Irmgard Gleußner

Zivilprozessrecht


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(§§ 23 Nr. 1, 71 GVG). Für die Streitwertberechnung gelten die §§ 2 ff. ZPO. Danach ist der Wert der Hauptforderung entscheidend. Zinsen bleiben unberücksichtigt (§ 4 ZPO).[38] Mehrere Ansprüche (= objektive Klagehäufung § 260 ZPO) werden zusammen gerechnet (§ 5 ZPO). Dies gilt aber nicht für Klage und Widerklage. Im Fall von Mona ergibt die Addition einen Betrag von 3000 € (also unter 5000 €), so dass das AG für die Klage von Mona sachlich zuständig ist.

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      Besondere Vorschriften befassen sich mit der Frage, welche Folgen eine Erhöhung oder eine Absenkung des Streitwerts während des Prozesses hat. Hat ein Kläger vor dem LG beispielsweise eine Klage über 10 000 € eingereicht und ermäßigt er die Klage im Laufe des Prozesses auf 4000 €, bleibt das LG nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zuständig (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall (Klage auf 4000 € beim AG, dann Erhöhung auf 10 000 €) gilt die Spezialvorschrift des § 506 Abs. 1 ZPO. Hier sind drei verschiedene Varianten denkbar. Zum einen muss das AG an das LG verweisen, wenn eine Partei die Verweisung beantragt (§ 506 ZPO). Das LG als höheres Gericht wird sozusagen immer als „Top-Adresse“ angesehen. Wird ein Verweisungsantrag nicht gestellt und schweigt der Beklagte zur Unzuständigkeit, bleibt die Zuständigkeit des AG durch rügelose Einlassung bestehen (§ 39 ZPO). Beantragt der Beklagte wegen Unzuständigkeit des AG Klageabweisung und stellt der Kläger keinen Verweisungsantrag, muss das AG die Klage als unzulässig abweisen.

      JURIQ-Klausurtipp

      Die sachliche Zuständigkeit ist besonders examensrelevant. Die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit des Amts- und des Landgerichts muss beherrscht werden. Die Frage, ob bei einem Streitwert von exakt 5000 € noch das Amtsgericht zuständig ist, sollte man ebenfalls kennen. Gleiches gilt für die Zuständigkeitsvorschriften (§§ 261, 506 ZPO) bei Erhöhung oder Ermäßigung des Streitwerts während eines Prozesses (perpetuatio fori).

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      Die ZPO unterscheidet zwischen allgemeinen, besonderen und ausschließlichen Gerichtsständen. Der Kläger hat zwischen mehreren allgemeinen und besonderen Gerichtsständen nach § 35 ZPO die Wahl. Dieses Wahlrecht besteht jedoch nicht, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand existiert. Ausschließlich sind Gerichtsstände, wenn sie im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet sind, wie der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO), der Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen (§ 29a ZPO) sowie der Gerichtsstand bei falschen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO). Sie schließen andere Gerichtsstände aus und man kann sie nicht durch Parteivereinbarung loswerden (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

      a) Allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12 bis 19a ZPO)

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      Lesen Sie die zitierten Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit aufmerksam durch und verschaffen Sie sich einen Überblick. Die wesentlichen Informationen lassen sich ganz leicht dem Gesetzestext entnehmen.

      b) Besondere Gerichtsstände

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      Nicht immer ist der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten „ideal“. Bei einem Autounfall mag es zweckmäßiger sein, den Verursacher direkt am Unfallort zu verklagen, weil dort die Zeugen und der Tatort zur Verfügung stehen. Aufgrund besonderer Sachnähe hat die ZPO daher „besondere Gerichtsstände“ kreiert. Die wichtigsten besonderen Gerichtsstände sind folgende: Aufenthaltsort (§ 20 ZPO), Niederlassung (§ 21 ZPO), Mitgliedschaft (§ 22 ZPO), Erbschaft (§§ 27, 28 ZPO), Erfüllungsort (§ 29 ZPO), Haustürgeschäfte = AGV = Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§ 29c ZPO), Beförderung (§ 30 ZPO), Bergung (§ 30a ZPO), unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO), Widerklage (§ 33 ZPO). Im Folgenden sind die Gerichtsstände vorzustellen, die besondere Examensrelevanz besitzen.

      aa) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)

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      Kennen Sie noch die hier zitierten Anspruchsgrundlagen des materiellen Rechts? Wenn nicht, nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Kenntnisse im Delikts- und Produkthaftungsrecht aufzufrischen.

      Beispiel

      Mona wird beim Überqueren der Straße in Hamburg von einem Autofahrer, der in Stuttgart wohnt, angefahren. Die Behandlungskosten betragen 2000 €. Welches Gericht ist zuständig? Sachlich zuständig ist das AG, da der Streitwert unter 5000 € liegt (§ 23 Nr. 1 GVG). Der allgemeine Gerichtsstand des beklagten Autofahrers ist Stuttgart, da er dort seinen Wohnsitz hat (§§ 12, 13 ZPO). Zusätzlich könnte der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben sein (§ 32 ZPO). Ein Fall der unerlaubten Handlung liegt vor, da Mona ihre Klage auf § 823 BGB bzw. § 7 StVG stützt. Die unerlaubte Handlung wurde in Hamburg begangen. Hier wurde der Körper von Mona verletzt. Handlungs- und Erfolgsort liegen in Hamburg (wo Mona ärztlich behandelt wird, ist unerheblich). Da mehrere Gerichtsstände in Frage kommen und kein ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt, kann Mona wählen (§ 35 ZPO), ob sie in Stuttgart oder in Hamburg Klage erhebt.

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