Pokale wurden geleert.
Und der Hummer wurde herumgereicht.
Es war eine wahre Augenlust, die Gründlichkeit und den Ernst zu beobachten, mit dem diese ehrwürdigen Greise zu Werke gingen. Es war, als dienten sie einer Gottheit. Andachtsvoll wurde der Essig auf die Opfertiere gegossen. Der Pfeffer schwebte herab wie Weihrauch. Und schweigend verzehrte man geröstetes Brot mit Butter dazu.
So haben gewiß die ägyptischen Tempelpriester verzehrt, was das gläubige Volk von den Erstlingserzeugnissen des Landes für Isis und Osiris auftrug.
Nach und nach aber wurde das Schweigen gebrochen. Glas auf Glas glitt hinunter. Und die alten Augen fingen an zu leuchten, während die dicken Finger die gefüllten Flaschen umklammerten.
"Die Tauben!" brummte der Luxusbauch. "Reichen Sie mir die Tauben!"
"Lamm! Lamm!" rief Esau. Er glich einem Menschenfresser in Funktion. Und alle seine Haarbüschel bewegten sich.
Fabrikant Rössel und Oberlehrer Clausen griffen jeder nach einer Scholle. Und Redakteur Heilbunth aß blutigen Rinderbraten.
Stadtsekretär Lassen aber, der ein Leckermaul war, hielt sich an die kleinen Schalen.
Thomsen lief wie ein Taschenkrebs seitwärts und geschäftig rund um den Tisch herum und setzte mit einem langen Arm neue Flaschen hin.
Der Humor war im Steigen, und die Stimmen wurden laut. Man trank sich zu, puffte sich mit den Ellenbogen in die Seite und fing an, einander mit längst verjährten Jugendtorheiten zu necken.
"Du Lassen," rief Fabrikant Rössel dem Stadtsekretär quer über den Tisch zu, "kannst du dich wohl noch der französischen Marie mit der Hasenscharte erinnern?"
Lassen bekam den Kaviar und den Porter in den verkehrten Hals, so daß Zollkontrolleur Knagsted ihn klopfen mußte.
"Ho, ho!" grunzte der Redakteur, der Schweiß perlte ihm unter dem weißen Haar von der Stirn. "Das war bei Markussen in der Pileallee!"
Es war hier im Städtchen von jeher Sitte gewesen, in die Hauptstadt zu reisen, wenn man über die Stränge schlagen wollte. Und an dieser Sitte hielt man auch jetzt noch fest.
"Ja," sagte Lassen, der sich wieder besonnen hatte, "das war Anno zweiundsechzig, mein Junge!" Und er schnalzte mit der Zunge in Erinnerung der schönen Zeiten.
"Ja, und da bekamst du deine lange Nase, Stadtsekretär!" sagte Rössel.
"Ho, ho!" grunzte der Redakteur von neuem. Er war nämlich mit dem Mädchen durchgebrannt. – "Ja, das waren noch Zeiten!" sagte er. "Da war man noch elastisch!"
"Wir sind, hol' mich der Teufel, noch ganz tüchtige Kerle", meinte der Luxusbauch.
"Weiß Gott, das sind wir, Eriksen!" nickte der Redakteur. "Prost, du alter Kuponschneider!"
"Prost – du Rhinozeros! Du stinkst!"
"Was tue ich?"
"Ich sage: Du stinkst! Geradeso wie deine Zeitung. Die Druckerschwärze, die du brauchst, taugt nichts!"
"Gib ihm eine Maulschelle in meinem Namen, diesem Fettwanst!" Aber sein Gesicht wurde doch noch einen Schatten röter. Die Druckerschwärze war sein wunder Punkt.
Und dann schlug Oberlehrer Clausen an sein Glas. Er war der Redner des Vereins.
"Brüder!" begann er. "Das Leben ist ein Jammertal." – –
"Unsinn!" brummte der Stadtsekretär Lassen.
"Halt's Maul, du Kamel!" sagte der Oberlehrer.
"Ein Jammertal!" wiederholte er ostentativ. "Aber wir haben einen Winkel gefunden, wohin der Jammer nicht zu dringen vermag!"
"Hört! hört!"
"Und wer ist es, der uns einmal über das andere wieder in diesen herrlichen Winkel hineinzieht? Das ist unser stolzer wohlproportionierter Vorsitzender!" (Hier legte Heilbunth leise Messer und Gabel nieder.) "Er ist die treibende Kraft unserer Brüderschaft!"
"Seine Druckerschwärze stinkt!" murmelte Eriksen. "– – Und obwohl man mit Fug und Recht von ihm sagen kann, daß er tagaus, tagein in drückenden Verhältnissen sitzt – –"
"Das war brillant, Clausen! Ganz brillant!"
Der Oberlehrer lächelte selbstbewußt.
– – – "in drückenden Umständen, so denkt er doch, so wie der selige Horaz, immer nur daran, zu nützen und zu erfreuen! Habe ich nicht recht?"
"Ja, aber seine Schwärze stinkt – –"
"Halt jetzt den Mund. Eriksen, und laß den Unsinn! – – Was würde ohne ihn wohl aus uns werden, ohne ihn, diesen Ritter sans peur et sans reproche, frage ich euch? Wenn wir kurz daran sind, zu vergehen vor Langeweile und Ehegattin –"
"Bravo! Bravo!"
Der Oberlehrer lächelte von neuem. – – "vor Langeweile und Ehegattin, da entsendet er seinen Knappen, Herrn Thomsen, damit dieser an unsere Türen pocht –"
"Seine Schwärze stinkt – –"
"Und wir umgürten uns mit unserem festlichen Gewande und folgen freudig seinem Ruf! – – Ach, Knagsted, kannst du nicht aufhören, fortwährend mit dem Messer auf den Tisch zu klopfen?"
Der Zöllner hatte dagesessen und unaufhörlich den Takt zu des Oberlehrers Rede gehämmert, drei lange Schläge und zwei kurze: dum, dum, dum – dumdum! dum, dum, dum – dumdum! Jetzt hielt er inne; aber seine Haarbüschel standen zu Berge.
Ein wenig matt fuhr Clausen fort:
"Meine Absicht war, wie ihr es wohl alle längst erraten habt – –"
"Seine Schwärze stinkt – –"
"Nein, es ist ja ganz unmöglich, dabei eine Rede zu halten!"
"Jetzt sollst du aber wirklich, hol' mich der Teufel, das Maul halten, Eriksen!" sagte der Stadtkassierer und schlug seinen Nachbar an den Kopf.
Der Luxusbauch lachte, so daß er sich schüttelte. Er war ein wenig bezecht.
Und abermals legte der Oberlehrer los.
"Meine Absicht war, Sie alle zu bitten, mit mir ein Glas auf unseren ausgezeichneten Vorsitzenden zu leeren!"
"Seine Schwärze stinkt!"
Schnell legte der Stadtkassierer seine Hand auf Eriksens Mund.
Clausen erhob seine Stimme:
"Allerdings ist er nicht so ganz ohne, aber er ist doch keineswegs gewogen und zu leicht befunden –"
"Hi, hi, hi! Brillant!" "Unser klassischer Vorsitzender, Herr Redakteur Heilbunth, lebe hoch!"
Man rief ein neunfaches Hurra, und die Gläser wurden bis auf den Grund geleert.
Jetzt wurde die Lustigkeit zügellos.
"Wein her, Thomsen! Wein her!" schrie man.
"Wer will einen Käseknochen mit Fleisch daran haben?"
"Ach was, scher' dich zum Teufel!"
"Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm –"
"Einen kleinen Lysholmer, alter Junge!"
"Pfui Teufel, der ist ja ganz warm geworden!"
"Dänemark soll leben! Prost, ihr Brüder!"
"Prost!