschäftigte ihn.

      „Warum kommst du nicht mal mit uns zu Bob? Wir treffen uns sehr oft abends dort. Da könntest du uns alle mal kennenlernen“, schlug Colin vor.

      „Mal sehen. Im Moment kann ich Philipp nicht alleine lassen. Er kennt ja noch keinen hier“, schüttelte Leslie den Kopf.

      „Das könnten wir bestimmt regeln“, meinte dieser.

      „Aber, wisst ihr was? Ich werde eine Einweihungsparty organisieren und möchte euch alle dazu einladen. Den genauen Termin werde ich euch noch bekannt geben. Übrigens, ich müsste dann auch mal eure Handynummern haben. Ich weiß überhaupt nichts von euch. Noch nicht einmal eure Nachnamen. Würdet ihr denn kommen? Natürlich könnt ihr eure Partnerinnen mitbringen.“

      „Klar. Sag einfach Bescheid“, nickte William.

      Sie tauschten ihre Nummern aus.

      „So, dann werden wir uns mal vom Acker machen. Wir sehen uns.“

      Alle winkten ihr beim Abschied zu. Leslie machte sich auf den Weg zu Schule. Philipp kam diesmal nicht allein aus dem Gebäude. Bei ihm war ein etwa gleichgroßer Junge und ein kleineres Mädchen. Als er seine Mutter sah, winkte er ihr zu.

      „Mama, dass sind Luca und Kristen. Wir haben uns schon angefreundet. Kann ich morgen mal zu Luca?“

      „Aber sicher. Freut mich, euch kennenzulernen. Wir sehen uns.“

      Philipp verabschiedete sich von seinen Freunden und stieg ins Auto.

      Die Überraschung

      „Ich möchte gerne mit dir zu Oma und Opa fahren. Wäre es in Ordnung?“