Ava Patell

Der Kronzeuge


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Bücher und es hing ein Bild an der Wand, von dem er weder den Künstler kannte, noch die Stilrichtung. Jedoch war er sicher, dass es sich um ein Original handelte.

      Barone hatte sich leicht seitlich zu seinem Schreibtisch gedreht, die Beine lässig übereinander geschlagen und drehte einen Stift zwischen seinen Fingern. Ein Mont Blank. In der letzten Sekunde konnte Wilkins das Augenrollen unterdrücken. Dieser Mann war ein Schweinehund. Und dabei auch noch unverschämt wohlhabend. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, als Mrs. Sorkov den Raum wieder verließ.

      Aiden verkniff sich nur mit Mühe einen erneuten Ausbruch, bei dem das Wort Scheiße enthalten war, aber der Anblick dieses Zimmers ließ ihn noch kleinlauter werden. Er hielt sich strikt hinter dem Polizeibeamten, duckte sich regelrecht zwischen dessen Schultern und fragte sich im selben Augenblick, wann zum Geier er so scheu geworden war. Aber diese Umgebung schüchterte ihn einfach viel zu sehr ein, noch dazu war er momentan nicht so auf der Höhe wie sonst. Verflucht noch mal, er hatte gerade einen Mord mit angesehen und stand jetzt vermutlich auf irgendeiner verdammten Abschussliste!

      Dennoch siegte die Neugier und Aiden hob einen Moment den Blick, betrachtete Gabriel Barone. Sein Haar glänzte vollmilchfarben und saß mit jeder Strähne so wie es sollte. Alles an diesem Mann saß perfekt. Vom Haar bis hin zu dem Anzug, der definitiv maßgeschneidert war. Aiden hatte das Bedürfnis, noch einmal zu versuchen, diesen Fleck auf seinem Turnschuh loszuwerden, als sich ein heller, blauer Blick auf ihn legte, der ihm die Luft aus den Lungen presste. Klirrende Kälte und Berechnung.

      »Detective Wilkins«, sagte Barone gedehnt, wieder zu Sam Wilkins sehend. »Ich bin überrascht, Sie so zeitig wiederzusehen. Unser letztes Zusammentreffen ist gerade fünf Wochen her, wenn ich mich nicht irre.«

      Sam war froh, dass er sich inzwischen an den Blick aus diesen eisblauen Augen gewöhnt hatte. Beim ersten Mal hatte er eine Gänsehaut bekommen. Doch das hatte sich inzwischen gelegt. Dann wanderte der bohrende Blick zu Aiden Miller, der immer noch in seinem Rücken stand.

      »Ich wusste nicht, dass Sie neuerdings auch Praktikanten mitbringen, Detective. Ich muss Sie leider enttäuschen, ich habe keine Zeit, Ihnen eine Führung zu geben.«

      Beherrscht atmete Sam tief durch. »Mr. Miller ist kein Praktikant. Er ist ein Zeuge.« Sam setzte sich auf einen der Sessel vor dem Schreibtisch und bedeutete dann Aiden, es ihm gleich zu tun ohne auf eine Einladung von Barone zu warten. Dieser sah ihn jetzt wieder abwartend an und hob eine fein geschwungene Augenbraue.

      »Ich wüsste nicht, was das mit mir zu tun hat, Detective.«

      »Oh, aber das hat es.« Er erwiderte diesen hellen Blick und meinte für den Bruchteil einer Sekunde, so etwas wie Neugier darin zu entdecken. Doch sie war genauso schnell verschwunden wie sie aufgetaucht war. Dennoch erwiderte Barone nichts. Er wartete nur ab. Und verdammt, darin war er ein Meister.

      »Sie werden mir einen Gefallen tun, Mr. Barone. Dieser junge Mann hier braucht Schutz. Und Sie werden ihm diesen geben.«

      Für einen Moment war das Gesicht des Hotelbesitzers absolut reglos. Dann zuckte es um seine Mundwinkel und er deutete mit dem teuren Stift auf den Detective.

      »Entschuldigung, Detective. Ich vermute, ich hatte gerade einen Schlaganfall.«

      Es juckte Sam in den Fingern. Wie gerne hätte er diesem blasierten Arschloch die Fresse poliert. Und das war sonst wirklich nicht seine Art.

      »Aber falls ich mich nicht verhört haben sollte, dann würde ich Ihnen raten, jetzt zu gehen. Und zwar sofort.« Es mischte sich etwas Eisiges, Schneidendes in die dunkle Stimme.

      Aiden ließ dieser Tonfall die Luft anhalten. Er hatte sich gesetzt, hatte versucht, so leise wie möglich zu sein. Er wusste nicht, wieso er sich so benahm als wäre er nicht hier, denn er war hier und Sam Wilkins hatte doch betont, wie wichtig er war. Für Barone schien er nichts weiter zu sein als eine kleine unwichtige Ameise.

      Diesen Tonfall hatte Sam schon allzu oft erlebt. Er verfehlte zwar nicht seine Wirkung und ein geringerer Mann als er selbst, mit weniger Berufserfahrung, wäre vermutlich eingeknickt, aber Sam Wilkins war diesem Blick schon häufig begegnet und hielt sich aufrecht, sah Barone noch immer in die Augen.

      »Ganz bestimmt nicht. Mr. Miller hat beobachtet, wie ein gemeinsamer Freund von uns beiden einen Mord begangen hat.« Sam lehnte sich leicht in dem Leder zurück. »Und er hat es gefilmt.«

      »Also schön Detective. Ich spiele ihr kleines Spielchen mit«, meinte Barone und drehte den Stift zwischen seinen Fingern, nahm den Blick aber noch immer nicht vom Detective.

      »Wen?«

      Jetzt war es an Sam, für eine Sekunde die Fäden in der Hand zu halten. Zumindest für eine Sekunde und er kostete sie aus. Und dennoch wollte er es sich nicht noch schwerer machen als es ohnehin schon war.

      »Enrico Cortez.«

      Barone zeigte etwa so viel Regung wie ein Stein.

      »Nun, dann bleibt mir wohl nur, Ihnen zu gratulieren, Detective. Vielleicht haben Sie nun endlich eine tagesfüllende Aufgabe mit der Anklage und den Ermittlungen zum Mordfall und können mich in Frieden lassen.«

      Sam setzte sich aufrechter hin. »Lassen Sie den Scheiß, Barone. Sie wissen genauso gut wie ich, was das für jemanden bedeutet, der Cortez irgendwie in die Quere kommt.«

      Barone schnaubte. »Detective, ich verstehe Ihre Beweggründe. Aber es leuchtet mir nicht ein, wie Sie auf den Trichter kommen, dass ich auch nur im Ansatz ein Interesse daran hätte, ausgerechnet Ihnen zu helfen.« Barone setzte sich jetzt aufrechter hin und es war als würde seine Aura eine andere Farbe annehmen. Dunkel und bedrohlich.

      »Sie nutzen jede Chance, mir... nun, ich nenne es mal, mir das Leben schwer zu machen. Sie schicken mir das Gesundheitsamt auf den Hals. In jedes meiner Hotels. In jedes meiner Casinos. Die Glücksspielbehörden. Sogar die Steuerprüfer. Nur weil Sie und Ihr Haufen von Hampelmännern, die sie Polizisten nennen, sich in etwas verrennen, was mich betrifft, wofür Sie nicht den Hauch eines Beweises haben. Und jetzt besitzen Sie auch noch die Unverfrorenheit, hier aufzutauchen. Mit so einem Anliegen.« Kaum merklich schüttelte er den Kopf.

      Jeder andere wäre jetzt gerannt. Doch Sam blieb sitzen.

      Aiden schluckte schwer, als die Rede auf ihn kam. Er hob den Blick, betrachtete Barone erneut. Ein Mann in dieser Position strahlte wohl unweigerlich Macht aus, aber die erreichte hier eine ganz neue Stufe. Noch nie war Aiden solch einem Mann begegnet. Barone hätte ebenso gut Schauspieler sein können und zwar einer, der bereits 12 Oscars gewonnen hatte oder aber Mafioso. All das hätte zu ihm gepasst wie... Aiden fiel auf, dass er gar nicht wusste, was genau dieser Mann eigentlich machte. Offensichtlich gehörte ihm dieses Hotel und Mrs. Sorkov hatte auch Casinos erwähnt. Sonderlich beeindruckt schien er von Detective Wilkins’ Worten jedenfalls nicht.

      Barone hatte ein kräftiges Gesicht, das Haar fiel ihm in die Stirn. Über den hellen, kalten und stechenden Augen standen fein geschwungene Augenbrauen, darunter eine ausgeprägte Wangenknochenpartie. Die Nase war gerade und stolz und zusammen mit dem Kinn und den feinen Lippen, die keinerlei Verletzungen aufwiesen, vermittelte er den Eindruck eines Griechen. Aiden erinnerte er an eine dieser Skulpturen, die er in der Kunstgalerie schon gesehen hatte.

      Ein kräftiger Hals schloss sich an, der Rest von Barone war gehüllt in einen Dreiteiler, der das V seiner Figur selbst im Sitzen betonte. Für Aiden hatte der Mann vor ihnen keinen Blick mehr übrig und er hoffte, dass es genau so blieb. Er war bereit zum Sprung. Bereit, dieses Zimmer und das Hotel zu verlassen. Doch Wilkins machte keine Anstalten aufzustehen und so riss sich auch Aiden zusammen, blieb sitzen, jeden seiner Muskeln angespannt.

      »Ich schlage Ihnen einen Deal vor«, sagte Sam Wilkins. Jetzt zeigte der Mann in dem teuren Anzug doch eine Regung. Er hob beide Augenbrauen.

      »Einen Deal ? Detective.. Seit wann macht die Polizei denn einen Deal

      Das war eine gute Frage, aber wenn man sich die Entwicklungen so ansah, dann schon verdammt lange und vorrangig mit den falschen Leuten.

      »Aber