Ava Patell

Der Kronzeuge


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sofort alles gaben, was er haben wollte, denn auch Aiden begann wie von selbst weiterzusprechen.

      »Ich habe gesehen wie Cortez jemandem die Kehle durchgeschnitten hat.«

      »Wann?«

      »5 Uhr 40. Etwa.« Müde strich sich Aiden durchs Haar.

      »Wo?«

      »Ich weiß wirklich nicht, ob ich mit Ihnen darüber reden sollte.«

      Gabriel griff nach einem Zettel und notierte sich etwas darauf. Bei dieser Antwort jedoch hob er den Blick und sah den jungen Mann fest an.

      Aiden erwiderte den Blick. »Lincoln Road. Wieso fragen Sie denn?« Dieser Blick, der Aiden klarmachte, dass er zu antworten hatte. Wie machte dieser Mann das, nur mit den Augen?

      »Hm.« Gabriel notierte sich auch das. »Wie sah der Mann aus, der getötet wurde?«

      Sollte Aiden all das Barone erzählen? Sam Wilkins hatte ihm dazu keinerlei Anweisungen gegeben und dieser Mann kannte Cortez offensichtlich und auch seine Kreise. Was, wenn er helfen konnte, Beweise zu liefern? Ein blauer Blick sagte ihm, dass er zu lange mit seiner Antwort brauchte.

      »Untersetzt, kleiner als Cortez. Er hatte kurzes Haar, kürzer als Ihres. Ich weiß nicht viel, es war dunkel und es ging alles so schnell.«

      »War er weiß?«

      Aiden nickte. »Ja. Vielleicht... Vielleicht Latino, ich bin nicht sicher, aber nicht schwarz.«

      »Hm«, machte Barone nur erneut und schrieb etwas auf den Zettel, als die Tür aufging. Diesmal ohne ein Klopfen oder eine Ankündigung. Asali Sorkov betrat den Raum.

      »Ich habe den Detective gehen sehen und... Oh.« Sie stutzte. »Er hat seinen Welpen vergessen, wie ich sehe.« Sie kam näher. »Was machen wir jetzt damit?«

      Gabriel reichte ihr den Zettel und sie griff danach, als sie nah genug war. Forschend sah sie den jungen Mann an, der im Büro ihres Chefs auf einem Stuhl gestrandet war und missmutig zu ihr aufsah.

      »Wir behalten ihn«, sagte Gabriel knapp.

      Sie schürzte die Lippen. »Behalten?«

      Er nickte. »Ja. Such ein Zimmer für ihn. Ruf Pavel an. Und lass ihn bis dahin nicht aus den Augen.«

      Während er sprach, scannten ihre Augen den Zettel. »Cortez?«, fragte sie und der Name klang aus ihrem Mund wie eine ansteckende Krankheit.

      Gabriel nickte knapp.

      »Na schön.« Sie strich sich eine Falte aus dem Rock. Dann nickte sie dem jungen Mann zu. »Dann komm mal mit, Schätzchen.«

      Aiden sah zu der Sekretärin auf, die viel mehr zu sein schien als das. Doch er blickte noch einmal zu Barone zurück. »Was für ein Zimmer? Wer ist Pavel?«

      Die schwarze Frau schnalzte mit der Zunge. »Na, na.« Sie schüttelte den Kopf. »Aus und bei Fuß, Süßer. Man bedrängt das Herrchen nicht. Und jetzt hoch mit dir.« Sie lief zur Tür, die sie vorhin offen hatte stehen lassen.

      Für einen Moment begegnete Aiden dem Blick von Gabriel Barone, der ihm keine Antworten liefern wollte. Mit einem Ruck erhob er sich. Er wurde wütend! Niemand sprach mit ihm, ständig bekam er nur ausweichende Antworten, die ihm überhaupt keine Sicherheit gaben! Aber genau deshalb war er doch hier, oder? Aidens Schritte trafen fester auf den Boden als es normal gewesen wäre, als er der schwarzhäutigen, langbeinigen Schönheit aus dem Büro folgte. Vielleicht trugen auch Schlafentzug und Hunger zu seiner aktuellen Stimmung bei. Im Vorbeigehen fing er den dunklen Blick der Frau auf.

      »Vergleichen Sie mich nicht noch einmal mit einem Hündchen, Mrs. Sorkov.«

      »Das kann ich nicht versprechen«, meinte sie und schloss die Tür hinter sich, als sie das Büro verlassen hatten. »Aber fürs Erste, verrate mir deinen Namen.« Sie lief langsam den Flur hinunter.

      »Aiden Miller«, antwortete er, während er neben Mrs. Sorkov herlief.

      »Mein Name ist Asali Sorkov. Aber Asali reicht vollkommen. Wie alt bist du?« Sie bogen um eine Ecke, dann um eine weitere.

      »Neunundzwanzig. Und das genügt jetzt an Fragen. Wenn Mr. Barone etwas über mich wissen möchte, dann soll er mich selbst fragen«, beschloss Aiden und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Oh, aber das sind Dinge, die mich interessieren.« Sie öffnete die Tür zu einem weiteren Büro. Von der Einrichtung her unterschied es sich zu dem von Gabriel Barone. Viel weiß und schwarz und ein paar Grünpflanzen. Sie deutete auf einen gemütlich aussehenden Sessel. »Setz dich, Schätzchen.«

      Aiden seufzte, setzte sich aber. Immer, wenn Mrs. Sorkov ihn Schätzchen nannte, fühlte er sich wie einer der Klienten von Josephine Baxter, seiner Kollegin.

      »Trinkst du Alkohol?«, fragte sie jetzt, während sie zu einem Schrank ging und dort eine Tür öffnete.

      »Ja. Ich trinke Alkohol, aber solange Sie da drin keinen mindestens 12jährigen Single Malt haben, trinke ich lieber nichts.«

      Sie hob nur eine Augenbraue, lächelte geheimnisvoll und griff dann nach einer Flasche, drehte den Verschluss auf und kippte einen guten Daumenbreit in ein Glas. Die Flüssigkeit war bernsteinfarben und hinterließ ölige Tropfen am Glasrand, als sie zu ihm trat und es ihm reichte.

      »Macallan 17. Das Hündchen hat Geschmack.«

      Aiden nahm das Glas aus schlanken schwarzen Fingern. An einem funkelte ein filigraner Ring.

      »Trinken. Jetzt«, meinte Asali und goss dann ein Glas mit Wasser halb voll, in das sie eine Tablette drückte, die daraufhin zu sprudeln begann und sich schäumend auflöste. Leicht schwenkte sie es, um den Vorgang zu beschleunigen.

      Ja, dachte Aiden, wie ein Klient von Josephine. Er trank einen Schluck und seufzte innerlich auf, als ihm das rauchige, wenig blumige Aroma im Mund zurückblieb und der Whisky ein angenehmes Brennen in seinem Hals auslöste. Prompt breitete sich Wärme in ihm aus und er nahm noch einen zweiten und einen dritten Schluck, leerte damit das Glas. Der Geschmack würde ihm lange im Mund bleiben, das wusste er - bis Asali auf ihn zutrat, ihm das leere Glas abnahm, durch ein halb gefülltes ersetzte und sagte: »Jetzt das.« Sie stellte das benutzte Glas auf den Servierwagen und trat dann an ihren Schreibtisch.

      Aiden sah skeptisch auf die milchige Flüssigkeit in dem Glas.

      »Moment. Was ist das?«

      »Aspirin.« Sie griff nach ihrem Telefon und wählte eine Kurzwahltaste an.

      »Oh.« Aiden runzelte die Stirn, den Blick immer noch auf das Glas gerichtet. Er hatte eigentlich kein Kopfweh. Vielleicht war es Vorbeugung, dachte er sich. Er hob kurz den Blick zu Mrs. Sorkov, die ihm mit einer knappen Handbewegung bedeutete, das Glas zu leeren. Nun, immerhin war es Flüssigkeit, sagte sich Aiden und trank in kleinen Schlucken, bevor er das Glas auf dem Schreibtisch abstellte und sich zurücklehnte. Auf Asalis Gesicht zeigte sich ein lobendes Lächeln, bevor sie zu sprechen begann.

      »Pavel, hey! Hier ist Asali. ... Danke, gut. Und dir? ... Na wunderbar. Du kannst dir sicher denken, warum ich anrufe? ... Ganz genau. So schnell wie möglich.« Während sie sprach, trat sie an die Fensterfront, die auch hier einen Teil des Raumes ausmachte und sah auf den Zettel, den sie von Gabriel bekommen hatte, las erneut die Informationen darauf. »24 Stunden. Und du weißt, dass das noch nie eine Rolle gespielt hat.« Sie lachte leise. »Genau. Danke. Bis später.« Sie beendete das Gespräch und sah noch eine Sekunde nach draußen. Dann drehte sie sich zu dem jungen Mann um, der nun unter ihrer Obhut stand.

      »Was hältst du von einem verspäteten Frühstück?«

      »Wer ist dieser Pavel und was ist in 24 Stunden?«, fragte der nur zurück.

      »So neugierig«, meinte sie lächelnd und legte das Telefon auf den Schreibtisch, trat dann davor und lehnte sich an die Tischplatte. »Pavel ist Personenschützer.« Sie überlegte kurz. »Ja. Nennen wir es einfach so. Er hat eine kleine Firma und bietet bestimmten Leuten seine Dienste an. Seine Angestellten werden ein Auge auf