wie im Wellengang von der Ferse auf die Zehenspitzen. – "Was er so eigentlich sagt, Herr Redakteur, das ist mir gerade diesen Augenblick nicht gegenwärtig. Aber Sie sollten nur einmal hören, wie er die Reisenden an der Table d'hôte behandelt, Herr Redakteur. Er nimmt sie ordentlich vor, hihihi!"
"Das haben sie auch wohl nötig!"
"Hihihi, ja! Diese Art Leute haben ja in der Regel keinen Pli! – Aber jetzt fällt mir ein Beispiel ein. Herr Redakteur" – der Wirt legte wieder einen weichen Finger auf Redakteur Heilbunths Schulter. "Wenn Sie erlauben, Herr Redakteur?"
"Hm! –"
"Er sagte neulich bei Tisch" – es war gerade beim Dessert: Früchte der Jahreszeit! – man müßte glauben, hihihi! daß der liebe Gott die Bürgermeisterin geschaffen hätte, indem er kleine Klumpen auf sie geworfen habe, einen für die Nase und einen für jede Backe und für die Augen – hihihi! Ich finde das furchtbar witzig – und einen für das Kinn – nicht wahr?"
"Sagte er noch weiter was?"
"Hihihi, hi! Er sagte – (der Wirt näherte seinen Mund diskret dem Ohr des Redakteurs) – er sagte, und dann wäre die Bürgermeisterin gewiß weggelaufen, hihihi! denn sie hätte vergessen, die Klumpen für den Busen mitzunehmen und – und – (hier machte Herr Hansen einige rundliche Bewegungen mit der hohlen Hand) – und die übrigen gewölbten – hihihi – weiblichen Teile!"
Heilbunth sah eine Weile da, ohne eine Miene zu verziehen. Dann aber drehte er mit einer Kraftanstrengung den Kopf einen halben Zoll weiter herum und sagte über die Schulter hinweg:
"Ich beteilige mich nicht daran, die Obrigkeitspersonen der Stadt lächerlich zu machen! Merken Sie sich das!"
Der Hotelbesitzer stand eine Sekunde starr und sprachlos da. Dann verneigte er sich mit wahnsinniger Hast ein paarmal, stieß ein paar unartikulierte Laute aus und zog sich mit einem geistesabwesenden Lächeln hinter den Schenktisch zurück.
Ein paar Tage später aber aß der Redakteur mit an der Table d'hôte.
Und beim Kaffee fragte er Knagsted, ob er l'Hombre spiele.
So wurde der Zollkontrolleur in die Bürgerschaft eingefühlt.
Und bald wurde er Mitglied der Freßsäcke und trank Schmollis mit mehreren Brüdern. Aber was man "beliebt" nennt, das wurde er eigentlich nicht.
Weit eher hatte man eine Art Ehrfurcht vor ihm, und zwar in der alttestamentarischsten Bedeutung dieses Wortes, indem man gewissermaßen zu ihm aufblickte und ihn bewunderte, aber in Zittern und Beben. Man fürchtete, sein Opfer zu werden, und wich ihm aus. Man zitterte vor seiner scharfen Zunge und redete ihm deswegen nach dem Munde.
"Ein boshafter Satan!" sagte Fabrikant Rössel.
"Der Teufel in eigener Person!" sagte Stadtkassierer Lassen.
"Wer leibhaftige Gottseibeiuns mit Haaren am ganzen Körper", sagte Rentier Eriksen.
Und alle machten sie ihm den Hof.
Aber dann geschah es, daß er anfing, mit Konsul Mörch spazierenzugehen.
Mit Konsul Mörch, der seit Jahren krank und vergrämt daheim in seinem Stuhl gesessen, und den die Stadt in ihrer täglichen Geschäftigkeit und in ihrem Hasten nach Broterwerb beinahe vergessen hatte.
Und sofort zerschmolzen ein Paar von diesen herzensguten Frauen vor Rührung: Da konnte man es sehen! redeten sie drauflos. – Was hatten sie nicht immer gesagt? Man hatte Zollkontrolleur Knagsted blutiges Unrecht getan. Diesem armen, höflichen Mann, den die Natur so stiefmütterlich behandelt hatte – ja, man konnte wohl in gewisser Hinsicht sagen, so verschwenderisch, hi hi, – und der keine Familie hatte, und keine Familie gründen konnte, – "denn, sagen Sie doch selber. Frau Heilbunth (Frau Stadtkassierer Lassen sprach), wer wollte sich wohl mit ihm verheiraten? Mein Mann und er sind einmal zusammen im römisch-irischen Bad gewesen, – ich bitte Sie, – wie Pelzwerk, hat mir Lassen erzählt!" Und dieser arme prädestinierte Junggeselle hat sich natürlich immer nach etwas gesehnt, was ihn beschäftigen, nach jemand, für den er sich aufopfern könnte, und da hatte er Konsul Mörch gefunden. Und Frau Lassen mußte, weiß Gott, sagen, daß sie es ganz reizend von Knagsted fand, sich gerade Mörch auszusuchen, "denn Mörch war immer, – das wissen Sie doch selber, Frau Heilbunth, – ein ziemlich unangenehmer Mensch gewesen!" Und außerdem war es Frau Lassens unumstößliche Meinung, daß Knagsted eine unglückliche Liebe gehabt haben müsse, und deswegen war der Schein gegen ihn! "Denn das wissen wir doch, teure Frau Heilbunth, Herz haben wir alle miteinander, wenn wir es uns auch nicht immer merken lassen! – Puh! Ja, bitte, aber nur noch eine kleine halbe Tasse. – Ich finde, es ist hier sehr warm! Wollen wir nicht das Fenster ein ganz klein wenig aufmachen?"
So zerflossen die Damen bei ihren Kaffeezusammenkünften in Begeisterung über den Zöllner Knagsted. Und auf einige Zeit umgab ihn ein romantischer Nimbus. Bis es ganz allmählich bekannt wurde, auf welche Art und Weise er sein Liebeswerk übte.
Da schlug man den Blick gen Himmel und bekreuzigte sich!
Obwohl es auch viele gab, die einen geheimen Groll gegen Konsul Mörch hegten, aus der Zeit, als er der erste Matador des Städtchens war.
Auch hinter Knagsteds Motive zu kommen, vermochte man nicht, wie sehr man sich auch den Kopf zerbrach. Er blieb ein Rätsel, das zu diskutieren man nie ermüdete.
Ja, Frau Lassen schrieb sogar nach Ebeltoft an eine Freundin, um Erkundigungen einzuziehen. Aber die Freundin konnte nur berichten, daß er von Svannike nach Ebeltoft gekommen sei. Und daß alle sich vor ihm gefürchtet hätten.
Worauf ihm Frau Lassen den Namen "die leibhaftige Bosheit" gab und ihre auswärtigen Freunde regelmäßig um die Zollbude herumführte, damit sie ihn sehen könnten. –
Es war an einem Abend gegen Ende Juni. Der Mond segelte hoch oben am Himmel dahin und machte fast die Sterne erblassen durch seinen Glanz. Über Mooren und Wiesen lag ein dichter Nebel, steif und unbeweglich, denn kein Wind rührte sich.
Die Uhr war fast elf. Und draußen auf dem Mühlenhof schliefen Rasmus Cornelius und seine Familie längst den süßen Schlaf, wie gewöhnlich von dem Brummen des Rades und dem brausenden Wasser eingelullt.
Rasmus war jetzt so flott, daß er sich einen Mann hielt, der nachts auf die Mühle achtgab.
Im übrigen hielt er auch einen Mann, der am Tage die Landwirtschaft besorgte. Er selber studierte im Lindenborger Krug "Chemie". "Kimi" und "Rechnen", wie er es nannte: Branntwein und Kartenspiel.
Ein kleiner, schiefer Schatten glitt über den Feldweg hinter dem Garten des Mühlenhofes. Als er die äußersten Bäume erreichte, dort, wo früher die Umzäunung gewesen war, machte er halt und legte die Hand hinter das Ohr, um zu lauschen.
Kein Laut war zu hören. Nur das Plätschern des Wassers, wenn es über das Treibrad stürzte.
Dann verschwand der Schatten raschelnd zwischen dem Buschwerk und glitt in den Garten hinein.
Emanuel Thomsen machte seinen Abendspaziergang.
Er schlich da drinnen von einem Fleck zum anderen. Da war ja auch nicht ein Fußbreit Erde, auf den er nicht als Kind und halberwachsener Mann seinen Fuß gesetzt hatte. Er kannte jeden Baum, jeden Busch. Und obwohl eigentlich kein Unterschied mehr zwischen Rasenplätzen und Steigen vorhanden war, fand er doch tastend seinen Weg, wie der Blinde zwischen den gewohnten Möbeln seines Zimmers.
Der Mond stand senkrecht über den Bäumen, und seine Strahlen fielen steif zwischen die unbeweglichen Blätter herab. In der großen Lindenlaube mit dem steinernen Tisch setzte sich Manuel auf einen der gliederlahmen "Naturstühle". Durch die gegenüberliegenden Büsche konnte er einen Teil des "Sees" sehen, dessen Wasserspiegel wie geschliffener Stahl schimmerte. Aber hie und da, mitten in dem klaren, blanken Wasser