Arnulf Meyer-Piening

Doppel-Infarkt


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dass keiner der anderen zu mächtig wurde. Immer wenn sich einer der nachgeordneten Führungskräfte zu stark profilierte, dann wusste er kurze Zeit später negative Dinge über den Betreffenden zu berichten, so dass dieser wieder in die Reihe der gleichgeschalteten Untertanen trat.

       Kramer war ein vollkommen anderer Typ als Pauli, ein ungleiches Paar, aber in wichtigen Angelegenheiten der Firma unzertrennlich: Er war mittelgroß und schlank, dunkelhaarig, trug eine randlose Brille, er hatte etwas Mürrisches und Verschlagenes in seinen Augen, selten blicke er seinen Gesprächspartner direkt an, meistens suchte er irgendetwas im Raum oder auf dem Tisch, wenn er nicht in seinen Akten blätterte. Er wirkte unsicher, wohl deshalb trug er immer einen tadellosen dunkelblauen, nadelgestreiften Anzug, gleichsam als Uniform eines bedeutenden Geschäftsführers.

       Kramer räusperte sich bedeutungsvoll. „Ja, man sollte das mit der Beratung wirklich überlegen.“

       Dr. Pauli ging auf die Bemerkung nicht weiter ein und eröffnete die vorgesehene Besprechung.

       „Meine Herren, wir wollen heute die Möglichkeiten für den Börsengang unseres Unternehmens besprechen. Ich möchte Ihnen noch einmal die Gründe dafür darlegen. Zum einen gehe ich auf die sechzig zu und muss an meine Nachfolge denken. Ich bin nicht sicher, ob meine Söhne das Zeug zum Unternehmer haben, da ist es besser, wenn ich jetzt schon die Weichen stelle, dass das Unternehmen künftig von einem professionellen Management geleitet wird.“

       „Sie haben vollkommen recht“, bestätigte Schubert, „die meisten Unternehmer denken erst daran, wenn es zu spät ist.“

       Die anderen Herren sagten nichts, sie waren froh zu hören, dass die Söhne ihres Chefs offenbar nicht für die Nachfolge vorgesehen waren und rechneten sich ihre Chancen auf einen möglichen Posten als Vorstand aus.

       Dr. Pauli nahm den Gedankengang wieder auf. „Es kommt noch etwas Anderes hinzu Mein langjähriger Geschäftspartner, Herr Erbracht, möchte als stiller Gesellschafter ausscheiden und auch die Württemberger Versicherung denkt mittelfristig ebenfalls an einen Ausstieg. Da wird die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital schwierig. Wie Sie wissen, war das in der Vergangenheit immer ein gewisser Schwachpunkt bei uns. Jedenfalls kann ich das Kapital nicht allein aufbringen, oder wäre jemand von Ihnen bereit, bei uns mit ein paar Millionen einzusteigen?“

       Die Frage war eher theoretisch, den keiner war dazu bereit und in der Lage. Insofern schauten sie alle ausnahmslos auf den Tisch oder in die vor ihnen liegenden Papiere.

       Pauli fuhr nach der Kunstpause, die er sichtlich genoss, weil sie die Abhängigkeit seiner Geschäftsführer von ihm deutlich machte, fort: „Wenn wir unsere Firma“ – plötzlich sagte er ‘unsere Firma‘, wo er sie doch ausschließlich als ‘seine Firma‘ betrachtete und auch so behandelte – „in eine AG umwandeln, dann können wir kleinere Anteile über die Börse verkaufen und auch die Geschäftsführer und leitenden Angestellten an der Firma beteiligen, das steigert den Einsatzwillen und die Motivation.“

       „Das kommt auf den Emissionskurs an“, meinte Fritz Pauli trocken und Oderbruch meinte: „Man könnte auch Gratisaktien ausgeben.“

       Dr. Pauli überhörte die Einwürfe und bat Herrn Schubert, die erforderlichen Schritte zur Börseneinführung zu erläutern.

       „Herr Dr. Pauli, ich möchte noch einmal betonen, wie sehr ich diesen Entschluss begrüße. Ich halte auch den Zeitpunkt für geeignet, denn die Börsensituation ist günstig. Zunächst muss ich feststellen, dass Ihr Unternehmen mit Sicherheit die Kriterien für die Börseneinführung erfüllt. Sie haben das Unternehmen mit Mitarbeitern und vor allen den anwesenden Geschäftsführern“, dabei machte er eine Verbeugung zu jedem einzelnen der Herren, „zu der heutigen Größe aufgebaut und werden es erfolgreich weiterführen. Das festzustellen ist mir wichtig, denn die Kontinuität in der Geschäftsführung ist entscheidend. Sie benötigen das Vertrauen Ihrer künftigen Aktionäre und das gelingt am besten, wenn die wissen, dass die Verantwortlichen über viele Jahre ein Unternehmen erfolgreich führen können.“

       Man konnte den Herren anmerken, dass die Ausführungen von Herrn Schubert ihnen guttaten, weil sie doch in der Vergangenheit von ihrem Chef allzu oft gescholten worden waren. Jetzt wurde einmal positiv erwähnt, dass sie wesentlichen Anteil an dem Erfolg hatten.

       „Es kommt noch etwas Bedeutsames hinzu. Sie haben eine klare Unternehmensstruktur mit eindeutigen Verantwortlichkeiten“, fuhr Herr Schubert fort, „jedes Unternehmen ist in einem eigenständigen Marktsegment tätig. Ihre Produkte sind erfolgreich im Markt etabliert, auch die Märkte sind weltweit vielversprechend. Bei den Maschinensteuerungen sind Sie Marktführer, bei der Verkehrstechnik, haben sie kaum noch Wettbewerber, wenn ich den Vorstand richtig verstanden habe. Und in der Militärtechnik machen Sie Jahr für Jahr gute Umsätze. Die Erträge waren in den vergangenen Jahren eigentlich immer ganz ordentlich, das letzte Jahr war wohl etwas schwächer, aber darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, wir werden sehen, was sich noch machen lässt. Also, ich fasse zusammen: Sie können den Börsengang ruhig wagen. Sie bekommen neues Kapital, das Sie bei Ihrer Bilanzstruktur gut gebrauchen können. Und womit Sie neue Chancen erhalten.“

       Dr. Schubert hatte mit Überzeugung gesprochen, er nahm einen Schluck Wasser und sah Dr. Pauli erwartungsvoll an.

       „Vielen Dank, Herr Schubert, das hätte ich nicht besser ausdrücken können, es war alles verständlich.“

       „Vielleicht sollte ich einen Punkt noch einmal deutlich herausstellen“, ergriff Schubert noch einmal das Wort. „Der Gang an die Börse, ist ein einmaliger Schritt. Er enthält eine gesellschafts- und steuerrechtliche Neuordnung des Unternehmens. Er hat die Publizitätspflicht zur Folge. Sie werden viele Interna preisgeben müssen, die Sie sonst vielleicht nicht preisgeben würden. Sie benötigen ein erfolgsorientiertes Controlling, das die Ertragsperspektiven aufgrund von Marktdaten und Trends überzeugend darlegt.“ Dabei sah er Herrn Ceponek bedeutungsvoll an, der seinerseits auf den Boden sah und nichts erwiderte.

       „Meine Herren“, sagte Dr. Pauli bedeutungsvoll, „Sie wissen alle, was jetzt auf uns zukommt, nämlich viel Arbeit. Wir müssen einerseits das Tagesgeschäft führen, die Umsätze steigern, die Kosten senken und gleichzeitig die Umwandlung unserer Firma in eine AG schaffen. Dies wird in erster Linie die Aufgabe von Herrn Kramer und mir sein. Für die Ergebnisse der einzelnen Gesellschaften sind Sie verantwortlich, also strengen Sie sich an, damit wir es schaffen. Es geht um die Zukunft unseres Unternehmens.“

       Herr Schubert dankte kurz und verabschiedete sich unter Hinweis auf einen anderen wichtigen Termin, der leider nicht zu verschieben gewesen sei.

       „Herr Ceponek, würden Sie Herrn Schubert bitte hinausbegleiten, damit er ungehindert durch die Sicherheitskontrollen kommt?“

       Ceponek öffnete eilig die Tür für den Gast und verließ mit ihm den Raum, wobei sie sich gemeinsam durch die Tür zwängten. Pauli sah seinem Finanzchef kopfschüttelnd hinterher, die anderen Herren grinsten unverhohlen.

       „Darf ich Sie bitten, noch einen Augenblick hierzubleiben? Ich möchte noch einige Punkte mit Ihnen besprechen. Herr Schubert hat soeben auf die Bedeutung des internen Controllings aufmerksam gemacht. Wir haben bei unserem Berichtswesen tatsächlich einen Nachholbedarf.“

       „Das stimmt, hier ist wirklich eine Schwachstelle in unserem Unternehmen“, bekräftigte Fritz Pauli und fügte hinzu, „seit Jahren rede ich schon, dass wir eine ordentliche Kostenrechnung benötigen, aber Kollege Ceponek bringt nichts auf die Beine.“

       Oderbruch nickte. „Wir können seine miserable Kostenrechnung für unsere öffentlichen Auftraggeber ohnehin nicht gebrauchen. Wir haben für diesen Bereich unser eigenes Rechnungswesen