Büchmann Georg

Geflügelte Worte: Der Citatenschatz des deutschen Volkes


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auserwählt um der Stätte willen, sondern die Stätte um des Volkes willen."—

      Vor den Riss treten,

      d. h. "Verluste durch Einsetzung der eigenen Person wieder gut machen", ist ein biblischer Gedanke, s. Psalm 106, 23, Hesekiel 13, 5 und 22, 30. An der ersten Stelle lautet der Ausdruck: "den Riss aufhalten", an der zweiten: "vor die Lücken treten", an der dritten: "wider den Riss stehen".—

      Eine durstige Seele

      steht Psalm 107, 9 und ebenda (vrgl. Baruch 2, 18):

      Eine hungrige Seele.—

      Nach Psalm 107, 42: ". . . aller Bosheit wird das Maul gestopfet werden" (vrgl. Matth. 22, 34; Titus 1, 11) sagen wir:

      Einem das Maul stopfen.

      "Lügenmäuler verstopfen" steht Psalm 63, 12, "den Mund stopfen" Psalm 40, 10 u. Luk. 11, 53.—

      

      beruht auf Psalm 115, 5. 6; 135, 16. 17; Jer. 5, 21; Hesek. 12, 2; Weisheit 15, 15.—

      Psalm 116, 11 steht:

      Omnis homo mendax,

      Alle Menschen sind Lügner.—

      Im Texte von Psalm 127, 2: "Denn seinen Freunden giebt er's schlafend", liegt das Wort:

      Gott giebt's den Seinen im Schlafe,

      oder:

      Dem Gerechten giebt's der Herr im Schlafe.—

      Als Umgestaltung von Psalm 127, 3: "Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn" mag gelten:

      Viel Kinder, viel Segen.—

      Psalm 143, 2: ". . . gehe nicht in's Gericht mit deinem Knechte; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht" giebt uns das Wort:

      Mit Einem ins Gericht gehen.—

      Psalm 145, 15 und 16 (s. oben 5. Mos. 15, 11) steht das Tischgebet:

      zu seiner Zeit. Du thust Deine Hand auf und erfüllest

      alles, was lebet, mit Wohlgefallen.—

      Der weise Salomo, der "dreitausend Sprüche redete" (1. Könige 4, 32), und der den Sprichwörtern die allgemeingültige Bezeichnung der

      Weisheit auf der Gasse

      (Sprüche Salomons 1, 20: "Die Weisheit klaget draussen, und lässet sich hören auf den Gassen") verschafft hat, wird natürlich oft citiert.—

      "Sprüche" 1, 10 lautet:

      (Mein Kind,) wenn dich die bösen Buben

      locken, so folge nicht.—

      

      "Sprüche" 2, 16 warnt vor "eines andern Weib, und die nicht dein ist, die

      glatte Worte

      giebt".—

      "Sprüche" 3, 12 enthält:

      Welchen der Herr liebet, den strafet er,

      was sich Ebräer 12, 6 ähnlich wiederholt (s. auch Offenbar. Joh. 3, 19):

      We(lche)n der Herr lieb hat, den züchtigt er.—

      "Sprüche" 4, 24 lesen wir: "Thue von dir den verkehrten Mund und lass das

      Lästermaul

      ferne von dir sein".—

      "Sprüche" 5, 4 heisst es im schlimmen, Ebräer 4, 12 und Offenb. Joh. 1, 16 u. 2, 12 im guten Sinne von einer scharfen Rede, sie sei wie

      ein zweischneidig(es) Schwert.

      Gedankenlos wird heute dies Wort so citiert, als sei im allgemeinen ein Schwert gemeint, dessen eine Schärfe Heil, dessen andere Unheil bringe.—

      "Sprüche" 8, 14 steht: "Mein ist beides

      Rat und That";

      während es Jeremias 32, 19 heisst: "Gross von Rat und mächtig von That".—

      Gestohlenes Wasser schmeckt süss,

      sagen wir nach "Sprüche" 9, 17: "Die verstohlenen Wasser sind süsse" (vrgl. 20, 17) und

      Unrecht Gut gedeiht nicht,

      nach "Sprüche" 10, 2: "Unrecht Gut hilft nicht" (vrgl. Sirach 5, 10; 41, 12 u. unter Kap. X: Sophokles).—

      

      Dies irae,

      der Tag des Zorns, d. h. des Gerichts Gottes, steht, wie "Sprüche" 11, 4 "dies ultionis" und Hesekiel 7, 19 "dies furoris", in der Vulgata Römer 2, 5 (vrgl. Offenb. 6, 16. 17; 11, 18) und bildet den Anfang des Liedes von Thomas von Celano (13. Jahrh.), das beim katholischen Traueramte ertönt und in Goethes "Faust" dem reuigen Gretchen im Dome entgegenbraust.—

      "Sprüche" 12, 10 bietet:

      Der Gerechte erbarmet sich seines Viehes.—

      "Sprüche" 13, 24 steht: "Wer seiner Ruthe schonet, der hasset seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtiget ihn bald". (vrgl. Sirach 30, 1.) Hiernach ist gebildet:

      Wer sein Kind lieb hat, der züchtigt es.—

      "Sprüche" 14, 13: "Nach dem Lachen kommt Trauern, und nach der Freude kommt Leid" und Lukas 6, 25: ". . . Wehe euch, die ihr hier lachet, denn ihr werdet weinen und heulen" sind die Quellen des Wortes:

      Nach Lachen kommt Weinen.—

      Nach "Sprüche" 16, 9 (Vulgata): "Cor hominis disponit viam suam, sed Domini est dirigere gressus eius", bei Luther: "Des Menschen Herz schläget seinen Weg an, aber der Herr allein giebt, dass er fortgehe" ist gebildet:

      Homo proponit, sed Deus disponit.

      Der Mensch denkt, Gott lenkt.

      L'homme propose et Dieu dispose.

      Der lateinische Spruch kommt schon in dem englischen Gedichte W. Langlands "Piers Ploughmans Vision", (Mitte des 14. Jahrh.) V. 6644 und V. 13, 994 vor. An ersterer Stelle heisst es: "Homo proponit, sprach ein Dichter, und Plato hiess er, und Deus disponit sprach er; lass Gott seinen Willen thun".—

      

      Hochmut kommt vor dem Fall

      ist gebildet nach "Sprüche" 16, 18: "Stolzer Mut kommt vor dem Fall" (vgl. Tobias 4, 14: "Hoffart . . . ist ein Anfang alles Verderbens" und Sirach 3, 30: "Hochmut thut nimmer gut und kann nichts denn Arges daraus erwachsen").—

      "Sprüche" 19, 17 steht:

      Wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem Herrn.—

      "Sprüche" 24, 8 lautet: "Wer ihm selbst Schaden thut, den heisst man billig einen

      Erzbösewicht".

      Als solcher wird Maccabäer 15, 3 Nicanor bezeichnet, der aber anderen Schaden zu thun trachtet.—

      Aus "Sprüche" 24, 15: "Laure nicht als ein Gottloser, auf das Haus des Gerechten, verstöre seine Ruhe nicht" mag sich der Ausdruck

      Schlaf des Gerechten

      entwickelt haben (andere leiten ihn her aus 3. Mos. 26, 6; aus Psalm 3, 6. 7; 4, 9; 127, 2; oder aus Sprüche Sal. 3, 24).—

      "Sprüche" 24, 29: "Wie man mir thut, so will ich wieder thun", wird verkürzt zu:

      Wie du mir, so ich dir.—

      "Sprüche" 25, 11 bringt uns:

      Güldene Äpfel in silbernen Schalen.—

      "Sprüche"