Heinrich Zschokke

Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke


Скачать книгу

»Nein, lieber Fabi, Du kennst ihn also wahrlich nicht.«

      »Doch ist's derselbe, der droben bei Dir war?«

      »Ja, liebe Seele, der ist's gewesen.«

      »Und dem Spielmann und mir machte er Anträge Deinetwegen.«

      »Ich weiß es. Ja er hat's gethan. Zürne ihm darum nicht.«

      »So sage mir, Epiphania, wer er ist?«

      »Mein Heiliger.«

      »O, ich verstehe Dich. Aus welchem Kloster kommt er? Ist er ein Prälat? Wer hat ihn gesandt oder Dir zugeführt?«

      »Gott!«

      »Armes, entsetzlich verblendetes Kind! Nicht Gott, nicht Gott! Er scheidet Dich von Gott und Deiner Seele Seligkeit und von mir Unglücklichem. Laß ab von ihm. Fliehe, fliehe!«

      »Das darf, das kann, das will ich nicht!« sagte sie mit einer Festigkeit, die den Jüngling erschütterte.

      »Darfst, kannst, willst nicht?« wiederholte er mit erlöschender Stimme. »Also . . . zu spät! Ist dies Dein letztes Wort, Epiphania?«

      »Wodurch habe ich Dein Vertrauen eingebüßt, Fabi?«

      »Durch Dein Geheimnishaben vor dem Bruder, Fania.«

      »Ich habe Verschwiegenheit gelobt und werde Treue halten. Fabi, vertraue mir. Einst, wenn Leonore genesen oder im Grabe ist, wirst Du alles erfahren. Vertraue mir bis dahin!«

      »Nein, Unglückliche, ist's jetzt zu spät, Dich zu retten, wie dann? Epiphania, laß ihn fahren, den gefährlichen Verführer, um Deiner Seligkeit willen, lasse von ihm!«

      »Ich kann nicht.«

      Fabian verstummte, that einen schweren Seufzer, und wie an Kraft erschöpft, sagte er endlich: »Es will Abend werden. Gute Nacht, ewige gute Nacht! Grüße Addrich und Leonoren; ich kann sie nicht mehr sehen. Gott sei Deiner Seele gnädig! Gehabe Dich wohl!«

      Als er bei diesen Worten von ihr gehen wollte, stieß sie einen lauten Schrei aus, schlang ihre Arme um seinen Hals und rief in Verzweiflung: »Fabi, verlaß mich nicht!«

      »Hast Du mich nicht schon verlassen?« fragte er traurig. »Hast Du mich nicht verstoßen?«

      »Ich Dich verstoßen? Kann ich denn meine einzige Seele aus mir verstoßen? Verlaß mich nicht, Fabi; meine Seele zieht Dir nach und es bleibt nur meine Leiche zurück, wenn Du gehest. Verlaß mich nicht; ich will ja alles thun, was Du willst und gebietest; aber bleibe bei mir, daß ich nicht sterbe!«

      Sie rief diese Worte mit so durchdringender, schmerzlicher Stimme, sie hielt ihn so fest umklammert, daß er keinen Versuch wagen konnte, sich loszuwinden.

      »Und wenn ich fordere, daß Du . . .« sagte er mit neuer Hoffnung. Doch sie unterbrach ihn und rief. »Alles, alles, Fabi, nur das eine nicht, bis Leonore genesen oder im Grabe ist. Dann, dann . . .«

      »O meine Schwester, dann ists zu spät.«

      »Nicht doch, grausamer Fabi, nicht doch! Vertraue mir mit Zuversicht. Hat Dich mein Herz denn je belügen können? Nur das Eine begehre nicht; alles sonst . . . aber verlasse mich nicht!«

      Fabian schwieg nachdenkend. Er wurde bei Epiphanias Hartnäckigkeit und dem unwidersprechlichen Ausdruck ihrer Liebe zu ihm an sich selbst irre. Dann versuchte er einen andern Weg, diesen Widerspruch auf eine entscheidende Weise zu lösen.

      »Faneli,« sagte er und legte seinen Arm um sie, »ich will zwei Fragen an Dich thun. Deine Antwort kann mir die ganze Ruhe wiedergeben, nach der ich mich sehne.«

      »Fabi, frage alles, nur nicht um das, was ihn angeht.«

      »Kannst Du mir versprechen, Epiphania, nie, unter keinen Verhältnissen, welche es auch sein mögen, Deinen evangelisch-christlichen Glauben zu verläugnen, niemals Dich zum Übertritt in die Gemeinschaft der Papisten bewegen zu lassen?«

      Epiphania fragte stockend dagegen: »In die Gemeinschaft? Wie meinst Du das?«

      »Daß Du niemals römisch-katholischer Religion werden willst . . . daß Du es auch jetzt noch nicht bist?«

      Sie schien über die Frage nachzusinnen. Fabian fühlte einen Schauder in seinen Gliedern, als sie einige Augenblicke zu antworten anstand. Endlich sagte sie: »Könnte es Dich also ganz und über alles beruhigen, wenn ich Dir antworten würde: ich bin noch nicht katholisch und will evangelisch bleiben, wie Du, und so lange wie Du selbst?«

      »Ja, es gäbe mir meine Zufriedenheit zurück.«

      »Nun denn, verscheuche Deine Sorge. Ich bin ja nicht katholisch und will keinen andern Glauben annehmen, als Deinen Glauben. Könnte ich denn anders, Fabi? . . . Ist das nun alles?«

      Fabian drückte sie fest an sein Herz und sagte stammelnd: »Ich hätte noch die zweite Frage. Aber . . . ich frage nicht. Ich sah ja . . .« Hier fielen seine Arme, mit denen er sie umschloß, wie gelähmt von ihr ab. Er zog den Kopf von ihr zurück, als wollte er sich von ihrer Umschlingung frei wissen.

      »Nun, was sahst Du, Fabi?« fragte sie etwas ängstlich und wollte die Antwort aus seinen Augen lesen.

      Er seufzte, und hinwegblickend sagte er: »Ich sah seine Lippen auf Deinen Wangen.«

      »Schon wieder von ihm? Du brichst Dein Wort. Berühre ihn nicht, Fabi, vertrau! Bin ich nicht Deine Schwester?«

      »Meine Schwester, ja, aber seine . . . laß mich, Epiphania!«

      »Thue Deine zweite Frage, aber berühre ihn nicht.«

      »Nun denn, Epiphania, soll ich die Frage thun?«

      »Warum quälst Du Dich und mich, Fabi? Rede!«

      »Du hast mich noch lieb, Fani?«

      »Ist das die Frage?«

      »Nein, aber . . . o Fani, rede frei vor Gott und mir: kannst Du geloben, keines anderen Geliebte, keines andern Braut jemals zu werden . . . Fani, keines andern Weib je zu werden . . . Fani, Gott hört uns! . . . als das meinige?«

      Mit aller Anstrengung brachte Fabian doch die letzten Worte nur sehr leise hervor.

      Es trat eine lange Ruhe ein. Ihr errötendes Antlitz sank auf die Brust nieder, deren Bewegung den inneren Kampf oder eine Furcht verriet, die sie verhehlen wollte. Er bemerkte diese nicht unerwartete Verlegenheit und trat einige Schritte von ihr zurück. Sie hielt ihn diesmal nicht fest. Je länger sie sprachlos blieb, desto mehr stieg seine Angst. Einigemal bat er mit laut schlagendem Herzen um Antwort. Endlich legte er beide Hände vor sein Gesicht und sagte in der tiefsten Betrübnis seiner Seele: »Nein, antworte nicht!«

      Jetzt wandte sie furchtsam und verschämt das Angesicht zu ihm hin und sagte: »Warum bist Du heute mit mir, wie Du es nie gewesen? Du hast Renolds Rede, Renolds Ungestüm und, der Himmel verzeihe mir oder Dir, Renolds verdammliches Wesen. Bin ich nicht Deine Schwester?«

      Er nickte schweigend mit dem Haupte.

      »Bist Du nicht mein alles? Oder könnte ich Dir mehr werden?«

      »Nein, Du darfst nicht. Ich kam zu spät,« versetzte er, ließ die Hände vom Gesichte und sagte mit einer erzwungenen Ruhe des Tones, indem er ihre Hand nahm: »Ade! Es muß geschieden sein. Lebe wohl, Schwesterherz! Es war nicht Deine Schuld, ich kam zu spät.«

      »Fabi!« schrie das geängstigte Mädchen. »Es peinigt und verwirrt Dich ein böser Geist. Verlasse mich nicht; um Gotteswillen nicht!«

      »Antworte auf meine Frage deutlich: keines andern Verlobte, Braut, Weib?« rief er und seine Hand zitterte dabei in der ihrigen.

      »Deine Braut? Fabi, besinne Dich doch! Du sprichst wie ein Trunkener mit der Schwester.«

      »Antworte! Gieb mir das Recht des Bräutigams, Fani!«

      Sie blickte wieder zu ihm auf und senkte schamvoll die Augen nieder, als sie den seinigen begegnete. Dann sagte sie mit kaum verständlicher Stimme: »Es ist etwas