nur vorfinden, was unsere Vorfahren als Beitrag zur Evolution, zur Höherentwicklung der gesamten Menschheit fertiggestellt haben. Schon diese eine Tatsache könnte uns darüber aufklären, wie das Leben weiterrollt, wie wir uns einem Zustand größerer Beiträge nähern, größerer Kooperationsfähigkeit, wo sich jeder einzelne mehr als bisher als ein Teil des Ganzen darstellt, ein Zustand, für den natürlich alle Formen unserer gesellschaftlichen Bewegung Versuche, Vorversuche sind, von denen nur diejenigen Bestand haben, die in der Richtung dieser idealen Gemeinschaft gelagert sind. Daß dieses Werk, vielfach von überragender menschlicher Kraft zeugend, sich auch in vieler Hinsicht als unvollkommen, ja auch gelegentlich als verfehlt erweist, deutet nur darauf hin, daß die »absolute Wahrheit«, auf dem Wege der Evolution vorwärts zu schreiten, dem menschlichen Vermögen unzugänglich ist, wenngleich wir ihr näherzukommen imstande sind, und daß es eine ganze Anzahl von Gemeinschaftsleistungen gibt, die nur für eine gewisse Zeit, für eine gewisse Situation vorhalten, um sich nach einiger Zeit sogar als schädlich zu erweisen. Was uns davor bewahren kann, ans Kreuz einer schädlichen Fiktion geschlagen zu sein, das Schema einer schädlichen Fiktion festzuhalten, ist der Leitstern des Wohles der Allgemeinheit, unter dessen Lenkung wir besser und ohne Rückschläge den Weg zu finden vermögen.
Das Wohl der Allgemeinheit, die Höherentwicklung der Menschheit basieren auf den ewig unvergänglichen Forderungen unserer Vorfahren. Deren Geist bleibt ewig lebendig. Er ist unsterblich, wie andere es in ihren Kindern sind. Auf beide gründet sich die Fortdauer des menschlichen Geschlechtes. Sein Wissen darum ist überflüssig. Die Tatsachen gelten. Die Frage des rechten Weges scheint mir gelöst, wenngleich wir oft im dunkeln tappen. Wir wollen nicht entscheiden, nur das eine können wir sagen: eine Bewegung des einzelnen und eine Bewegung der Massen kann für uns nur als wertvoll gelten, wenn sie Werte schafft für die Ewigkeit, für die Höherentwicklung der gesamten Menschheit. Man soll sich, um diese These zu entkräften, weder auf die eigene noch auf die fremde Dummheit berufen. Daß es sich nicht um den Besitz der Wahrheit, sondern um das Streben danach handelt, ist selbstverständlich.
Noch schlagkräftiger, um nicht zu sagen selbstverständlicher, wird diese Tatsache, wenn wir fragen: was geschah mit jenen Menschen, die nichts zum Wohle der Allgemeinheit beigetragen haben? Die Antwort lautet: sie sind bis auf den letzten Rest verschwunden. Nichts ist übrig von ihnen, sie sind leiblich und seelisch ausgelöscht. Die Erde hat sie verschlungen. Es ging mit ihnen wie mit ausgestorbenen Tierspezies, die keine Harmonie mit den kosmischen Gegebenheiten finden konnten. Da liegt doch eigentlich eine heimliche Gesetzmäßigkeit vor, als ob der fragende Kosmos befehlen würde: Fort mit euch! Ihr habt den Sinn des Lebens nicht erfaßt. Ihr könnt nicht in die Zukunft reichen.
Keine Frage, daß dies ein grausames Gesetz ist. Nur vergleichbar mit den grausamen Gottheiten alter Völker und dem Tabugedanken, der allen Untergang drohte, die sich gegen die Gemeinschaft vergingen. So betont sich der Bestand, der ewige Bestand des Beitrags von Menschen, die etwas für die Allgemeinheit geleistet haben. Freilich sind wir besonnen genug, um nicht anzunehmen, daß wir den Schlüssel dazu hätten, in jedem Fall genau zu sagen, was für die Ewigkeit berechnet ist und was nicht. Wir sind überzeugt, daß wir irren können, daß nur eine ganz genaue, objektive Untersuchung entscheiden kann, oft auch erst der Lauf der Dinge. Es ist vielleicht schon ein großer Schritt, daß wir vermeiden können, was nicht zur Gemeinschaft beiträgt.
Unser Gemeinschaftsgefühl reicht heute viel weiter. Ohne es verstanden zu haben, suchen wir in der Erziehung, im Verhalten des einzelnen wie der Masse, in Religion, Wissenschaft und Politik den Einklang mit der zukünftigen Wohlfahrt der Menschheit auf verschiedenen, oft falschen Wegen herzustellen. Natürlich ist der näher der Erfassung künftiger Harmonie, der das bessere Gemeinschaftsgefühl besitzt. Und im großen und ganzen hat sich der soziale Grundsatz Bahn gebrochen, den Strauchelnden zu stützen und nicht zu stürzen.
Wenden wir unsere Anschauung auf unser heutiges Kulturleben an und halten wir fest, daß das Kind bereits das Ausmaß seines Gemeinschaftsgefühls, unveränderlich ohne weiteren bessernden Eingriff, fürs ganze Leben festlegt, dann richtet sich unser Blick auf gewisse allgemeine Zustände, deren Einfluß auf die Entwicklung des kindlichen Gemeinschaftsgefühls verheerend wirken kann. So die Tatsache des Krieges und seine Glorifizierung im Schulunterricht. Unwillkürlich richtet sich das vielleicht noch unfertige, vielleicht im Gemeinschaftsgefühl schwache Kind auf eine Welt ein, in der es möglich ist, Menschen gegen Maschinen und Giftgase kämpfen zu machen, sie dazu zu zwingen, und es als ehrenhaft zu empfinden, wenn man möglichst viele, sicherlich auch für die Zukunft der Menschheit wertvolle Mitmenschen tötet. In kleinerem Maße wirkt sich die Tatsache der Todesstrafe aus, deren Schaden auf das kindliche Gemüt wenig vermindert wird durch die Betrachtung, daß es sich dabei nicht um Mitmenschen, eher um Gegenmenschen handelt. Selbst die brüske Erfahrung des Todesproblems kann Kinder von geringerer Neigung zur Kooperation zum überstürzten Abschluß ihres Gemeinschaftsgefühls veranlassen. Ebenso sind Mädchen gefährdet, die das Liebes-, Zeugungs- und Geburtsproblem von unbedachter Umgebung als schreckhaft erfahren. Mit übergroßer Schwere lastet das ungelöste ökonomische Problem auf dem sich entwickelnden Gemeinschaftsgefühl. Selbstmord, Verbrechen, schlechte Behandlung von Krüppeln, Greisen, Bettlern, Vorurteile und ungerechte Behandlung von Personen, Angestellten, Rassen und Religionsgemeinschaften, Mißhandlungen Schwächerer und von Kindern, Ehestreitigkeiten und Versuche, die Frau in irgend einer Art als minderwertig hinzustellen und anderes mehr, Protzerei mit Geld und Geburt, Cliquenwesen und dessen Auswirkungen bis in die höchsten Kreise setzen neben Verwöhnung und Vernachlässigung der Kinder frühzeitig den Schlußpunkt in der Entwicklung zum Mitmenschen. In unserer Zeit hilft dagegen nur neben Herstellung der Mitarbeit des Kindes die richtige, rechtzeitige Aufklärung darüber, daß wir heute erst ein verhältnismäßig niedriges Niveau im Gemeinschaftsgefühl erreicht haben und daß ein richtiger Mitmensch es als seine Aufgabe erfassen muß, an der Lösung dieser Mißstände zum Wohle der Gesamtheit mitzuarbeiten und diese Lösung nicht von einer sagenhaften Entwicklungstendenz oder von anderen zu erwarten. Versuche, wenn auch in bester Absicht unternommen, die Höherentwicklung durch Verstärkung eines dieser Übel zu erzielen, durch Krieg, durch die Todesstrafe oder durch Rassen- und Religionshaß bringen in der folgenden Generation stets einen Abfall des Gemeinschaftsgefühls und damit eine wesentliche Verschlechterung der anderen Übel mit sich. Interessanterweise führen sie fast regelmäßig zur Bagatellisierung des Lebens, der Kameradschaft und der Liebesbeziehungen, eine Tatsache, an der man deutlich das Sinken des Gemeinschaftsgefühls wahrnehmen kann.
Ich habe im vorhergehenden genügend Material beigebracht, um den Leser verstehen zu lassen, daß es sich hier um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung handelt, wenn ich betone, daß das Individuum in seiner richtigen Entwicklung nur dann weiterkommt, wenn es als Teil des Ganzen lebt und strebt. Die flachen Einwendungen individualistischer Systeme sind dieser Auffassung gegenüber recht bedeutungslos. Ich könnte noch mehr davon sprechen und zeigen, wie alle unsere Funktionen darauf berechnet sind, die Gemeinschaft der Menschen nicht zu stören, den einzelnen mit der Gemeinschaft zu verbinden. Sehen heißt aufnehmen, fruchtbarmachen, was auf die Netzhaut fällt. Dies ist nicht bloß ein physiologischer Vorgang, er zeigt den Menschen als Teil des Ganzen, der nimmt und gibt. Im Sehen, Hören, Sprechen verbinden wir uns mit den anderen. Der Mensch sieht, hört, spricht nur richtig, wenn er in seinem Interesse mit der Außenwelt, mit den anderen verbunden ist. Seine Vernunft, sein Common sense unterliegt der Kontrolle der Mitmenschen, der absoluten Wahrheit und zielt auf ewige Richtigkeit. Unsere ästhetischen Gefühle und Anschauungen, vielleicht die stärkste Schwungkraft zu Leistungen in sich tragend, haben Ewigkeitswert nur, wenn sie im Strom der Evolution zur Wohlfahrt der Menschheit verlaufen. Alle unsere körperlichen und seelischen Funktionen sind richtig, normal, gesund entwickelt, sofern sie genügend Gemeinschaftsgefühl in sich tragen und zur Mitarbeit geeignet sind.
Wir sprechen von Tugend und meinen, daß einer mitspielt, von Laster und meinen, daß einer die Mitarbeit stört. Ich könnte noch darauf hinweisen, wie alles, was einen Fehlschlag bedeutet, deshalb ein Fehlschlag ist, weil es die Entwicklung der Gemeinschaft stört, ob es sich um schwer erziehbare Kinder, Neurotiker, Verbrecher, Selbstmörder handelt. In allen Fällen sieht man, daß der Beitrag fehlt. In der ganzen Menschheitsgeschichte finden sich keine isolierten Menschen. Die Entwicklung der Menschheit war nur möglich, weil die Menschheit eine Gemeinschaft war und im Streben nach Vollkommenheit nach einer idealen Gemeinschaft