es auch der Lehrer tut, wenn er verzweifelt, einen Fall mit einfachen Worten erklären zu können.
Dabei geschieht zweierlei. Erstens sind Vergleiche besser geeignet, Gefühle wachzurufen als eine sachliche Aussprache. In der Dichtkunst, in der gehobenen Sprache feiert der Gebrauch von Metaphern geradezu Triumphe. Sobald wir uns aber aus dem Bereich der schönen Künste entfernen, bemerken wir die Gefahr, die im Gebrauch von Vergleichen liegt. »Sie hinken«, sagt das Volk mit Recht und meint damit, daß in ihrem Gebrauch die Gefahr einer Täuschung liegt. Wir kommen hier demnach zu dem gleichen Urteil wie oben, wenn wir den vergleichsweisen Gebrauch von Bildern im Traume ins Auge fassen. Sie dienen, abseits vom Wege der praktischen Vernunft, der Selbsttäuschung des Träumers und der Erweckung von Gefühlen, damit auch einer Stellungnahme im Sinne des Lebensstils. Es mag wohl immer dem Traume eine Stimmungslage ähnlich dem Zweifel vorausgehen, ein Problem, das noch näherer Untersuchung bedarf. Dann aber wählt das Ich gemäß seinem Lebensstil gerade jene Bilder aus tausend Möglichkeiten aus, die seinem Zwecke günstig sind, die Hinwegsetzung über die praktische Vernunft zugunsten des Lebensstils durchzuführen.
Wir haben damit festgestellt, daß die Phantasie des Träumers gleich wie in ihren anderen Gestaltungen auch im Traum den Linien des Lebensstils vorwärts und aufwärts folgt, auch wenn sie wie all unser Denken und Fühlen und Handeln Erinnerungsbilder benützt. Daß diese Erinnerungsbilder im Leben eines verwöhnten Kindes solche sind, die aus den Irrtümern der Verwöhnung stammen, aber doch ein Vorfühlen in die Zukunft ausdrücken, darf nicht zum irrtümlichen Schluß verleiten, als ob infantile Wünsche hier Befriedigung fänden, als ob eine Regression auf ein kindliches Stadium stattfände. Ferner müssen wir der Tatsache Rechnung tragen, daß der Lebensstil die Bilder für seinen Zweck auswählt, so daß wir in dieser Auswahl den Lebensstil verstehen können. Die Angleichung des Traumbildes an die exogene Situation setzt uns in die Lage, die Bewegungslinie zu finden, die der Träumer kraft seines Lebensstils angesichts des Lösung verlangenden Problems einschlägt, um seinem Bewegungsgesetz gerecht zu werden. Die Schwäche seiner Position können wir darin erblicken, daß er Vergleiche und Gleichnisse zu Hilfe nimmt, die in fälschender Weise Gefühle und Emotionen wachrufen, ohne auf ihren Wert und Sinn geprüft werden zu können, die eine Verstärkung, Beschleunigung der stilgerechten Bewegung verursachen, wie etwa, wenn einer bei einem laufenden Motor mehr Gas gibt. Die Unverständlichkeit des Traumes, eine Unverständlichkeit, die sich im Wachen in vielen Fällen ebenso konstatieren läßt, wenn einer mit weit hergeholten Argumenten seinen Irrtum befestigen will, ist demnach Notwendigkeit und nicht Zufall.
Der Träumer verfügt noch, ganz wie im Wachen, über ein anderes Mittel, sich über die praktische Vernunft hinauszusetzen, nämlich, ein vorliegendes Problem in dessen Nebensächlichkeiten zu behandeln oder aus einem solchen die Hauptsache auszuschalten. Dieses Vorgehen zeigt sich jenem verwandt, läßt auch gelegentlich auf eine ausgebreitete Verwendung schließen, das ich als teilweise, unvollkommene Lösung eines Problems, als Zeichen eines Minderwertigkeitskomplexes in den letzten Heften der Zeitschrift für Individualpsychologie im Jahre 1932 beschrieben habe. Ich lehne abermals ab, Regeln zur Traumdeutung zu geben, da zu letzterer viel mehr künstlerische Eingebung als etwa Systematik des Beckmesser erforderlich ist. Der Traum bietet nichts, was nicht auch aus anderen Ausdrucksformen erschlossen werden kann. Nur dient er dem Untersucher dazu, zu erkennen, wie stark der alte Lebensstil noch wirksam ist, um den Untersuchten darauf aufmerksam zu machen, was zum Zwecke seiner Überzeugung sicherlich beiträgt. In der Deutung eines Traumes soll man so weit gehen, bis der Patient verstanden hat, daß er, wie Penelope, in der Nacht auftrennt, was er am Tage gelernt hat. Auch darf man jenen Lebensstil nicht vergessen, der in übertriebenem, scheinbarem Gehorsam, wie etwa der Hypnotisierte, seine Phantasie selbst in die Bahnen des Gehorsams gegenüber dem Arzte zwingt, ohne die daraus folgende Stellungnahme durchzuführen, auch eine Art des Trotzes, der schon in dieser heimlichen Weise in der Kindheit geübt wurde.
Wiederkehrende Träume weisen auf stilgerechten Ausdruck des Bewegungsgesetzes gegenüber Fragen hin, die in ihrer Artung als ähnlich empfunden werden. Kurze Träume zeigen die strikte, schnell fertige Antwort auf eine Frage. Vergessene Träume lassen die Vermutung zu, daß ihr Gefühlston stark ist gegenüber der ebenfalls starken praktischen Vernunft, zu deren besserer Umgehung das gedankliche Material verdampft werden muß, so daß nur die Emotion und die Stellungnahme übrigbleiben. Daß Angstträume die verstärkte Angst vor einer Niederlage widerspiegeln, angenehme Träume ein verstärktes »Fiat« oder den Kontrast mit der gegenwärtigen Situation, um so stärkere Gefühle der Abneigung zu provozieren, ist sehr häufig festzustellen. Träume von Toten legen den Gedanken nahe, der sich freilich aus anderen Ausdrucksformen bestätigen muß, daß der Träumer den Toten noch nicht endgültig begraben hat und unter seinem Einfluß steht. Fallträume, wohl die häufigsten von allen, weisen auf die ängstliche Vorsicht des Individuums hin, nichts von seinem Wertgefühl zu verlieren, zeigen aber auch gleichzeitig in räumlicher Vorstellung an, daß der Träumer sich in seinem Gefühl »oben« wähnt. Flugträume finden sich bei ehrgeizigen Menschen als Niederschlag des Strebens nach Überlegenheit, etwas zu leisten, was den Träumer über die anderen Menschen hinaushebt. Dieser Traum ist nicht selten, wie zur Warnung vor einem ehrgeizigen, riskanten Streben, mit einem Falltraum verbunden. Glückliches Landen nach einem Fall im Traum, das oft nicht gedanklich, sondern nur gefühlsmäßig zum Ausdruck kommt, dürfte meist auf ein Sicherheitsgefühl, wenn nicht auf ein Prädestinationsgefühl hinweisen, demzufolge das Individuum sich dessen versichert, daß ihm nichts geschehen kann. Versäumen eines Zuges, einer Gelegenheit, wird sich meist als Ausdruck eines geübten Charakterzuges feststellen lassen, einer gefürchteten Niederlage durch Zuspätkommen zu entgehen, die Gelegenheit zu verpassen. Träume von mangelhafter Bekleidung gefolgt vom Erschrecken darüber lassen sich meist auf die Furcht zurückführen, bei einer Unvollkommenheit ertappt zu werden. Motorische, visuelle und akustische Neigungen sind häufig in Träumen ausgedrückt, doch immer in Verbindung mit der Stellungnahme zu einer vorliegenden Aufgabe, deren Lösung in seltenen Fällen dadurch sogar gefördert werden konnte, wie einzelne Beispiele zeigen. Die Rolle des Träumers als Zuschauer weist mit einiger Sicherheit darauf hin, daß das Individuum sich auch im Leben gerne mit der Rolle des Zuschauers begnügt. Sexuelle Träume erweisen sich verschieden gerichtet, bald als verhältnismäßig schwaches Training zum Sexualverkehr, bald als Rückzug von einem Partner und Beschränkung auf sich selbst. Bei homosexuellen Träumen ist das Training gegen das andere Geschlecht, nicht etwa eine angeborene Neigung, von mir stark genug hervorgehoben worden. Grausame Träume, in denen das Individuum aktiv auftritt, deuten auf Wut und Rachgier, ebenso beschmutzende Träume. Die häufigen Träume der Bettnässer, beim Urinieren am richtigen Platze zu sein, erleichtert ihnen in wenig mutiger Weise ihre Anklage und Rache gegen ein Gefühl der Zurücksetzung. In meinen Büchern und Schriften findet sich eine Unzahl von gedeuteten Träumen, so daß ich es mir versagen darf, bestimmte Beispiele hier anzuführen. Im Zusammenhang mit dem Lebensstil sei folgender Traum besprochen:
Ein Mann, Vater von zwei Kindern, lebte mit seiner Frau, die ihn, wie er wußte, nicht aus Liebe geheiratet hatte, in Unfrieden, der von beiden Seiten geschürt wurde. Er war ursprünglich ein verwöhntes Kind gewesen, wurde später durch ein anderes Kind entthront, hatte aber in einer harten Schule seine ehemaligen Zornausbrüche beherrschen gelernt, auch soweit, daß er oft in ungünstiger Lage vielleicht allzulange Versuche machte, einen Versöhnungsfrieden mit Gegnern herzustellen, was begreiflicherweise selten gelang. Auch seiner Frau gegenüber war seine Haltung ein Gemisch von Abwarten, von Versuchen, eine liebevolle, vertrauensvolle Lage zu finden und von gelegentlichen Jähzornsausbrüchen, wenn er in ein Minderwertigkeitsgefühl verfiel und sich keinen Rat wußte. Die Frau stand dieser Situation in vollem Unverständnis gegenüber. An seinen zwei Knaben hing der Mann mit ungewöhnlicher Liebe, die von diesen erwidert wurde, während die Mutter in ihrer formellen Gelassenheit, in der sie natürlich mit dem Manne um die Liebe der Kinder nicht wetteifern konnte, die Fühlung mit ihnen mehr und mehr verlor. Dem Manne erschien dies wie eine Vernachlässigung der Kinder, über die er oft seiner Frau Vorwürfe machte. Die ehelichen Beziehungen gingen unter Schwierigkeiten weiter, aber beide Eltern waren bestrebt, weiteren Kindersegen zu verhindern. So standen sich beide Partner lange Zeit gegenüber: Der Mann, der nur starke Gefühle in der Liebe anerkannte, sich auch um seine Rechte gebracht fand, die Frau, mit kraftlosen Versuchen, die Ehe weiterzuführen, frigid und aus ihrem Lebensstil heraus ohne die gesuchte Wärme