Ava Patell

Der Kronzeuge


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er auch von seinen Angestellten. Egal in welcher Position sie arbeiteten. Vom Tellerwäscher über den Zimmerservice bis hin zum Concierge. Raum für Fehler gab es kaum.

      »Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte die Brünette jetzt und er lehnte sich mit einem Arm an den Tresen.

      »Ich möchte zu Mr. Barone.« Er sah sie überrascht blinzeln. Sie schien nicht zu wissen, wie sie reagieren sollte und er beschloss, es ihr einfach zu machen, indem er in seine Jackett-Innentasche griff und das Ledermäppchen herauszog, welches seine Polizeimarke und seinen Dienstausweis enthielt. Er klappte sie auf und schob sie über die Marmorplatte zu ihr hin.

      »Wir sind alte Bekannte. Wenn Sie so freundlich wären und seine Sekretärin Mrs. Sorkov anrufen würden? Sie kennt mich und es wird ihr ganz sicher eine Freude sein, Mr. Barone von unserem Hiersein zu unterrichten.«

      Die junge Frau blinzelte. »Also... Da muss ich meine Vorgesetzte fragen, Sir.«

      Er nickte lächelnd. »Aber gerne doch.«

      »Darf ich das kurz mitnehmen?«

      Der Detective lächelte noch immer. »Aber wiederbringen.«

      Sie verschwand mit dem Ledermäppchen durch eine Tür. Er sah sich nach Aiden Miller um. Der junge Mann sah sich noch immer um. Sein Blick hing gerade an dem massiven Kronleuchter der Eingangshalle. Es dauerte fünf Minuten, dann ertönte hinter Sam eine andere weibliche Stimme.

      »Detective Wilkins.« Er wandte sich zurück und sah sich der Besitzerin der Stimme gegenüber. Etwa Mitte 40 und genauso perfekt hergerichtet. Sie schob ihm seine Marke wieder zu.

      »Mrs. Sorkov erwartet sie auf Etage 32 am Fahrstuhl.« Sie deutete auf einen der Fahrstühle. »Ich schalte den Knopf für Sie frei, Sir.«

      Ja. Auch dieses Prozedere kannte er schon. Es gab nur einen Fahrstuhl, mit dem man in die oberen Etagen kommen konnte. Entweder mit einem Schlüssel, oder aber jemand an der Anmeldung gab das Bedienbrett frei und man konnte manuell den Knopf betätigen. So wurde gewährleistet, dass sich Gäste nicht auf die Etagen verirren konnten, auf denen sie nichts zu suchen hatten. Sie traten zu dem Fahrstuhl und Wilkins drückte im Inneren auf die 32. Kurz darauf schlossen sich die Türen.

      Aiden sah sich selbst in der Spiegelfront entgegen, blass, mit Augenringen und dennoch großen Augen. Das ganze Brimborium um Barones Figur kam ihm vor wie aus einem Film, genau wie dieses Hotel. Immer wieder erinnerte er sich daran, dass er nicht träumte, auch wenn es ihm so schien. Sein Magen wurde nach unten gepresst, schien Aiden einen Moment zwischen den Knien zu hängen. Er hatte nicht einmal die Worte gefunden, den Polizeibeamten nach all dem hier zu fragen.

      Die Fahrstuhltüren öffneten sich und gaben den Blick auf eine schlanke Frau mit ebenholzfarbener Haut frei. Ihr schwarzes Haar fiel ihr in vollen Wellen über die linke Schulter. Sie trug ein elegantes Businesskleid, mit dem sie jedoch auch ohne Probleme auf eine stilvolle Party hätte gehen können. Das helle Creme ließ ihre Haut beinahe leuchten und ihre Füße steckten in fliederfarbenen High Heels mit einer Schleife an der Seite der Schuhe. Die Hände hatte sie vor dem Körper aneinander gelegt. Sie trug ein dezentes Make-Up und eine Art überirdischer Schönheit aus.

      »Detective Wilkins«, sagte sie jetzt und hob eine Augenbraue. »Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen. Und dann noch zu so früher Stunde. Das ist doch sonst gar nicht ihre Art.« Ihr linker Mundwinkel zuckte nach oben und verpasste ihr ein keckes Grinsen.

      Wilkins nickte knapp. Bei ihrem Anblick musste er sich immer wieder daran erinnern für wen genau diese Frau arbeitete. Und es leuchtete ihm nicht ein, warum sie es tat.

      »Mrs. Sorkov. Dieser Besuch ist nicht geplant und... findet wohl auch aus anderen Gründen statt als sonst.«

      Jetzt hob sie auch noch die zweite, fein gezupfte Augenbraue. »Detective. Sie machen mich neugierig. Ich habe gehört, sie möchten zu Mr. Barone.«

      Er konnte mit Mühe ein Schnauben unterdrücken. »Ja. Und es wäre toll, wenn er zur Abwechslung einmal auf dieses ›Ich-lasse-den-nervigen-Polizisten-vor-meinem-Büro-stundenlang-warten‹ Spielchen verzichten könnte. Es ist dringend.«

      »Hm«, machte die Frau und sah zu seiner Begleitung, dann wieder zurück zu dem Detective. Ihre Augen wirkten beinahe schwarz. »Brennt eines unserer Hotels?«

      Innerlich seufzte Sam. »Nein.«

      »Eines der Casinos?«

      Nun seufzte er doch offen. »Nein, Mrs. Sorkov. Bitte. Es ist wirklich dringend. Und es wird Mr. Barone sicherlich interessieren.«

      Sie sah ihn einen Moment reglos an und es fiel ihm nicht zum ersten Mal auf, dass sie genauso gerne diese Machtspielchen spielte wie ihr direkter Vorgesetzter.

      »Nun, dann folgen Sie mir, Detective.« Sie drehte sich zum Gehen und der Rock des Kleides raschelte leise, während der Stoff um ihre Beine flatterte.

      Aiden bemühte sich, sich im Hintergrund zu halten. Er war immerhin der Grund für diesen Besuch und beinahe tat es ihm leid, den Polizeibeamten in so eine Lage zu bringen, obwohl er nicht einmal beschreiben könnte, in welcher Lage sie hier waren. Mr. Barone war offensichtlich ein einflussreicher Mann. Aiden warf einen Blick auf den Rücken von Sam und anschließend auf den weitaus schmaleren von Mrs. Sorkov. Er hatte etwas komplett anderes erwartet, eine blonde Russin vielleicht oder eine brünette Ukrainerin, aber die dunkelhäutige Frau, die sie jetzt einen Flur entlang führte, war alles andere als das. Stünde Aiden nicht so neben sich, würde er ihre Schönheit mehr zu schätzen wissen, doch so... folgte er schlicht dem Klackern ihrer High Heels.

      »Nehmen sie hier einen Moment Platz, meine Herren«, meinte die elegante Frau und deutete auf eine kleine Sitzgruppe. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, Detective«, meinte sie und verschwand dann um eine Ecke. Einen Moment noch hörte man ihre Schritte. Dann wurde es still. Der Detective warf einen Blick auf seinen Schützling.

      »Ist alles in Ordnung, Mr. Miller?«

      Aiden schnaubte leise und erwiderte den grauen Blick. »Ist das eine ernst gemeinte Frage?« Er folgte der Bitte von Mrs. Sorkov und setzte sich auf ein Sofa.

      Der Detective lächelte schief. »Nun, vielleicht sollte ich anders fragen. Halten Sie noch durch?«

      Aiden rieb sich mit beiden Händen fest übers Gesicht und stützte das Gesicht anschließend in seine Hände. »Würden Sie sonst einen Schokoriegel aus ihrer Jackentasche zaubern, Detective?« Aidens Stimme klang gedämpft, weil er gegen seine Handinnenflächen sprach.

      Sam legte eine Hand gegen seine Brusttasche. »Im Moment nur einen Müsliriegel.«

      Woher es kam, wusste Aiden nicht, aber er lachte kurz auf. Es klang nach Ungläubigkeit, Müdigkeit und Unsicherheit und schließlich zog er die Hände von seinem Gesicht, sah zu dem Beamten auf. »Ich halte durch«, sagte er leise. »Immerhin lebe ich noch.«

      »Wenn es nach mir geht, dann bleibt es auch so.« In einiger Entfernung klappte eine Tür und man hörte das Klappern der Absätze von Mrs. Sorkovs Schuhen erneut. Als sie um die Ecke bog, lächelte sie und nickte dem Detective zu.

      »Heute ist ihr Glückstag, Detective. Mr. Barone hat ein paar Minuten Zeit für Sie.«

      Sam erhob sich und zog sein Jackett glatt.

      »Welche Ehre«, murmelte er gerade so laut, dass Aiden es hören konnte. Dann folgte er der schwarzen Schönheit den Gang hinunter. Sie klopfte kurz an eine Tür am Ende des Ganges, wartete jedoch keine Antwort ab und öffnete sie, trat dann ein, um ihnen die Tür offen zu halten. Der Anblick hätte Aiden sprachlos gemacht, wenn er das nicht schon hinter sich gehabt hätte.

      Durch die verglaste Front des Büros fiel das Tageslicht hinein und hinter einem schweren, großen Schreibtisch saß Gabriel Barone. Wie ein König. Er hielt es nicht für nötig, sich zu erheben, als die zwei Besucher sein Büro betraten und Wilkins konnte es ihm nicht übelnehmen. Er wäre für diesen Mann auch nicht aufgestanden. An einer Seite des Büros waren zwei Ledersofas vor einem teuren Teppich und einem Glastisch aufgestellt. Eine Minibar enthielt einige Flaschen, deren