Arnulf Meyer-Piening

Doppel-Infarkt


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anders sein, das kann nicht gut gehen. Ich glaube nicht, dass er sich in ein Team einfügt und unterordnen kann, was aber an Bord eine Grundvoraussetzung ist.“

       Arnim stimmte seiner Frau zu, auch er konnte Pauli nicht richtig einschätzen: „Nun ja, es ist ja noch nichts entschieden. War auf jeden Fall ein netter Abend mit ihm und seinen Söhnen.“

       „Finde ich auch. Nette Kerle die beiden. Was meinst du? Wäre der ältere nicht etwas für unsere Tochter?“

       „Weiß nicht. Sarah wird sich ihren Mann lieber selber auswählen wollen.“

       „Nun, war ja nur ein kurzer Gedanke. Ist ja auch noch nicht aktuell.“

      3.

      Beobachtung auf der Bank

      Ich blickte gedankenverloren auf das junge Liebespaar, welches sich an den Wegesrand auf die Wiese gesetzt hatte. Sie hat Ähnlichkeit mit unserer Tochter Sarah, dachte ich. Ja, damals war sie noch nicht verheiratet gewesen, inzwischen hatte sie einen sehr netten jungen Mann geheiratet. Es war sicher gut, dass sie damals nicht einen der Söhne des Firmeninhabers geheiratet hatte, das heißt, eine Verbindung hatte gar nicht wirklich zur Debatte gestanden, denn niemand hatte einen ernsthaften Vorstoß in dieser Richtung gemacht. Nur sein Vater hatte bei einem Besuch in unserem Hause einmal versonnen vor ihrem Bild gestanden und voller Bewunderung gesagt: „Sie haben eine attraktive Tochter!“

      Wir konnten das nur bestätigen und ich dachte damals, dass sein ältester Sohn eigentlich ganz gut zu ihr passen würde. Damit hatte es allerdings sein Bewenden gehabt. Ja, seine Söhne: Was die wohl machen? Sie sollen in Amerika sein. Ob sie sich wohl von ihrem dominanten Vater freigeschwommen haben? Gut möglich.

      Ich erhob mich von der Bank vor dem ‘Steinernen Kreuz‘ und ging langsam den Weg hinunter zum Baldeney See, mit den vielen Segelbooten. Die Schritte fielen mir schwer. Ich fühlte meinen Herzschlag im Hals und im Kopf, meine Brust schnürte sich zusammen.

      ‚Ich werde mich entspannen‘, dachte ich, ‚ich darf nicht nachlassen, ich muss einen klaren Kopf behalten. Geh mal ruhig weiter, der Abend ist schön, die Luft ist lau und angenehm. Bloß nicht nachgeben, gehe nur ganz langsam, dann wird es schon wieder werden. Du musst stark sein, stark wie damals der Firmenchef war. Der hat niemals nachgegeben, auch als es schwierig war, hat er unablässig gekämpft.‘

      Aber an Kampf wollte ich nicht denken, mich lieber auf etwas Schönes konzentrieren. Es gibt doch so viel Schönes in der Welt: Musik von Mozart und Beethoven, Gemälde von Liebermann, grüne Wiesen, Blumen und dichte Wälder. Rinder weiden friedlich auf den Feldern, dazu ein paar Pferde und Vögel segeln in der Höhe. Es duftet nach frischem Gras und manchmal auch nach Heu.

      Pauli GmbH

       „Gut, dass Sie kommen, Herr Dr. Pauli! Der Wirtschaftsprüfer Dr. Schubert, die Herren Dr. Kramer, Dr. Oderbruch, Winter, Ihr Bruder und Herr Ceponek warten im Besprechungszimmer auf Sie. Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“ Frau Feiner, die Sekretärin der Geschäftsführung, begrüßte ihren Chef. Sie war eine attraktive Frau, Anfang 40, trug das kurze dunkle Haar sorgfältig nach hinten frisiert, und verriet in ihrem gutsitzenden Kostüm eine tadellose Figur.

       „Haben Sie den Herren schon einen Kaffee gemacht?“

       „Selbstverständlich“, antwortete Frau Feiner entrüstet. „Sie sollten mich eigentlich kennen.“

       „Geben Sie mir auch eine Tasse. Es war etwas spät gestern Abend.“

       Pauli eilte in den Sitzungsraum.

       „Guten Morgen, Herr Schubert, grüß Gott meine Herren, entschuldigen Sie die Verspätung, ich komme direkt aus Südfrankreich. Wir konnten gestern wegen ungünstigem Wetter nicht starten und sind erst vor einer Stunde in Karlsruhe gelandet.“

       „Kein Problem“, meinte Schubert, „wir waren gut betreut.“

       „Ich habe zufällig einen Berater kennengelernt, ein interessanter Mann, versteht eine ganze Menge von Strategie und Finanzen. Vielleicht kennt jemand von Ihnen den Mann, Dr. Beyer, ein Partner von Kanders Management Consultants.“

       „Der Name ist mir geläufig“, meldete sich Schubert zu Wort. Die Firma hat kürzlich für einen unserer Kunden gearbeitet, das hat, soweit man hört, erhebliche Kostensenkungen gebracht und wäre auch mal was für Sie. Ich glaube, Sie könnten einen guten Rat gebrauchen.“

       „Wieso, ist die Bilanz ist gut?“ fragte Pauli erstaunt.

       „Nein, die Bilanz ist gut, aber wir hatte neulich mal über den von Ihnen geplanten Börsengang des Unternehmens gesprochen, und da wäre ein neutrales Gutachten sicher hilfreich. Die Überprüfung der Börsenreife sowie die Planung des Emissionskonzepts ist ein zeitaufwendiges Vorhaben, das erhebliche Ressourcen in Ihrem Unternehmen bindet. Außerdem könnten die auch das Projektmanagement machen. Dazu haben Sie wohl kaum genügend Personalkapazität.“

       „Was meinen Sie, Herr Kramer, brauchen wir einen Berater für den geplanten Börsengang?“

       Dr. Kramer blätterte in seinen Akten, als suche er die Antwort auf die an ihn gerichtete Frage. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass er so direkt angesprochen wurde. Am liebsten blieb er im Hintergrund, von wo aus er seine Fäden spinnen konnte. Er antwortete ausweichend: „Wir sollten uns von Herrn Schubert erst einmal die Aufgaben im Einzelnen erläutern lassen und sollten dann eine Entscheidung fällen.“

       Pauli hatte seinen Kollegen vor vielen Jahren auf einem Symposium in St. Gallen kennengelernt. Man hatte sich zufällig getroffen und spontane Sympathie entdeckt, als der eine den anderen versehentlich angestoßen hatte, und die Salatsauce über den Abendanzug lief. Man entschuldigte sich, lachte und die Peinlichkeit war erledigt. Sie waren beim Abendessen miteinander ins Gespräch gekommen und tauschten ihre Visitenkarten aus. Kramer war damals Leiter der Produktentwicklung in einem schwäbischen Maschinenbau-Unternehmen.

       Kurze Zeit später erhielt er ein Angebot von Dr. Pauli als Leiter der Entwicklung in dessen kleiner Elektronik Firma, das er annahm. Er war ein ziemlich durchschnittlicher Mann, allerdings mit der Fähigkeit, zur rechten Zeit die rechten Worte zu finden. Er wusste immer gerade so viel von allem, dass er zutreffende Bemerkungen machen konnte, ohne allerdings in die Materie tiefer einzudringen. Auch hatte er ein gutes Gedächtnis für wichtige Geschäftsvorfälle, die er mit korrektem Zeitpunkt und Inhalt immer gegenwärtig hatte. Im Laufe der Jahre gewöhnte sich Pauli an seine ständige Anwesenheit als Aktenträger, so dass er ohne ihn fast nicht mehr auskommen konnten. Zudem widersprach er nie und begnügte sich mit seiner Rolle als rechte Hand des Chefs.

       Als die Firma wuchs, und Dr. Pauli mit operativen Aufgaben ständig überlastet war, wurde Kramer von ihm zum zweiten Geschäftsführer ernannt. Tatsächlich waren es aber die Banken, und in deren Folge der Beirat, die einen zweiten Mann in der Verantwortung haben wollten, den Pauli regierte allzu selbstherrlich und ohne interne Kontrolle. Pauli hatte Kramer damals selbst vorgeschlagen, weil er wusste, dass er ihm nie widersprechen würde. Und außerdem hatte er von all den möglichen Kandidaten aus dem eigenen Haus am meisten Zeit.

       Später wurde die Holding zur Koordination der wachsenden Zahl von Gesellschaften gegründet. Kramer wurde neben Dr. Pauli zweiter Geschäftsführer in der Holding. Es genoss nie wirkliches Ansehen seitens der nachgeordneten Geschäftsführer in den Tochtergesellschaften, weder von Oderbruch, Leiter der Verkehrstechnik GmbH, noch von Fritz Pauli, Leiter der Steuerungstechnik GmbH, schon gar nicht von dem Finanz- und Personalchef Ceponek. Von keinem wurde er als ebenbürtig angesehen. Sie waren der Meinung, dass sie selbst in diese Position hätten berufen werden müssen, aber sie wagten kein offenes Veto. Untereinander im privaten